G Große Aufregung um Clemens Meyer. Völlig zu Recht! Ein Autor, der „Ihr elenden Wichser“ beleidigt, weil er den Deutschen Buchpreis nicht gewonnen hat. Was dann zu einem wird Spiegel-Das Interview stellt ihn in eine Reihe mit Alfred Döblin und Günter Grass und erklärt sein Verhalten auch damit, dass er mit dem Preis bereits gerechnet habe, nur weil er seine hohen Steuerschulden und eine Scheidung begleichen musste. Das ist wirklich tolles Kino und wie gemacht für die Spannungskurven der sozialen Medien.
Manche können von „Fremdscham“ berichten oder die Abschaffung des „männlichen Autoren-Egos“ fordern. Die anderen können sich zumindest für sein Werk in die Bresche werfen und behaupten, dass Meyers Roman „Die Projektoren“ den Preis durchaus verdient hätte. Wieder andere können erkennen, dass der Autor mit diesem Skandal zumindest auf die prekäre Einkommenssituation selbst bekannter Schriftsteller aufmerksam macht. Und andere können ihrer Wut darüber Ausdruck verleihen, dass nun alle über Clemens Meyer reden und zumindest für ein paar Tage nicht mehr in erster Linie über die eigentliche Preisträgerin Martina Hefter. Es macht alles Klick.
Aber vielleicht sollten Sie auch einen Blick auf das Verhältnis von Clemens Meyer und Martina Hefter zueinander werfen. Dann könnte man erkennen, dass sie idealerweise zwei Autorenmodelle verkörpern, zwischen denen in der aktuellen Literaturwelt offensichtlich eine Entscheidungssituation besteht.
Clemens Meyer verkörpert in diesem Double das einsame Originalgenie, das aus roher Kreativität agiert. Anspruch auf große, beeindruckende Werke – 1.000 Seiten! -, Anerkennung und Aufmerksamkeit fordern, sonst die Welt verfluchen: Als Clemens Meyer 2008 den Leipziger Buchpreis gewann und sofort jubelnd die Arme in die Luft warf, die Bierflasche noch in der Hand, galt das noch als Authentizität. Jetzt gleicht er eher einem Stier im Porzellanladen.
Gewinner der Solidarität
Martina Hefter ist die aktuelle Alternative. Auch als Nominierte auf der Long- und dann Shortlist des Deutschen Buchpreises machte sie stets besonders deutlich, wie gut sie die anderen nominierten Romane fand, und betonte bei jeder Gelegenheit den Zusammenhalt der Autoren untereinander.
Martina Hefter, Gewinnerin des Deutschen Buchpreises 2024
Foto: Georg Wendt/dpa
Als sie die Auszeichnung entgegennahm, erwähnte sie in ihrer Dankesrede ihr soziales Umfeld. Insgesamt knüpft es an die Kampagne des Autors Dinçer Güçyeter an, der mit seinem Gewinn des Leipziger Buchpreises 2023 auch die Autoren, die leer ausgegangen waren, auf die Bühne brachte. So ein Bild der gegenseitigen Anerkennung mit Clemens Meyer? Kaum vorstellbar.
Diese Unterschiede spiegeln sich auch in ihren jeweiligen Romanen wider. Meyers „Projektoren“ verkörpern das gewichtige Epochenwerk: dick, erzählerisch raumgreifend, breitbeinig. Natürlich müssen Sie zuerst die Knie etwas beugen. Hefters Roman „Hey, guten Morgen, wie geht’s?“ ist hingegen verspielter und verarbeitet Schicksalsschläge ebenfalls elegant. In diesem Text können Sie bewundern, wie der Autor Schmerz in Literatur verwandelt.
Enge Entscheidung
Wie man hört, fiel der Jury des Deutschen Buchpreises die Entscheidung zwischen diesen beiden Büchern sehr schwer, kein Wunder. Es zeigte sich, dass Meyers Roman wichtig war, aber letztlich entschied sich die Mehrheit für einen weniger eindrucksvollen literarischen Ansatz. Nächstes Jahr wird die nächste Jury vielleicht anders denken. Glücklicherweise ist das Autorenmodell von Clemens Meyer nicht mehr per se hegemonial, aber das wird auf jeden Fall so bleiben.