Die Nordschleife des Nürburgrings ist berüchtigt: rund 20 Kilometer, 73 Kurven, starke Steigungen und wechselnde Wetterbedingungen. Was für Rennfahrer eine Herausforderung darstellt, gilt in der Automobilindustrie als Härtetest für Materialien und Fahrzeuge. Wer diese besteht, kann dies als Qualitätsnachweis nutzen – und genau das tun Hersteller aus China jetzt.
Rekordfahrten auf dem Ring erregen Aufmerksamkeit
Die chinesischen Marken Xiaomi und BYD sorgten zuletzt mit der Luxusmarke Yangwang für Aufsehen. Anfang April dieses Jahres stellte Xiaomi einen neuen Rundenrekord für Elektrofahrzeuge auf – gut drei Sekunden schneller als die bisherige Bestleistung des Porsche Taycan. Auch BYD Yangwang war auf der Strecke erfolgreich.
BYDs Elektromodell Yangwang auf der Nordschleife. Chinesische Hersteller testen hier ihre Fahrzeuge unter extremen Bedingungen.
BYD Yangwang
Rekordfahrten sind laut Nürburgring-Geschäftsführer Christian Stephani ein wichtiges Schaufenster für die Automobilindustrie. Hersteller wollen zeigen, dass ihre Fahrzeuge besonders leistungsstark sind und den Anforderungen der Nordschleife standhalten. Die sogenannten Rekordfahrten werden gemeinsam mit dem TÜV Rheinland überwacht und offiziell bestätigt.
Der Nürburgring als Entwicklungsstandort der Automobilindustrie
In der Praxis geht es jedoch längst um mehr als nur um Geschwindigkeit. Auf der Nordschleife werden Fahrzeuge im sogenannten Industriebecken auf Bremsen, Batterien, Software und Materialbelastung getestet. Neben den Rekordfahrten hat sich der Nürburgring zu einem Entwicklungsstandort der Automobilindustrie entwickelt. „Wir wollen der Außenwelt noch deutlicher zeigen, dass der Nürburgring nicht nur eine Rennstrecke ist“, sagt Geschäftsführer Christian Stephani.
Um diesem Bereich mehr Platz zu geben, baut der Nürburgring derzeit seine Infrastruktur um. So wurde beispielsweise die stillgelegte Achterbahn am Nürburgring teilweise abgebaut. Laut Stephani soll in den Ringwerk-Gebäuden künftig ein Technologie- und Entwicklungszentrum entstehen, das vor allem Automobilunternehmen zur Verfügung stehen soll.

300 Meter Schienen werden entfernt
Achterbahn am Nürburgring: Bis Ende August werden Teile des Ring-Racers abgerissen
Am Nürburgring geht in diesen Tagen ein Stück Geschichte zu Ende. Teile der stillgelegten Achterbahn Ringracer werden abgebaut. Sie kam nie richtig in Fahrt.
Geplant sind Werkstattbereiche, technische Arbeitsbereiche und bei Bedarf kleinere Präsentationsräume. Der Nürburgring will die Anlage nicht selbst betreiben, sondern die Flächen an externe Partner vermieten.
Im Industriegebiet Meuspath am Nürburgring haben sich zahlreiche Automobilhersteller und Zulieferer angesiedelt – in unmittelbarer Nähe zur Rennstrecke.
SWR
Die chinesischen Hersteller Xiaomi und BYD haben sich noch nicht dauerhaft am Nürburgring niedergelassen. Nach Angaben des Nürburgrings gibt es bereits Gespräche über mögliche Kooperationen. Unterschiedliche Arbeitsweisen und Mentalitäten treffen aufeinander.
Kulturelle Unterschiede und neue Möglichkeiten
Die Zusammenarbeit mit chinesischen Partnern bringt neue Dynamik mit sich. Sprachlich wird überwiegend auf Englisch kommuniziert. Die größere Herausforderung liegt laut Stephani in der Zeitverschiebung bzw. dem Arbeitstempo.
Ein Prototyp auf Testfahrt im Nürburgring-Industriebad. Rund 50 Hersteller und Zulieferer nutzen die Route regelmäßig für Entwicklungsreisen.
Nürburgring
In China wird eine Entscheidung getroffen und es entstehen sofort Ergebnisse. In Deutschland dauert dies oft länger, da oft deutlich mehr Anträge und Genehmigungen erforderlich sind. Für asiatische Geschäftspartner ist dies schwer nachvollziehbar.
Das sind Welten, die aufeinanderprallen. In China wird eine Entscheidung getroffen und dann gebaut. Es ist schwer zu erklären, warum es in Deutschland länger dauert.
Die Nürburgring-Nordschleife gilt als eine der anspruchsvollsten Strecken der Welt – rund 20,832 Kilometer, 73 Kurven und große Höhenunterschiede.
Gruppe C
Internationaler Blick in die Zukunft
Trotz unterschiedlicher Arbeitsweise sieht der Nürburgring die internationale Zusammenarbeit als Bereicherung. Geschäftsführer Christian Stephani betont, dass man vor chinesischen Unternehmen nicht die Augen verschließen, sondern prüfen sollte, ob sie sich auch langfristig in Deutschland ansiedeln könnten – als potenzielle Arbeitgeber von morgen. Der Nürburgring versteht sich als offene Test- und Entwicklungsplattform.
Die Richtung ist klar: Der Nürburgring bleibt eine Rennstrecke – gleichzeitig soll er aber zunehmend zu einem Ort werden, an dem sich die Automobilindustrie weiterentwickeln kann.
