
Wolfsburg. Mitarbeiter äußern ihre Unzufriedenheit mit den neuesten VW-Sparplänen. VW-Chef Blume verteidigt Sparmaßnahmen. Arbeitsminister Heil fordert das VW-Management zum Einlenken auf.
Im Streit um harte Einschnitte bei VW hat Betriebsratschefin Daniela Cavallo die Unternehmensleitung zu schnellen Zugeständnissen aufgefordert. „Es liegt am Vorstand, wie es hier bis Weihnachten weitergeht“, sagte sie bei der Betriebsversammlung in Wolfsburg. „Entweder wir reißen uns zusammen und gehen ernsthafte Kompromisse ein. Auf beiden Seiten“, sagte Cavallo. „Oder der Vorstand beharrt auf seiner Position und es eskaliert.“
Cavallos Ziel: Einigung noch in diesem Jahr
Ihr Ziel sei es weiterhin, noch in diesem Jahr eine Einigung zu erzielen, sagte Cavallo. „Wir wollen das noch vor Weihnachten zu einem glücklichen Ende bringen.“ Voraussetzung ist allerdings, dass die VW-Führung ihre bisherigen Forderungen aufgibt. „Ohne beide Seiten aufeinander zuzubewegen, wird es kein Verhandlungsergebnis geben.“
Die IG Metall ist mit ihren Sparvorschlägen einen Schritt auf das Unternehmen zugekommen. Nun erwarte sie auch Zugeständnisse des Unternehmens, sagte Cavallo. Bislang beharrt das Top-Management auf seinen Höchstforderungen.
Cavallo warnt vor Imageschaden für Volkswagen
Aber es muss auf beiden Seiten Zugeständnisse geben. „Sonst ist es kein Kompromiss.“ Fabrikschließungen, Massenentlassungen und Lohnkürzungen kämen für die Arbeitnehmer weiterhin nicht in Frage.
Die IG Metall hatte angeboten, eine mögliche Lohnerhöhung vorerst nicht auszuzahlen, sondern in einen Zukunftsfonds zu stecken. VW wies dies als unzureichend zurück.
Cavallo warnte vor einem Imageschaden für Volkswagen durch den harten Kurs des Managements und die ständige Bezugnahme auf Negativszenarien. „Der Vorstand schadet unserer Marke mit seinem Verhalten“, sagte sie. „Ich bin ernsthaft besorgt über die Darstellung unseres Unternehmens durch den Vorstand in der Presse.“ Mit seinem Vorgehen öffne er Hohn und Spott Tür und Tor: „Das schadet uns massiv.“

Volkswagen-Chef Oliver Blume schaut zu Beginn einer Betriebsversammlung in der Konzernzentrale in Wolfsburg zu.
© DPA Images | Ronny Hartmann
Die Betriebsversammlung begann mit Protesten der Belegschaft. Mitarbeiter begrüßten den Vorstand mit Transparenten, auf denen sie gegen die harten Sparpläne des Unternehmens protestierten.

Volkswagen-Mitarbeiter protestieren mit Transparenten mit der Aufschrift „Heute hier, morgen da, übermorgen weg“ und „Wann rettet der Vorstand?“ während der Betriebsversammlung am Firmensitz in Wolfsburg.
© DPA Images | Ronny Hartmann
Auf einem Banner von VW-Mitarbeitern war zu lesen: „Wann rettet der Vorstand?“ – „Alle Pflanzen müssen bleiben!“ wurde auf einem Flugblatt gefordert, das direkt unter dem Namen des CEO auf dem Podium angebracht wurde.
Bundesweite Warnstreiks bei Volkswagen
Volkswagen-Chef Oliver Blume verteidigte die verschärften Sparmaßnahmen von Europas größtem Autobauer. „Die aktuelle Lage ist ernst“, sagte Blume laut Aussage bei der nichtöffentlichen Betriebsversammlung im Stammwerk. „Daher sind dringend Maßnahmen erforderlich, um die Zukunft von Volkswagen zu sichern.“ Der Wettbewerbsdruck steigt, gleichzeitig sinkt die Nachfrage. „Außerdem sind unsere Arbeitskosten in Deutschland inzwischen zu hoch geworden“, sagt Blume.
VW-Chef Blume betonte auf der Betriebsversammlung: „Wir sind daran interessiert, gemeinsam eine Lösung zu finden.“
Mit Blick auf den laufenden Tarifstreit mit der IG Metall betont er: „Wir sind daran interessiert, gemeinsam eine Lösung zu finden.“ Deshalb müssen die Verhandlungen weitergehen und wir müssen gemeinsam an messbaren und vor allem nachhaltigen Lösungen arbeiten. Das von der IG Metall vorgelegte Gegenkonzept zum Sparen ohne Werksschließungen reicht hier bei weitem nicht aus. Es könne aber ein „Ansatzpunkt“ sein, sagt der VW-Chef.

Ein Transparent während der VW-Betriebsversammlung in Wolfsburg.
© AFP | Ronny Hartmann
„Unsere Produkte sind gut, jetzt müssen wir die Kosten senken – und zwar in allen Bereichen“, fordert Blume. „Wir können die besten Autos der Welt bauen – aber das macht nichts, wenn wir damit kein Geld verdienen.“
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Volkswagen fordert wegen der schwierigen Lage des Unternehmens eine Lohnkürzung von zehn Prozent. Hinzu kommen betriebsbedingte Werksschließungen und Entlassungen. Die Tarifverhandlungen zwischen Konzern und IG Metall werden am kommenden Montag fortgesetzt.
Arbeitsminister Hubertus Heil fordert das VW-Management zum Einlenken auf
In der sich verschärfenden Krise beim Autobauer VW fordert Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) den Erhalt von Arbeitsplätzen. „Ich habe klare Erwartungen an das, was jetzt passiert“, sagte Heil nach Angaben von Teilnehmern einer VW-Betriebsversammlung. „Wir müssen zusammenarbeiten, um die VW-Standorte in Deutschland zu sichern“, sagte Heil, der laut Teilnehmern großen Applaus erhielt. „Zweitens darf es keine betriebsbedingten Kündigungen geben“, sagte Heil. „Das ist ganz klar.“
Heil sagte zudem gegenüber Vorstandsvorsitzendem Oliver Blume, dass die Investitionen gesichert werden müssten, die die Zukunft der Standorte sichern würden. Angesichts der seit Monaten ohne Annäherung laufenden Tarifverhandlungen sagte der SPD-Politiker: „Diese drei Punkte, Standortsicherung, Beschäftigungssicherung und Zukunftssicherung des Unternehmens, das muss am Ende rauskommen.“ Heil hat seinen Wahlkreis Wolfsburg, den Hauptsitz von VW, direkt neben sich
Heil: „Kein romantisches Kuschelevent“
Heil sagte, dass sich die Sozialpartnerschaft in Deutschland und bei Volkswagen in dieser Stunde bewähren müsse. „Als Arbeitsminister weiß ich, dass Sozialpartnerschaft kein romantisches Kuschelereignis ist“, gab der Politiker zu. Es geht um harte, auch unterschiedliche Interessen. Aber faire Lösungen sind zentral. „Der langfristige wirtschaftliche Erfolg dieses Unternehmens funktioniert nur mit den Mitarbeitern dieses Unternehmens – und nicht gegen sie“, sagte der Arbeitsminister in der rot-grünen Übergangsregierung. „Die Mitarbeiter bei Volkswagen sind Menschen mit Rechten und keine Kostenstellen mit Ohren!“

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil und VW-Betriebsratschefin Daniela Cavallo bei der Betriebsversammlung am Mittwoch.
© AFP | Ronny Hartmann
SPD-Politiker für Industriepolitik
Knapp zwölf Wochen vor der geplanten Bundestagswahl sagte Heil: „Wenn wir unsere industrielle Basis sichern wollen, dann müssen wir auf eine aktive Industriepolitik in Deutschland und Europa setzen.“ Deutschland muss ein Autoland bleiben. Heil war bereits in der Vorgängerregierung als Arbeitsminister tätig, auch in der nun gescheiterten Ampel-Regierung war er erneut tätig.
Nach eigenen Angaben hatte Betriebsratschefin Daniela Cavallo Heil bereits vor mehreren Monaten eingeladen. Die umfangreichen Sparpläne des Konzerns waren zu diesem Zeitpunkt noch nicht bekannt.
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Erst am Montag protestierten Zehntausende vor dem Vorstandsgebäude gegen die harten Sparpläne des Konzerns, allein in Wolfsburg traten 47.000 zwei Stunden lang in den Warnstreik. Nach Angaben der Gewerkschaft waren es an allen neun betroffenen Standorten zusammen fast 100.000. Auch bei der Betriebsversammlung Anfang September kam es zu lautstarken Protesten. Mitarbeiter begrüßten den Vorstand mit Transparenten und Sprechchören. 25.000 Teilnehmer wurden damals gezählt.
VW fordert harte Einschnitte
Europas größter Automobilhersteller fordert wegen der schwierigen Lage des Unternehmens eine Lohnkürzung um zehn Prozent. Hinzu kommen betriebsbedingte Werksschließungen und Entlassungen. Die Arbeitsplatzsicherung wurde aufgehoben. IG Metall und Betriebsrat fordern ein Zukunftskonzept für alle Standorte – ohne Werksschließungen und Massenentlassungen.
In den seit September laufenden Tarifverhandlungen gibt es bislang keine Anzeichen für eine Einigung. Ein Gegenkonzept von IG Metall und Betriebsrat für Einsparungen ohne Entlassungen und Werksschließungen lehnte VW als unzureichend ab. Am kommenden Montag treffen sich beide Seiten zur vierten Verhandlungsrunde. Cavallo erwartet dann eine Entscheidung: Entweder kommt es zu einer Annäherung oder es kommt zu einer weiteren Eskalation.
VW-Betriebsversammlung: Arbeitsminister Heil als Gastredner
Cavallo wertete den Auftritt von Arbeitsminister Heil auf der Betriebsversammlung als „wichtiges Zeichen der Wertschätzung – gerade jetzt in diesen turbulenten Zeiten“. Sie hatte den Minister bereits vor vielen Monaten eingeladen, bevor die umfangreichen Sparpläne des Unternehmens bekannt wurden. Heil, dessen Wahlkreis direkt an Wolfsburg grenzt, sprach sich nach Bekanntwerden der Sparpläne für den Erhalt aller VW-Standorte aus.
Konkrete Aussagen des SPD-Politikers zum aktuellen Tarifstreit seien jedoch nicht zu erwarten, hieß es aus dem Betriebsrat. Die Politik mischt sich hier traditionell nicht ein.
Bei VW-Betriebsversammlungen sind Politiker regelmäßig zu Gast. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) kam Anfang 2023, ihm folgten 2008 seine Vorgängerin Angela Merkel (CDU) und Ende 2021 der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil (SPD).
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dpa/afp