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Buhrufe für Roth in Donaueschingen

Eröffnung der Donaueschinger Musiktage: Der SWR feierte sich selbst, Roth kämpfte mit seinem Schatten und die Musik versuchte einen Raum dazwischen zu schaffen.

Englische Zusammenfassung: Eröffnung der Donaueschinger Musiktage 2025: Unter dem Motto „75 Jahre SWR“ feierte der Sender sich selbst, während sich Chefdirigent François-Xavier Roth lautstark mit Kontroversen auseinandersetzte. Zwischen Applaus und Buhrufen bemühte sich die Musik – präzise und doch vorsichtig – darum, zwischen Loyalität, Spannung und Selbstbestätigung Platz zu finden.

Die Donaueschinger Musiktage 2025 stehen unter dem Motto „75 Jahre SWR“ – eine Partnerschaft, die gefeiert wird, als wäre sie ein Garant für kulturelle Stabilität. Am Freitagabend begann das Festival in den Donauhallen mit einem Festakt SWR-Programmdirektorin Anke Mai sprach über die Bedeutung dieser Zusammenarbeit – als Engagement des SWR für zeitgenössische Musik.

Das ist schön gesagt. Es ist einfach schwer, nicht an die Rolle des SWR als Teil der ARD zu denken und daran, wie in dieser Zeit die Kulturformate im öffentlich-rechtlichen Rundfunk zusammengeschnitten, zusammengelegt und auf Sendeplätze nach Mitternacht verbannt wurden. Ein wackeliges Bekenntnis, insbesondere seitens der Institution, die „Synergien“ im ganzen Land als Argument für den Abbau nutzt.

Mai erinnerte auch daran, dass die Musiktage seit 1950 – beginnend mit Hans Rosbaud – stets vom Chefdirigenten des SWR und zuvor des SWF eröffnet wurden. Über Teodor Currentzis ist dies nicht bekannt. Und so geschah es François Xavier Rothon, dem aktuellen Chefdirigenten – ein Name, der seit Wochen mehr Schlagzeilen als Musik macht.

Der schwierige Anfang

Der SWR Sinfonieorchester wurde zunächst mit freundlichen Bravo-Rufen begrüßt. Als Roth erschien, mischten sich die Leute sofort untereinander Buh darunter – laut, deutlich, nicht zu ignorieren. Die im September erneut aufflammenden und dann hastig „zurückgeholten“ Vorwürfe gegen ihn hatten die Debatte um seine Ernennung neu entfacht. Auch einige Komponisten, deren Werke das Orchester einst uraufgeführt hatte, äußerten kürzlich ihre Empörung.

Das Konzert begann also auf dünnem Eis. Kulturpolitisch klappernd könnte man sagen. Mark Andres Premiere „Entfaltung. In Erinnerung an Pierre Boulez« leg dich hin wie Ein Nebel über dem Fall Roth: ruhig, schön, fast zu schön. Eine Musik, die alles andere vergessen machen wollte. Erst gegen Ende, als ungewohnte Klaviertöne wie knackende Äste durch den Klangnebel brachen, gab es einen kurzen Hauch von Realität.

Treue Bravos

Turgut Ercetine »Es herrscht Stille, Blick hinter die Umzäunungen« für Klarinette und Orchester folgte Carl Rosman als Solisten. Seine Klarinette – ein schwebendes, wanderndes Instrument, mal begleitet vom Solocello, mal von der mikrotonalen Harfe – stand im Mittelpunkt. Zwischendurch spielte das Orchester feine, satte, fast konventionelle Klangströme. Eine ruhige Hommage an Mozarts Klarinettenkonzert, mit einer fast rührenden Reprise für Soloklarinette und Solocello. Viel Applaus vor der Pause, vor allem für Andre und Erçetin. Roth verließ sie, um zu applaudieren – seine beste Tat des Abends. Musikalisch war das, was er bot präzise. Alles sauber, gut gearbeitet. Aber das Fragezeichen über seiner Persönlichkeit war äußerst deutlich.

Nach der Pause Imsu Chois „Miro“eine Farb- und Zustandsstudie, sauber verarbeitet, aber im Vergleich zu den vorherigen Werken überraschend konventionell. Musik, die jedem Kulturorchester zur Ehre gereichen würde, aber niemandem den Puls heben würde.

Dann endlich „Paris, Banlieue“ von Philippe Leroux für Orchester und IRCAM-Elektronik. Roths Auftritt wurde erneut von Buhrufen begleitet – woraufhin er sich kurz vor dem Dirigenten umdrehte, vermutlich in Richtung des Elektronikpults, was aber auch für die Buhrufe wie eine stille Ansage wirkte. Dann begann das Stück: französisch-spektral, bassgesättigt, kurz faszinierend, bald ermüdend. Der Flexaton-Orgien Und Geräusche einfrieren wirkten wie Relikte einer vergangenen Avantgarde. Statt Pariser Pracht gab es Pariser Staub.

Buhrufe für Leroux und Roth, Bravo-Rufe der Gläubigen – ein Ritual. Ein Abend zwischen Treue und Lähmung, Feier und Fassade. So begann Donaueschingen 2025: Der SWR feierte sich selbst, Roth kämpfte mit seinem Schatten und die Musik versuchte, einen Raum dazwischen zu schaffen. Ein Auftakt, der alles hatte – bis auf den Abschied des Festivals und des Chefdirigenten.

Eine ausführlichere musikalische Rezension der Donaueschinger Musiktage von Georg Rüdiger finden Sie hier.

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