Der Bürgerkrieg im Sudan eskaliert weiter und es gibt Berichte über mögliche Kriegsverbrechen. Wer kämpft gegen wen und seit wann? Und was passiert als nächstes? Ein Überblick
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© Mohamed Jamal/Reuters
Mit der Einnahme der Großstadt Al-Faschir durch die Miliz Rapid Support Forces (RSF) In der Darfur-Region ist die internationale Aufmerksamkeit wieder auf den Krieg im Sudan zurückgekehrt. Der Krieg in dem Land, das laut UN die schlimmste humanitäre Krise der Welt hat, dauert seit mehr als zwei Jahren an. Wer kämpft dort gegen wen? Wie begann der Krieg? Und welche ausländischen Länder sind beteiligt? Das Wichtigste auf einen Blick:
Wer sind die Konfliktparteien?
Auf Sudanesisch Bürgerkrieg Die sudanesischen Streitkräfte (SAF) unter General Abdel Fattah al-Burhan und die Miliz der Rapid Support Forces (RSF) unter Mohammed Hamdan Daglo stehen sich gegenüber. Die RSF ging aus dem sogenannten Janjawid hervor. Dabei handelte es sich um Kavalleriemilizen, die gemeinsam mit der Armee Aufstände in der westlichen Region Darfur niederschlugen und Verbrechen an der Zivilbevölkerung begingen. Zwischen 2003 und 2006 sollen rund 300.000 Menschen durch die Kavalleriemiliz getötet worden sein. Im Oktober verurteilte der Internationale Strafgerichtshof erstmals einen ehemaligen Janjawid-Anführer wegen Kriegsverbrechen.
2019 stürzten Al-Burhan und Daglo nach einer breiten Protestbewegung im Land gemeinsam den langjährigen Diktator Umar al-Bashir, um selbst an der Macht zu bleiben. Allerdings waren sie sich uneinig über die Frage, ob die militärisch und wirtschaftlich mächtige RSF in die Armee integriert werden oder als eigenständige Macht bestehen sollte. Seit einigen Jahren gilt Militärchef Al-Burhan als faktischer Herrscher des Landes Sudanauch wenn es mit Kamil Idris offiziell einen Premierminister gibt.
Wie begann der Bürgerkrieg?
Im Jahr 2023 soll die Macht im Sudan vom Militär auf eine Zivilregierung übergehen. Im Zuge dessen sollte die RSF in die Armee integriert werden, was jedoch von der Miliz nicht akzeptiert wurde. Am 15. April 2023 kam es schließlich in der Hauptstadt Khartum zu Kämpfen zwischen der Armee unter Al-Burhan und der RSF-Miliz unter Daglo.
Seitdem kämpfen die beiden Gruppen gegeneinander. Die Armee kontrolliert die meisten Gebiete im Osten, Norden und im Zentrum des Sudan. Die RSF dominieren im Westen und haben die Region Darfur im Südwesten des Landes erobert. Anfang des Jahres richtete die RSF offiziell eine Parallelregierung für die von ihr kontrollierten Gebiete ein, die schätzungsweise etwa ein Drittel des Landesgebiets ausmachen. Beiden Konfliktparteien werden Kriegsverbrechen vorgeworfen.
Was ist in Al-Faschir passiert?
Bis vor Kurzem war Al-Faschir die letzte größere Stadt in Darfur, die die RSF noch nicht eingenommen hatte. Die Miliz hatte die Stadt in Nord-Darfur mehr als ein Jahr lang belagert, die Bevölkerung litt unter großem Hunger, Krankheiten und Angriffen.
Am 26. Oktober fiel die Stadt an die RSF. Militärchef Al-Burhan sagte, die Streitkräfte hätten sich vollständig aus Al-Faschir zurückgezogen. Die RSF habe „systematisch“ Menschen getötet, sagte er in einer Fernsehansprache.
Das UN-Menschenrechtsbüro schätzt, dass bei dem Angriff der RSF-Milizen Hunderte Zivilisten getötet wurden. Kurz nach der Einnahme der Stadt sprach das sudanesische Ärztenetzwerk von einem Völkermord und mindestens 1.500 getöteten Zivilisten innerhalb von drei Tagen. Überlebende berichteten von Massenerschießungen, Massenvergewaltigungen mit Waffen, Angriffen auf humanitäre Helfer und Entführungen.
Wie ist die Situation aktuell?
Nach Angaben der Vereinten Nationen konnten 65.000 Menschen aus Al-Faschir fliehen. Zehntausende weitere sind noch immer in der Stadt gefangen. Laut einer Forschungsgruppe der Yale University deuten Satellitenbilder darauf hin, dass die Massentötungen weitergehen und dass ein großer Teil der Bewohner „tot ist oder gefangen genommen wurde oder sich versteckt“.
Auch in der Region Kordofan im Zentralsudan wird eine weitere Eskalation der Gewalt befürchtet. Nach neuesten UN-Angaben flohen zwischen dem 26. und 31. Oktober mehr als 36.800 Zivilisten aus fünf Städten der Region. Anwohner berichteten, dass sowohl die RSF-Miliz als auch die Regierungsarmee ihre Einheiten in der Gegend verstärkten.
Laut einer Analyse der Nichtregierungsorganisation International Crisis Group ist der Sudan nach dem Sturz von Al-Faschir de facto gespalten. Das Land verfügt nun über zwei konkurrierende Machtzentren. Die RSF hatte ihre Macht im Westen gefestigt und grenzüberschreitende Versorgungswege gesichert.
Wie sind die internationalen Reaktionen?
Deutschlands Außenminister Johann Wadephul (CDU) bezeichnete die Lage im Sudan als „apokalyptisch“. Gemeinsam mit seinen Amtskollegen aus Großbritannien und Jordanien forderte er auf einem Sicherheitsgipfel einen sofortigen Waffenstillstand. Der UN-Sicherheitsrat verurteilte den Angriff auf Al-Faschir und verurteilte „Gräueltaten“ gegen Zivilisten. Auch die Afrikanische Union (AU) sprach von „Gräueltaten“ und „Kriegsverbrechen“ und forderte ein sofortiges Ende der Kämpfe.
Die Staatsanwälte des Internationalen Strafgerichtshofs in Den Haag sagten, sie würden Beweise für mutmaßliche Massenmorde und Massenvergewaltigungen sammeln. Sollten sich die Vorwürfe bestätigen, könnten sie Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit darstellen, heißt es in der Erklärung.
Welche Rolle spielen andere Länder in dem Konflikt?
Die sudanesische Regierung, UN-Experten und US-Vertreter werfen den Vereinigten Arabischen Emiraten vor, die RSF seit Beginn der Kämpfe mit Geld und Waffenlieferungen zu unterstützen. Der Golfstaat weist dies zurück. Die sudanesische Armee wiederum wird von Ägypten unterstützt. Beobachtern zufolge stehen auch Saudi-Arabien und Iran auf ihrer Seite.
Darüber hinaus sollen russische Akteure einerseits beim Goldabbau mit der RSF zusammengearbeitet haben; Andererseits verhandelt die russische Regierung mit Machthaber Al-Burhan über einen russischen Marinestützpunkt am Roten Meer. Russland blockierte in der Vergangenheit eine UN-Resolution, die einen Waffenstillstand im Sudan forderte.
Welche Rolle spielen ethnische Konflikte im Krieg?
Der Konflikt in Darfur ist weitgehend von ethnischen Faktoren geprägt. Diese stehen in engem Zusammenhang mit Fragen der Landrechte, der Ressourcenverteilung und der politischen Marginalisierung. Dabei geht es vor allem um den Wettbewerb um Land und Wasser zwischen traditionell nomadischen arabischen Volksgruppen und sesshaften, nichtarabischen Gruppen.
In den letzten Jahrzehnten hat die Regierung die ethnischen Spannungen in Darfur systematisch gefördert, indem sie gezielt die arabischen Dschandschawid-Milizen unterstützte, um Aufstände unter der sich benachteiligt fühlenden nichtarabischen Bevölkerung zu unterdrücken.
Mit Material der Nachrichtenagenturen dpa, AFP, Reuters und AP
			