Neun Monate sind seit der Bundestagswahl vergangen und Sahra Wagenknecht sucht immer noch nach 10.000 Stimmen. Diese Zahl würde bei einer Neuauszählung der Stimmzettel ausreichen, um ihr und ihrer BSW-Partei den Einzug ins Parlament zu ermöglichen. Die Grundfesten des politischen Systems würden erschüttert. Die schwarz-rote Koalition wäre ohne Mehrheit, prominente Politiker wie Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (CDU) wohl ohne Mandat.
Nur ein Komitee konnte dieses Erdbeben auslösen. Es handelt sich um den Wahlprüfungsausschuss des Bundestages. Auf ihm sitzen neun Abgeordnete aller Fraktionen und entscheiden über Wahlbeschwerden. Doch mit der Frage, ob die Volksvertretung richtig zusammengesetzt ist, lassen sich die Volksvertreter Zeit. Das Nachrichtenportal Der Pionier hatte berichtet, dass der Ausschuss nächste Woche zusammentreten würde.
Sahra Wagenknecht fordert vom Wahlprüfungsausschuss in Berlin eine Neuauszählung
Dafür gibt es aber keine Bestätigung. „Ich habe keine Kenntnis von einer nächsten Sitzung“, sagte der Büroleiter des Ausschussvorsitzenden Macit Karaahmetoglu. Ein Mitarbeiter des Linken-Fraktionsvorsitzenden Sören Pellmann, der im Gremium sitzt, sagte: „Auch wir würden gerne wissen, wir werden mit Anfragen von Bürgern bombardiert.“ Auch die Bundestagsverwaltung kann keinen Termin finden. Das letzte Treffen fand am 11. September statt.
Sahra Wagenknecht ist empört über das Vorgehen des Ausschusses. „Ich fordere den Wahlprüfungsausschuss des Bundestages auf, endlich den Weg für eine Neuauszählung freizumachen. Das Zeitspiel im Wahlprüfungsausschuss ist ein Versuch, eine unliebsame Konkurrenzpartei loszuwerden und die eigenen Positionen zu sichern“, sagte der Parteivorsitzende unserer Redaktion. Sie warf der Opposition vor, gemeinsame Sache mit dem Regierungsbündnis zu machen. „Dass auch die Opposition aus AfD, Grünen und Linken in enger Eintracht die Entscheidung auf die lange Bank schieben, ist eine völlig neue Querfront gegen den BSW.“
Sören Pellmann von der Linken erklärte kürzlich auf der Plattform MPs Watch, dass der Ausschuss seine Prüfung so schnell wie möglich abschließen werde. AfD-Chefin Alice Weidel ließ eine Anfrage zur Position ihrer Partei unbeantwortet, während sich stellvertretender Fraktionsvorsitzender Stephan Brandner für eine Neuauszählung aussprach. Die beiden renommierten Politikwissenschaftler Eckhard Jesse und Uwe Wagschal sehen legitime Hinweise auf falsch gezählte Stimmen und haben dafür einen Aufsatz verfasst FAZ verlangt eine Nachzählung. Die Stimmzettel werden aufbewahrt und können jederzeit wieder abgerufen werden.
Bundestagswahl 2025: Eine weitere Beschwerde kommt von Volker Ullrich aus Augsburg
Die Wahlbeschwerde des BSW ist nicht die einzige bedeutsame Beschwerde, mit der sich der Wahlprüfungsausschuss befassen muss. Der zweite Streit betrifft diejenigen Politiker, die bei der Bundestagswahl in ihrem Wahlkreis die meisten Erststimmen erhalten haben, aber aufgrund der Wahlrechtsreform nicht ins Parlament eingezogen sind. Die Wahlrechtsnovelle Mitte 2023 hatte zum Ziel, den Bundestag um 100 Sitze zu verkleinern. Die Axt wurde auch auf Erstwahlsieger angewendet.
Bundesweit wurden 23 davon aussortiert; 18, die überwiegende Mehrheit gehört CDU und CSU an. Auch Kandidaten der AfD und ein Kandidat der SPD teilten sich das Los. Einige der 23 wollen das nicht akzeptieren. Unter ihnen ist der langjährige Augsburger Abgeordnete Volker Ullrich, der die Stadt seit 2013 im Bundestag vertritt und stets das Direktmandat gewann. Auch am Wahlsonntag lag der CSU-Mann mit zehn Prozentpunkten Vorsprung auf Platz eins, das Mandat ging jedoch an die Grünen-Prominenz Claudia Roth.
Foto: Marcus Merk
Ullrich hält es für besorgniserregend, dass der Ausschuss so viel Zeit für die Prüfung der Beschwerden benötigt. „Bei der Wahl wurden demokratische Grundprinzipien verletzt. Dies muss sehr schnell geklärt und entschieden werden“, sagte er. Ihm zufolge wandten sich neun der 18 Wahlkreissieger aus CDU und CSU, die leer ausgingen, an den Ausschuss.
Sie fordern eine anschließende Beförderung ins Parlament und machen dafür die unterschiedliche Behandlung von Wahlkreisen und Kandidaten verantwortlich. Allerdings ist Ullrich mit Wagenknechts Forderung nach einer Neuauszählung nicht einverstanden. „Ich bin zuversichtlich, dass die Zählung korrekt war.“ Seinen Recherchen zufolge gibt es neben dem möglichen Verlust der schwarz-roten Mehrheit noch einen weiteren Grund dafür, dass sich der Prüfungsausschuss mit dem Thema nur langsam befasst. Ihm zufolge würde bei einem späteren Einzug des BSW Parlamentspräsidentin Julia Klöckner ihr Mandat verlieren, ebenso wie der frühere Kanzlerkandidat Armin Laschet und der Chef der Jungen Union, Johannes Winkel (alle CDU).
