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Breton tritt zurück: Martin Sonneborn für Depardieu als EU-Kommissar

Breton tritt zurück: Martin Sonneborn für Depardieu als EU-Kommissar

Im Konflikt mit EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hat der französische EU-Kommissar Thierry Breton überraschend seinen sofortigen Rücktritt angekündigt. Wie ist der Skandal um den früheren Kommissar für Binnenmarkt und Dienstleistungen einzuordnen? EU-Parlamentarier Martin Sonneborn, Vorsitzender der Satirepartei DIE PARTEI, äußert sich dazu im Interview.

Herr Sonneborn, Sie sind einer der schärfsten Kritiker des Kommissionspräsidenten. Einer Ihrer Vorwürfe ist die Besetzung von EU-Spitzenposten mit Millionären wie Thierry Breton. Nun legt er seinen Posten nieder – im Streit mit Ursula von der Leyen. Hat sie diesmal also alles richtig gemacht?

Von der Leyen hat noch nie etwas richtig gemacht. Zu Beginn ihrer zweiten Amtszeit in Brüssel zeigt sie gleich eindrücklich, warum sie die erste nie hätte antreten sollen: Sie versteht schlicht nichts von Politik – und noch weniger von der EU (und ihren Strukturen). Tatsächlich ist die Kritik an von der Leyens autoritärem Arbeits- und Führungsstil seit 2019 unverändert geblieben. Entgegen ihrem Mandat und in radikalem Bruch mit den Praktiken aller ihrer Vorgänger zog sie sich von Beginn an mit einem kleinen, nicht demokratisch legitimierten Beraterteam zurück und diktierte der Kommission lediglich ihre eigenen Entscheidungen. Keine Kommissionspräsidentin hat so viele Deserteure erlebt wie von der Leyen. Mit ihr lässt sich schlicht nicht arbeiten.

Thierry Breton wiederum wirft von der Leyen „fragwürdige Regierungsführung“ vor. Muss man ihm trotz aller Kritik, die Sie an seiner Arbeit geübt haben, auch in diesem Fall Recht geben? Was sind von der Leyens größte Versäumnisse?

Ja, leider. Auch wenn Bretons Enttäuschung teilweise auf Hybris zurückzuführen ist, hat er doch selbst offen über das Amt des Kommissionspräsidenten reflektiert. Unter von der Leyen ist die EU-Kommission zusehends erbärmlicher geworden: völlige Intransparenz, Inkompetenz, Zensur, Autoritarismus. Dazu kommt von der Leyens ständige Missachtung von Bestimmungen der europäischen Verträge und demokratischer Gepflogenheiten. Und schließlich steht von der Leyen, auch wenn die deutschen Medien sich beharrlich weigern, das Thema aufzugreifen, in Belgien wegen Korruption, Amtsmissbrauch und Unterschlagung vor Gericht.

Sie beklagen am Beispiel Bretons eine EU-Politik, die Unternehmensinteressen über die der Bürger stellt. Wie könnte eine europäische Wirtschaftspolitik aussehen, die das Gemeinwohl glaubwürdig vertritt?

Eine glaubwürdig an den Interessen der europäischen Bürger ausgerichtete EU-Wirtschaftspolitik würde ihre schwindelerregenden Milliardensummen wohl nicht in die Rachen der globalen Rüstungs- und Pharmaindustrie pumpen, sondern in die allerorts marode europäische Infrastruktur: in die Gesundheits-, Bildungs-, Verkehrs- und Digitalisierungsnetze – und damit die nachhaltige Grundlage für eine wirtschaftliche Erholung legen. Sie würde zudem den europäischen Mittelstand statt nimmersatter US-Konzerne fördern. Und die blöde Plastik-Milchtütendeckel-Verordnung umgehend zurücknehmen!

Leidet das Vertrauen in die europäischen Institutionen unter der Art und Weise, wie Spitzenpositionen besetzt werden? Wie ließe sich das verbessern?

Was Frau von der Leyen betrifft, auf jeden Fall. Ich kenne ernstere Mafiaorganisationen: die Art und Weise, wie sie Druck auf Staaten ausüben, gegen ihre eigenen Kommissare intrigieren, Hinterzimmerdeals mit „postfaschistischen“ Regierungen und Marktmonopolisten machen und dabei systematisch ihre demokratisch geschuldete Rechenschaftspflicht umgehen – die EU wurde eigentlich als Organ zur einvernehmlichen Koordinierung zwischen den europäischen Staaten geschaffen …

Wen wünschen Sie sich als Nachfolger von Thierry Breton? Und was wünschen Sie sich für ihn?

Auf von der Leyens fortgesetzte Kompetenzüberschreitungen könnte Gérard Depardieu zumindest mit einem kräftigen Schlag auf die Nase reagieren. Ich wünsche Breton mehr Zeit, sein mickriges 200-Millionen-Vermögen zu mehren. Was nur wenige Europäer wissen, ist, dass der Mann Senegalese ist. Ein Bürger Senegals, wo er weniger als fünf Prozent Steuern zahlt.

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