Lange Zeit galt die Partie zwischen dem SV Werder Bremen und dem FC Bayern München als echter Bundesliga-Klassiker. Es entwickelte sich eine unglaubliche Heimserie, die längste der Bundesliga-Geschichte.
Zu einer Zeit, als Fußballer noch abergläubisch waren, schaffte es diese Meldung in die Zeitung: Bremens Abwehrspieler Rudi Assauer hatte vor dem Heimspiel gegen Bayern vergessen, seine Bratwurst zu kaufen, die er sich sonst vor Heimspielen im Weserstadion gönnte. Zum Preis von 1,60 DM! Die Partie in der Saison 1976/77 ging prompt mit 2:3 verloren und der spätere Schalker Kultmanager sah darin einen nicht zu übersehenden Zusammenhang.
Dass die Bayern in Bremen gewinnen würden, war damals keineswegs selbstverständlich. Selbst in der großen Ära der 1970er-Jahre mit Franz Beckenbauer in der Abwehr und Gerd Müller im Angriff war die Fahrt nach Bremen für die Fußballstars aus dem Süden kein Vergnügen. Nicht nur, weil sie einmal ihren Bus schlagen mussten, um sich gegen rauflustige Werder-Fans den Weg frei zu machen.
Rehhagel beißt sich am FC Bayern die Zähne aus
In ihren ersten fünf Bundesliga-Jahren von 1965 bis 1970 holten sie dort nur einen Punkt. Obwohl Werder meist gegen den Abstieg kämpfte, waren Bayern-Siege dort selten, und das galt vor allem in der Ära, als Werder Bremen praktisch ein Königreich war. Unter „König Otto“ Rehhagel versuchten die Bayern nach dem Bremer Wiederaufstieg 17 Jahre (!) lang vergeblich, im Weserstadion zu gewinnen – von 1982 bis 1998.
Das war oft spannend, nicht selten spektakulär, wie etwa Uli Borowkas Weitschusstor im September 1990 zum 1:0-Sieg, und manchmal auch kurios.
In die Geschichte ging das Spiel am 21. August 1982 ein, als Uwe Reinders dem neuen Bayern-Torhüter Jean-Marie Pfaff bei dessen Bundesliga-Debüt ein Einwurftor schenkte. Am 22. April 1986 verschoss Michael Kutzop den Elfmeter, der ihn unsterblich machte.
Werder verpasst Meisterschaft
Werder hätte die Meisterschaft gewonnen, doch es blieb 0:0 und der Titel ging vier Tage später nach München. Es war eine Zeit, in der die beiden Vereine fast regelmäßig um die Meisterschaft spielten und das Spiel, das mit 114 Einsätzen mittlerweile zum Rekordspiel der Liga wurde, reifte zu einem Klassiker.
Egal, wie gut die Bayern waren, wer auf der Bank saß oder wer auf dem Platz das Sagen hatte, in Bremen war für mehrere Münchner Spielergenerationen einfach nichts zu holen, selbst als der Kaiser beim Rekordmeister regierte. Am 7. Mai 1996 führten die Bayern in Bremen bereits mit 2:0 und verloren trotzdem das Spiel (3:2) und die Meisterschaft. In Erinnerung blieb das fast schon symbolische blaue Auge von Franz Beckenbauer, das er sich am Vortag beim Bayern-Training zugezogen hatte.
Die Trainer dieser unglaublichen 17 Jahre: Otto Rehhagel und (für ein Spiel) Aad de Mos in Bremen, Pál Csernai, Udo Lattek, Jupp Heynckes, Erich Ribbeck, Giovanni Trapattoni, Otto Rehhagel, Franz Beckenbauer und nochmal Trapattoni.
Basler wechselt zum FC Bayern
Dann kam der Tag der Wende. Am 4. April 1998 siegten Trapattonis Bayern an der Weser 3:0, zwei Tore von Mehmet Scholl legten den Grundstein für drei Bayern-Siege in Folge. Es schien nur ein kurzes Aufflackern zu sein, denn von 2000 bis 2003 war alles wieder wie vorher: Obwohl Ottmar Hitzfeld zu Beginn des neuen Jahrtausends die Liga dominierte, holten die Bayern in vier Spielen in Bremen nur zwei Punkte.
Das 1:1 im Dezember 2003 musste gar ein Ex-Bremer retten: Die Bayern hatten Claudio Pizarro an die Isar gelockt, um einen Konkurrenten in altbewährter Manier zu schwächen – so wie sie es schon Mitte der Neunzigerjahre gemacht hatten: 1995 hatten sie Rehhagel und Spielmacher Andy Herzog geholt, 1996 Mario Basler.
Die Folge: Werder schwebte eine Zeit lang in Abstiegsgefahr, ehe man Mitte der Nullerjahre wieder an die Tür klopfte. So weit muss man zurückblicken, um die letzten Bremer Heimsiege gegen den FC Bayern zu finden. 2006, kurz vor und kurz nach der WM, konnten binnen sechs Monaten jeweils ein 3:0 und ein 3:1 gefeiert werden. Bei Grün-Weiß zog ein gewisser Diego die Fäden, im Angriff stürmte WM-Torschützenkönig Miroslav Klose. Der war allerdings so nett, gegen seinen künftigen Klub (ab 2007) kein Tor zu erzielen. Das Eigentor von Bayerns Abwehrchef Lúcio am 21. Oktober 2006 war der bis heute letzte Siegtreffer für Werder Bremen im eigenen Stadion.
Werders Niederlagenserie gegen Bayern
Zwei Saisons später folgte der bis dahin letzte Punkt, ein eher unspektakuläres 0:0, über das sich die Bremer am 1. März 2009 sicher mehr gefreut hätten, hätten sie gewusst, was ihnen bevorstand: die längste und peinlichste Niederlagenserie eines Clubs gegen einen anderen in der Geschichte der Bundesliga.
Seit dem 23. Januar 2010, als die Trainer Thomas Schaaf und Louis van Gaal hießen und ein gewisser Arjen Robben das entscheidende Tor zum 2:3 erzielte, hat Werder alle seine Heimspiele gegen die Bayern verloren. 14 an der Zahl!
Das Torverhältnis aus diesen Spielen beträgt 8:38. Zuletzt lagen sie vor zwölf Jahren in Führung, als der Brasilianer Naldo am 21. April 2012 Hoffnungen weckte, die er dann mit einem Eigentor zunichtemachte. Das Siegtor der Münchner erzielte Franck Ribéry in der letzten Minute. Im Juni 2020, in Pandemie-Zeiten, reichte den Bayern vor leeren Rängen ein Tor zum Sieg und zur Meisterschaft.
Weiser beendet Sieglose Serie
So viel Aufregung war nicht immer: Am 7. Dezember 2013 verlor Werder 0:7, es war die höchste Bundesliga-Niederlage des Vereins im eigenen Stadion. Zu den Torschützen zählte schon damals ein gewisser Thomas Müller, der sich am Samstag gemeinsam mit Torwart Manuel Neuer auf seinen 23. Sieg gegen Werder vorbereitet. Selbst wenn sie es nicht täten, blieben sie das Duo, das die meisten Bundesliga-Spiele gegen Werder Bremen gewonnen hat, Heimspiele inbegriffen. Denn die Bremer Horrorserie beschränkte sich nicht nur auf das eigene Stadion.
Insgesamt 32 Pflichtspiele, davon 28 in der Liga, blieb der einstige Angstgegner gegen die Bayern sieglos, ehe Mitchell Weiser Tuchels Bayern im Januar einen unerwarteten Rückschlag versetzte (0:1). Was blieb, war die unheimliche Heimserie, die längste der Bundesliga-Geschichte. Sie beschreibt den Niedergang eines Klassikers, der einst die Bundesliga elektrisierte.
Datum | Paarung | Ergebnis |
---|---|---|
23. Januar 2010 | Werder Bremen – Bayern München | 2:3 |
29. Januar 2011 | Werder Bremen – Bayern München | 1:3 |
21. April 2012 | Werder Bremen – Bayern München | 1:2 |
29. September 2012 | Werder Bremen – Bayern München | 0:2 |
7. Dezember 2013 | Werder Bremen – Bayern München | 0:7 |
14. März 2015 | Werder Bremen – Bayern München | 0:4 |
17. Oktober 2015 | Werder Bremen – Bayern München | 0:1 |
28. Januar 2017 | Werder Bremen – Bayern München | 1:2 |
26.08.2017 | Werder Bremen – Bayern München | 0:2 |
1. Dezember 2018 | Werder Bremen – Bayern München | 1:2 |
16. Juni 2020 | Werder Bremen – Bayern München | 0:1 |
13. März 2021 | Werder Bremen – Bayern München | 1:3 |
6. Mai 2023 | Werder Bremen – Bayern München | 1:2 |
18. August 2023 | Werder Bremen – Bayern München | 0:4 |