57 Prozent der Befragten im aktuellen BR24 BayernTrend sind sehr oder sehr an der Europawahl am 9. Juni interessiert. Das ist mehr als der Bundesdurchschnitt und hört sich zunächst nicht schlecht an, ist aber bei näherer Betrachtung ernüchternd. Vor fünf Jahren waren 66 Prozent der Bayern sehr oder stark interessiert – also minus neun Punkte. Und 75 Prozent interessierten sich für die Landtagswahl. Was ist los? Die Zeiten, in denen es respektlos hieß: „Wenn du einen Opa hast, schick ihn nach Europa“, sind definitiv vorbei. Bayern hatte 2019 mit dem CSU-Politiker Manfred Weber sogar einen Spitzenkandidaten für ganz Europa. Die Christsozialen gewannen mit der Europäischen Volkspartei die Europawahl.
Nur wenige haben ein starkes Interesse an Europa
Er wurde jedoch nicht Präsident der Kommission. Insbesondere weigerte sich der französische Präsident, Wahlsieger Weber als Kommissionspräsidenten zu akzeptieren. Der europäischen Demokratie wurde schwerer Schaden zugefügt. Das scheinen viele Wähler in Bayern noch nicht vergessen zu haben. Ein solches politisches Drama darf sich nicht wiederholen, wenn wir das Interesse an Europa hoch halten wollen.
Besonders ernüchternd ist, dass nur acht Prozent der Wähler im Alter zwischen 16 und 34 Jahren großes Interesse an der Europawahl haben. In der Generation ab 65 Jahren sind es 20 Prozent – also jeder Fünfte! Vielleicht ist es für jüngere Menschen inzwischen zu normal, ohne Grenzkontrollen und ohne Geldwechsel in den Urlaub fahren zu können. Die Älteren kennen andere Zeiten. Sie wissen, dass nichts davon selbstverständlich ist. Den Parteien muss es wieder besser gelingen, die Vorzüge Europas hervorzuheben.
Die Menschen verstehen Europa nicht
Wenn jeder Zweite in Bayern sagt, dass er oder sie nicht versteht, wie die EU funktioniert, dann muss das ein Weckruf für die Parteien – aber auch für uns in den Medien – sein, Politik transparenter zu machen und besser zu erklären, wie es in Brüssel und Straßburg der Fall ist, ist für die Menschen gemacht.
Ein weiteres Warnsignal für die bayerischen Parteien, das der BR24 BayernTrend aussendet, ist die Europakompetenz, die den Parteien zugeschrieben wird. Wenn fast ein Drittel (29 Prozent) der Menschen im Freistaat keiner Partei zutraut, die EU in die richtige Richtung zu entwickeln, dann stimmt etwas nicht. Nur die Union liegt über diesem Wert und liegt mit 34 Prozent meilenweit vor den anderen Parteien. Die Bürger des Freistaats attestieren SPD, Grünen, AfD, Freien Wählern und vielen anderen Parteien, dass sie über geringe bis sehr geringe europapolitische Kompetenz verfügen.
Was bleibt den Partys bis zum 9. Juni noch übrig?
Eine der spannendsten Fragen am 9. Juni wird sein, wie viele Wählerstimmen Bayerns Grüne bekommen werden. Mit den 14 Prozent des BR24 BayernTrend liegen sie auf dem Niveau der Landtagswahl, aber meilenweit hinter ihrem Europawahl-Rekordergebnis von 2019. Damals erreichten sie satte 19,1 Prozent. Hoffnung und Risiko zugleich gibt es für die Öko-Partei mit einer Nummer aus dem aktuellen BR24-BayernTrend. Fast jeder zweite Grünen-Anhänger (48 Prozent) sagt, dass sich an seiner Wahlentscheidung am 9. Juni etwas ändern könnte. Zum Vergleich: Für die AfD sind das nur 22 Prozent. Für die Grünen gibt es also noch Luft nach oben – vielleicht nach oben, aber auch nach unten. Das Gefahrenpotenzial für die Ökopartei ist hoch.
Die Freien Wähler hingegen dürften ihr Potenzial bei einer Europawahl mit 9 Prozent weitgehend ausgeschöpft haben. Im Vergleich zu den anderen Parteien sind die Anhänger der Freien Wähler mit Abstand am wenigsten an der Europawahl interessiert. Nur 36 Prozent sagen, dass sie sehr oder sehr interessiert sind, während 64 Prozent weniger oder gar kein Interesse haben. Auch hier der Vergleich mit der AfD: 68 Prozent ihrer Anhänger sind sehr interessiert und nur 30 Prozent nicht. Eine Welt voller Unterschiede. Daher wird es für die Freien Wähler schwierig sein, ihre Anhänger zu mobilisieren.
Die AfD schneidet im BR24 BayernTrend besser ab als 2019, liegt mit 12 Prozent aber unter ihrem Landtagswahlergebnis. Die Skandale um die europäischen Spitzenkandidaten Krah und Bystron scheinen auch an der Partei nicht spurlos vorüberzugehen.
Mit den 41 Prozent kann die CSU durchaus gut leben, liegt sie doch voll im Rahmen ihres Europawahlergebnisses von 2019 (40,7 Prozent), allerdings ist der Puffer auf die magische 40-Prozent-Marke geschrumpft – und die sollte über die CSU gesprungen werden sieht die Europawahl als Erfolg und nicht als Niederlage.
Auch BR24 BayernTrend zeigt positive Signale
Insgesamt zeigt der BR24 BayernTrend auch positive Signale für europäische Politiker. Der Trend, dass die Menschen gegen eine vertiefte Zusammenarbeit und für mehr Staatlichkeit sind, scheint gebrochen zu sein. Während es im Januar noch eine relative Mehrheit dafür gab, dass die Staaten Verantwortung aus Brüssel zurückholen, gibt es nun eine relative Mehrheit, die Verantwortung an die EU abgeben will. Und angesichts des Krieges in der Ukraine vor unserer Haustür erkennen immer mehr Menschen, dass die EU dafür sorgt, dass wir in Europa sicherer leben (72 Prozent).
Daran sollten sich die Parteien orientieren und diesen Geist mit in die letzten vier Wochen des Europawahlkampfs nehmen.