Der Billigflieger Ryanair will gedruckte Bordkarten komplett abschaffen. Ab Mittwoch (12. November) müssen Passagiere ihre Tickets in elektronischer Form bereithalten, wenn sie in das Flugzeug einsteigen wollen, fordert Europas größte Direktfluggesellschaft. Ihr Chef Michael O’Leary erwartet bei der Umstellung kleinere Startschwierigkeiten. Deutsche Verbraucherschützer sehen hier erste Ansatzpunkte für Klagen Bordkartenausgang.
Besonders unerfahrenen Passagieren gibt der kleine Zettel mit eigenem Namen, QR-Code und Sitzplatznummer das gute Gefühl, dass beim Einsteigen nichts schiefgehen kann. Erste Ankündigungen der irischen Fluggesellschaft zum neuen Vorgehen lösten in Großbritannien Kritik und Proteste aus. Bedeutet das, dass das Unternehmen technisch wenig Begabte oder Internetverweigerer vom Fliegen ausschließt?
Der Verbraucherschutz fordert eine Alternative
Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert eine alternative Möglichkeit für alle Reisenden, jede Form der Mobilität nutzen zu können. „Mobilität darf nicht an die technischen Fähigkeiten oder die technischen oder tatsächlichen Fähigkeiten der Reisenden gekoppelt werden. Einzelne Gruppen dürfen nicht ausgeschlossen werden“, mahnt Passagierrechtsbeauftragter André Duderstaedt.
Ryanair-Chef Michael O’Leary (Archivfoto). picture-alliance/ abaca | Europa Press/ABACA
Wenn behinderte Menschen betroffen sind, könnten sie gute rechtliche Chancen haben, auf das Gleichbehandlungsgesetz zu bestehen.
Bordkarte bei Ryanair abgeschafft: Start auf Herbst verschoben
Das Unternehmen versucht mögliche Bedenken auszuräumen und hat den ursprünglich für Mai geplanten Start auf den ruhigeren November verschoben. Statt knapp 20 Millionen Passagieren (Mai 2025) dürften im kühlen Herbstmonat nur noch gut 13 Millionen Menschen mit den Iren reisen. Potenzielle Probleme lassen sich leichter lösen, wenn Flughäfen weniger überfüllt sind. Für das laufende Geschäftsjahr erwartet das Unternehmen eine Rekordzahl von 207 Millionen Passagieren.
Worauf schwört man bei Erkältungen?
Laut eigener Ankündigung will Ryanair die erste papierlose Fluggesellschaft der Welt werden. Mit den elektronischen Bordkarten könnten einer Mitteilung zufolge jedes Jahr mehr als 300 Tonnen Müll vermieden werden. Konkurrenten wie Easyjet, British Airways oder Lufthansa und Condor lassen den Kunden bisher die Wahl zwischen digitalen und analogen Bordkarten.
An der Ryanair-App führt kaum ein Weg vorbei
Eine zentrale Rolle in der digitalen Strategie spielt die Smartphone-Anwendung myRyanair. Künftig wird es für Kunden die einzige Möglichkeit sein, beim elektronischen Check-in eine Bordkarte zu erstellen. Die Airline will auch Kunden in die App bringen, die ihre Tickets auf anderen Portalen gebucht haben. Ohne die kleine Datei auf dem Smartphone gelangt man gar nicht erst in den Sicherheitsbereich eines Flughafens – geschweige denn in ein Flugzeug.
Nach Angaben der Fluggesellschaft nutzen bereits weit über 80 Prozent der Gäste die moderne Technologie. O’Leary ist überzeugt, dass die überwiegende Mehrheit der verbleibenden Passagiere auf ihren Flügen ein Smartphone dabei hat, es aber noch nicht zum Einsteigen genutzt hat.
Hauptsache eingecheckt
Allerdings ist die App auch nach Entzug der Bordkarte nicht für alle Reisenden zwingend erforderlich. Ein Hauptbucher kann die elektronischen Bordkarten für eine Gruppe vorzeigen oder einzeln auf die Smartphones seiner Mitreisenden weiterleiten.
In einem Interview mit der britischen Zeitung „The Independent“ verspricht der Ryanair-Chef allen Passagieren am Flughafen kostenlose Hilfe, solange sie eingecheckt sind. „Wenn die Batterie leer ist oder etwas passiert, haben wir nach dem Einchecken ohnehin Ihre Sequenznummer am Gate und holen Sie an Bord. Da muss sich niemand Sorgen machen.“ Ein Unternehmenssprecher rät außerdem, dass Passagiere ohne Smartphone beim Check-in von Freunden oder Verwandten unterstützt werden sollten.
Bordkarte: Letzter Ausweg am Schalter
Wenn Sie alle Warnungen und wiederholten Erinnerungen zum Online-Check-in ignorieren, finden Sie am Flughafen möglicherweise einen letzten und teuren Ausweg, um eine (ausgedruckte) Bordkarte zu erhalten und damit an Bord zu gelangen: „In diesem Fall müssen Sie die Check-in-Gebühr am Flughafen bezahlen“, heißt es auf der Ryanair-Website.
Diese beträgt je nach Abflugland 30 Euro (Spanien), 40 Euro (Österreich) oder 55 Euro/Pfund (Rest der EU/Großbritannien) pro Passagier und Strecke. Zumindest die bisher erhobene Gebühr von 20 Euro für den Nachdruck einer bereits erstellten Bordkarte entfällt künftig.
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Ganz papierlos wird Ryanair auch nach dem Auslaufen der Bordkarten nicht sein. Nach Ansicht des Verbraucherschutzes gilt für Verbraucher der Grundsatz, der bereits aus anderen Bereichen – etwa Bahncard oder Bezahldiensten – bekannt und problematisch ist: „Nicht digital bedeutet teurer.“ (dpa/mp)
