In der Sendung von Sandra Maischberger spricht Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow über seinen bevorstehenden Machtwechsel – und äußert Verwirrung darüber, dass sich die CDU auf Wagenknecht einlässt, nicht aber auf die Linkspartei. Ramelow warnt scharf vor einer Koalition mit der AfD – im Gegensatz zu einem anderen Gast.
Jahrelang war er als einziger Ministerpräsident der Linkspartei in Thüringen an der Macht – nun muss er seinen Posten räumen. Wie empfindet Bodo Ramelow die Aufgabe seines Amtes? Und wie geht es weiter mit dem einzigen Star der Linkspartei?
Darüber – und über die Fehler seiner Amtszeit – sprach Ramelow am Mittwochabend mit Sandra Maischberger. Eingeladen waren außerdem die Journalistinnen Nena Brockhaus („Focus“, WELT) und Bettina Böttinger (WDR) sowie der Chefredakteur des „Stern“, Gregor Peter Schmitz. Zum Abschluss der Sendung sprachen zudem SPD-Außenpolitiker Ralf Stegner und die Russland-Expertin der Körber-Stiftung, Sarah Pagung.
„Da wusste ich: Wir haben keine Chance.“
Seine Partei erreichte bei der Landtagswahl in Thüringen Anfang September nur 13 Prozent – ein desaströses Ergebnis im Vergleich zu den 31 Prozent bei der letzten Wahl. Trotz dieses Ergebnisses wirkte Bodo Ramelow in Maischbergers Sendung recht gelassen; fast so, als hätte er sich inzwischen damit abgefunden. „Ja, unsere Zahlen haben sich leider gedreht, und es gab einfach keine Mehrheit“, sagte der noch amtierende Ministerpräsident im Vieraugengespräch mit Sandra Maischberger. Er fügte hinzu: „Und wenn Sie mich nach Fehlern fragen: Wir haben viele davon gemacht.“
Dazu gehöre etwa, dass es seiner Regierung nicht gelungen sei, die Corona-Pandemie angemessen zu bewältigen. In dieser Zeit hätten sich gesellschaftliche Gräben gebildet, die nicht mehr überwunden werden könnten. Ramelow erwähnte auch seine Migrationspolitik, vor allem die „Halle der Schande“, die Industriehalle in Hermsdorf, in der Flüchtlinge weit über die Erstaufnahme hinaus unter ärmlichen Bedingungen lebten. „Dafür schäme ich mich“, sagte Ramelow und wirkte gerührt. „Das waren alles Fehler, die auch die Öffentlichkeit gesehen hat und wo auch CDU-Landräte zu Recht geklagt haben.“
Die Wut über diese Fehler hätte das Bündnis Sahra Wagenknecht durchaus aufgreifen können, sagte Ramelow, und das habe er schon im Wahlkampf gemerkt: „Es ging den Leuten nur noch um Gefühle, mit Fakten hatte das nichts mehr zu tun.“ Wagenknecht werde derweil „in allen Medien“ als eine Art „Allheilmittel“ gesehen. „Da wusste ich: Wir haben keine Chance.“
„Ich strebe nichts an“, sagt Ramelow über seine berufliche Zukunft
Bodo Ramelow konnte sogar den Moment genau benennen, in dem ihm das bewusst wurde: der 15. Juni, als er und seine Frau erfuhren, dass sie Großeltern werden würden. Als sie dann begannen, über ihre weitere Lebensplanung nachzudenken, überlegten sie ernsthaft, ob Ramelows Frau, eine Italienerin, in Deutschland bleiben sollte. „Das macht mir Sorgen, denn wir brauchen eine geordnete Einwanderung“, sagt Ramelow. „Aber wir reden nur über Fehler und lösen sie nicht.“
Was also soll jetzt passieren? „Ich habe mein Direktmandat gewonnen, ich nehme diese Aufgabe an“, sagte Ramelow. „Ansonsten strebe ich nichts an.“ Die CDU hatte erklärt, weiterhin keine Koalition mit der Linkspartei, sondern mit dem BSW in Erwägung zu ziehen. Ramelow reagierte irritiert: Er betonte, Sahra Wagenknecht sei immer ein Grund gewesen, mit dem die CDU ihren Unvereinbarkeitsbeschluss begründet habe. Wagenknecht sei nun weg – und immerhin habe die CDU die letzte Minderheitsregierung der Linkspartei unterstützt. Er verstehe also nicht, warum sie sich noch immer wehre. Als Maischberger andeutet, Ramelow sei dadurch beleidigt, kontert er: „Ich sage nur, dass es komisch ist.“
Und dann wird es hitzig zwischen Ramelow und Maischberger
Und eine Koalition mit der AfD? Schließlich sei auch bei Ramelows Amtsantritt 2014 in den Medien von einer „Gefährdung der Demokratie“ die Rede gewesen, erwähnte Maischberger. Was ist daran nun mit der AfD anders? Ramelow fuhr die Moderatorin daraufhin an: „Ich lehne eine Gleichbehandlung ab“, unterbrach er sie mehrfach und ließ auch nicht locker, als Maischberger versicherte, dass kein Vergleich gemeint sei.
Eine Koalition mit der AfD käme natürlich nicht in Frage, sagte Ramelow. Er betonte, dass Wiebke Muhsal, die für die AfD für das Amt der Landtagspräsidentin kandidiert, bereits wegen der Abrechnung von Scheingehältern in Höhe von insgesamt 6000 Euro verurteilt worden sei. „Wer so mit den Regeln eines Parlaments umgeht, sollte nicht annähernd in die Verantwortung kommen“, sagte Ramelow. Wichtig sei aber: „Ich spreche nicht von AfD-Wählern, sondern von den handelnden Personen.“
Kommentatoren zur AfD: Keine Verhältnisse wie in Österreich
Auch die anderen Gäste in der Runde diskutierten über eine mögliche Koalition. Nena Brockhaus, Journalistin bei WELT und „Focus“, vertrat dabei eine andere Haltung als Ramelow: „Wenn die Bürger das wollen, muss auf Landesebene über eine Koalition nachgedacht werden.“ Solche Gespräche könne man zwar noch abbrechen, sagte Brockhaus: „Aber von vornherein zu sagen, uns ist egal, was die Bürger wollen, ist meiner Meinung nach undemokratisch.“
Gregor Peter Schmitz, Chefredakteur der Zeitung „Stern“, entgegnete, es gebe keine Koalitionspflicht. Auch er äußerte Bedenken, eine Regierung mit der AfD könne den gesamten Diskurs langfristig nach rechts verschieben – wie in Österreich, wo die FPÖ seit Jahren an der Macht ist. Das bestätigte auch Bettina Böttinger: „Die Gesellschaft in Österreich ist seit der FPÖ einfach komplett nach rechts gerückt.“ Zugleich verstehe sie das Argument, dass sich gerade junge Menschen von der Demokratie abgehängt fühlen würden, wenn ihre Stimmen nicht anerkannt würden.