
Porträt
60 Jahre auf der Bühne und 39 Studioalben – jetzt tritt Bob Dylan wieder in Deutschland auf. Aber: Seine Konzerte sind ein Risiko und keine biedere Show. Die Musikikone entzog sich schon früh den Erwartungen seines Publikums.
Bob Dylan ist auch mit 84 Jahren immer noch unruhig. Die Musikikone gibt jedes Jahr Dutzende, manchmal bis zu hundert Konzerte auf der ganzen Welt. Die Auftritte werden immer mit Spannung erwartet: Wie ist Dylans Stimmung, wie gut kann er heute singen? Welche Lieder wird er spielen? Und können Sie erkennen, was er singt? Denn oft streckt und verzerrt Dylan die Songs: Er krächzt oder bellt, sodass selbst Klassiker mitunter schwer zu erkennen sind.
Dylan kommt diesen Herbst für drei Konzerte nach Deutschland; am 22. Oktober nach Hamburg, zwei Tage später nach Lingen und schließlich am 3. November nach Köln. Mobiltelefone sind übrigens nicht erlaubt, was den Fans ein rein analoges Konzerterlebnis ermöglicht. Dennoch scheint es seltsamerweise aus der Zeit gefallen zu sein.
Der 84-Jährige war letztes Jahr zuletzt in Deutschland. Er ist hier im Laufe der Jahre oft aufgetreten. Unvergesslich sind beispielsweise seine Konzerte 1978 in Nürnberg auf dem Zeppelinfeld oder 1987 in Ostberlin vor geschätzten 100.000 Zuschauern.
Dylans Karriere begann 1962 in New York
Dylan kann auf eine mehr als 60-jährige Karriere, 39 Studioalben und mehr als 100 Millionen verkaufte Platten zurückblicken. Dazu gehören die Alben „The Freewheelin‘ Bob Dylan“, „Highway 61 Revisited“, „Blood on the Tracks“ und „Desire“.
Sein Leben wurde mehrfach verfilmt, zuletzt mit Timothée Chalamet in der Hauptrolle – in James Mangolds Biografie „A Complete Unknown“. Nun ja, wie wir hören, mit dem Segen des lebendigen Beispiels.
Die Karriere von Bob Dylan, geboren als Robert Allen Zimmermann, begann 1962 in Duluth, Minnesota. In den Cafés von Greenwich Village in New York fielen sein Talent und seine poetischen Texte auf, die sich an seinem großen Vorbild Woody Guthrie, dem legendären gesellschaftskritischen Folksänger, orientierten.
Dylans nasaler Gesang und seine Intensität beim Singen wurden bald zu seinem Markenzeichen. Es ging ihm nicht um Schönheit, sondern um die Eindringlichkeit seiner Lieder. Heute klingt Dylan mit seinem rauen Timbre eher wie ein alter Blues-Sänger.
Lieder, die die Mächtigen erschüttern
Er sang Volkslieder, die sich gegen die Mächtigen richteten und für Frieden und Selbstbestimmung plädierten, oft an der Seite von Joan Baez. So war es auch 1963 beim legendären „March on Washington“ der schwarzen Bürgerrechtler um Martin Luther King. Er sang „Blowin‘ in the Wind“ und „The Times They Are A-Changing“ für eine ganze Generation und wurde dafür gefeiert und verehrt.
Der NDR-Musikexperte Peter Urban stellt fest: „Dylan war übertrieben, es entstand ein regelrechter Kult um ihn, und das gefiel ihm überhaupt nicht.“ Doch Dylan widersetzte sich schon früh den Erwartungen von Fans und Kritikern. Seine Hinwendung zur Rockmusik Mitte der 1960er Jahre ist legendär. Mit dem Song „Like a Rolling Stone“ schlug er einen neuen Ton an.
Dylan verlieh Popmusik, Poesie, Politik, Philosophie, der Balladentradition, Gospel und Country-Songs Tiefe. „Er war unglaublich kreativ, er konnte schnell und in einer Qualität schreiben, die einzigartig war“, sagt Peter Urban. Aber Dylan möchte seine Songs nicht erklären und Interviews gibt er nur sehr selten. Im Mittelpunkt des Musikers steht immer das Lied selbst, nicht er. Und selbst in seinen Konzerten spricht er praktisch nicht mit dem Publikum. „Folgen Sie nicht den Anführern, achten Sie auf die Parkuhren“, rät er dem Zuhörer in „Subterranean Homesick Blues“: Folgen Sie nicht den Anführern, achten Sie lieber auf Ihre Parkuhren.
Dylan untergräbt ständig die Erwartungen
Er änderte im Laufe seiner Karriere immer wieder seine musikalische Richtung, was viele irritierte, Dylan aber auch seine künstlerische Freiheit verschaffte. Er spielte Country-Musik, Gospel, Reggae, Bluesrock und immer Folk-Traditionalmusik. „Er hat oft fast das Gegenteil von dem getan, was von ihm erwartet wurde“, sagte Peter Urban.
Mit dem Album „Time Out of Mind“ im Jahr 1999 begann Bob Dylan schließlich sein großes Spätwerk mit einer Reihe von Alben, auf denen er beeindruckende Songs über die Suche nach Sinn und Vergänglichkeit lieferte. Das Album enthält außerdem zahlreiche Anspielungen auf westliche Geschichten, traditionelle Balladen und Bibelzitate. Dylan als Archivar und Bewahrer amerikanischer Lieder: Dafür erhielt er 2016 auch den Nobelpreis für Literatur. Hat sich der Preis daran geändert? Das fällt nicht auf.
Er umging sogar die Erwartungen des Nobelpreiskomitees und erschien nicht zur Gala. Stattdessen sang Patti Smith. Auch der mit der Preisverleihung verbundene „Vortrag“ kam zu spät und wurde offenbar teilweise aus dem Internet kopiert. Passend für jemanden, dessen Songs so voller Zitate und Collagen sind. Erst 2017 nahm er die Auszeichnung persönlich und ohne große Publizität in Stockholm entgegen. Er machte dort gerade auf seiner Tour Halt. Er hat kein Wort darüber verloren, was er mit dem Preisgeld von rund einer Million Dollar gemacht hat.
„Never Ending Tour“ bis 2025?
In den USA lebt Dylan zurückgezogen auf einem Grundstück in Malibu. Er liebt es, große Metallskulpturen zu bemalen und zusammenzuschweißen, und manchmal stellt er seine Werke auch aus; Seine Bilder wurden 2007 in Chemnitz erstmals weltweit präsentiert.
Dylan hat sechs Kinder aus zwei Ehen, von denen einige auch künstlerisch tätig sind, beispielsweise Sohn Jesse als Filmregisseur und sein Bruder Jakob ebenfalls als Singer-Songwriter. Mittlerweile hat der Amerikaner zehn Enkelkinder. Es gibt Gerüchte, dass er nur noch bis Ende 2025 live auftreten wird, bestätigt wurde dies jedoch nicht. Bob Dylan ist immer noch hier – das sind die Neuigkeiten. Das Geheimnis ist lebendig.