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BMW und Mercedes: Zeit, die Reißleine zu ziehen?

Premiumautos aus München und Stuttgart verlieren oder finden kaum neue Käufer. Die Anleger reagieren verängstigt bis entsetzt auf die jüngsten Verkaufszahlen.

Die Aktien von BMW und Mercedes-Benz sind seit einiger Zeit weit von ihren Höchstständen entfernt. Kein Wunder, denn die Herausforderungen für das deutsche Premium-Duo sind riesig und mittlerweile bekannt. Der Übergang vom Verbrennungsmotor zum Elektroauto schreitet langsam voran. Auch im letzteren Fall zeichnet sich die Konkurrenz in China durch schnellen technologischen Fortschritt und erschwingliche Preise aus.

Mittlerweile entwickeln sich teure Verbrennermodelle westlicher Premiummarken zu Ladenhütern, weil die Immobilienkrise in der Volksrepublik die Begeisterung der Verbraucher schon lange bremst. Die US-Zölle üben zusätzlichen Druck auf die Erträge aus. Solide Umsatzzahlen in Deutschland helfen in Europa kaum weiter, da der Markt im internationalen Vergleich viel zu klein ist und zunehmend gesättigt erscheint. In Deutschland werden jedes Jahr weniger als drei Millionen Autos verkauft, weltweit sind es 80 Millionen, erklärt Branchenexperte Ferdinand Dudenhöffer. Innenpolitisch lässt sich der Status quo wohl bestenfalls aufrechterhalten. Mittlerweile sei die Stellung auf dem Weltmarkt der entscheidende Faktor, so Dudenhöffer weiter.

Die Aktienkurse zeigen es: Es gibt keine Wachstumsphantasie. Dennoch suchten Investoren in jüngster Vergangenheit immer wieder nach Einstiegsmöglichkeiten bei den beiden stolzen Autoherstellern. Beide zahlen immer noch üppige Dividenden, und es gibt immer noch den zarten Hoffnungsschimmer, dass es bald zu einem großen Comeback kommen wird.

BMW und Mercedes-Benz sind nach wie vor zwei starke und große Weltmarken, die trotz mehrfacher Krisen weiterhin Milliardengewinne erwirtschaften, die aufgrund ihrer Bedeutung für die deutsche Wirtschaft im Zweifelsfall immer ein Stück weit auf die Hilfe aus Berlin zählen können und die ihre neuen Elektroautoflotten erst in den kommenden Jahren wirklich im großen Stil auf die Straße bringen werden.

Die Aktienkurse haben bereits Einbußen hinnehmen müssen und die KGVs sind seit Jahren vergleichsweise niedrig. Unter Berücksichtigung der Dividendenrendite ist keine Preisexplosion nötig, nur ein leichter Aufwärtstrend und ein Kauf auf einem Tiefpunkt könnten sich ausgezahlt haben.

Die Verkaufszahlen enttäuschen

Doch gerade als sich die Preise wieder leicht nach oben bewegten, kam die nächste schlechte Nachricht in Form der Neunmonats-Umsatzzahlen. Auch BMW musste seine Gewinnprognose senken. Beides kam an der Börse nicht gut an und die Münchner Aktien verloren daraufhin an nur einem Handelstag fast zehn Prozent.

Die Mercedes-Aktien, die ohnehin schon schlechter abgeschnitten hatten als die von BMW, fielen um rund vier Prozent. Und bumm, sie steht wieder im Raum, die Frage aller Fragen: Ist es jetzt an der Zeit, ein für alle Mal die Reißleine zu ziehen? Die beiden Aktien aus Ihrem Depot holen?

Die Gewinnwarnung bei BMW, die ein fünf bis zehn Prozent niedriges Vorsteuerergebnis und eine um ein Prozent geringere EBIT-Marge beinhaltet, ist nicht zuletzt auf die Verschiebung der Rückzahlungen zu viel gezahlter US-Zölle bis 2026 zurückzuführen. Für Anleger ist deren Ausmaß weniger wichtig als der weitere Umsatzrückgang in China im dritten Quartal. Selbst wenn es nur 0,4 Prozent wären, wäre für einen Anstieg des Aktienkurses eine Trendwende hin zu positiven Werten dringend nötig.

Für Mercedes lief es in dieser Hinsicht noch schlechter. Von Juli bis September verkauften die Schwaben 27 Prozent weniger Autos nach und in China als im Vorjahreszeitraum. Dass der Verlust bei BMW so gering ist, liegt daran, dass die Bayern ein Jahr zuvor rund 30 Prozent des Umsatzes in der Volksrepublik verloren hatten. Mit Blick auf die ersten neun Monate des Jahres bleibt die Lage für beide Premiumhersteller ernüchternd. Die Mercedes-Verkäufe in China gingen um 18 Prozent und die von BMW um 11,2 Prozent zurück.

Bei einem Autogipfel im Kanzleramt suchen die Teilnehmer heute nach Lösungen für die schwächelnde deutsche Automobilindustrie. Gleichzeitig sollen Arbeitsplätze gesichert und Klimaziele erreicht werden. Ein Überblick.

Es gibt keine wirklichen Anzeichen einer Trendwende in China

Auf dem wichtigsten Absatzmarkt der beiden deutschen Hersteller verschärft sich die Absatzkrise weiter. Über alle Regionen hinweg erzielte BMW von Januar bis September ein Absatzplus von rund zwei Prozent, Mercedes verlor neun Prozent. Allerdings profitiert BMW auch von einem sehr schwachen dritten Quartal 2024, sodass die Verkäufe für das laufende Jahr um neun Prozent gestiegen sind. Im Vergleich zum dritten Quartal 2023 würde es ein Minus geben.

Dennoch liegt BMW auch in absoluten Zahlen vorne. Das Münchner Unternehmen hat bisher 1,8 Millionen Fahrzeuge verkauft, Mercedes 1,6 Millionen. Besonders belastet wird das Stuttgarter Unternehmen durch das schwache US-Geschäft, wo der Umsatz im Neunmonatszeitraum um 17 Prozent zurückging.

Dass es in Europa besser läuft – Mercedes steigerte hier den Absatz um zwei Prozent und BMW um neun Prozent –, hilft insgesamt nicht viel. Fakt ist: Ohne China geht für die deutschen Automobilhersteller fast nichts. Dass kein Aufschwung in Sicht ist, könnte Anleger langfristig abschrecken.

Die Probleme in China seien kein „Einzelfall“, schrieb UBS-Analyst Patrick Hummel in einer aktuellen Analyse der BMW-Aktie. Die Verkaufsmengen könnten trotz der Anpassungen, die BMW derzeit vornimmt, unter Druck bleiben. Auch RBC-Analyst Tom Narayan sieht die Schwäche Chinas bis zum Jahresende als Belastung. Gleichzeitig bleibt UBS-Experte Hummel langfristig optimistisch, unter anderem mit Blick auf die neue Elektroauto-Klasse von BMW, die 2026 auf den Markt kommt. Auch Jose Asumendi von JP Morgan beließ die BMW-Aktie bei „Overweight“, wies jedoch darauf hin, wie wichtig es nun sei, dass es dem Münchner Unternehmen gelungen sei, Absatz und Preisgestaltung in China zu stabilisieren.

Chinas Schwäche bleibt ein Bremser für das Comeback

Die Meinungen der Experten zu den Mercedes-Papieren sind ähnlich. Größere Enttäuschungen sind vorerst nicht zu erwarten, doch die Schwäche Chinas bleibt ein Bremser für das Comeback. Die Mehrheit empfiehlt das Halten. Im Durchschnitt sehen Analysten die BMW-Aktie bei knapp 90 Euro und die Mercedes-Aktie bei knapp 60.


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Das bedeutet nicht, dass wir bei beiden Aktien endlich die Reißleine ziehen sollten, aber es gibt auch keine wirkliche Hoffnung auf eine nachhaltige Erholung. Aus dem Kanzleramt könnte es positive Impulse geben. Angesichts der Krise in der Schlüsselindustrie lud Friedrich Merz unter der Woche zum Autogipfel ein. Am Ende brauchen BMW und Mercedes aber eine Idee für den chinesischen Markt und eine, wie sie ihre Elektroautos überregional zu den Kunden bringen können.

Auch in Stuttgart und München müssen sie sich darauf vorbereiten, dass chinesische Hersteller ihre Fühler nach Europa ausstrecken. Das heißt: Um mithalten zu können, braucht es wettbewerbsfähige Autos mit dem richtigen Technologie-Preis-Verhältnis. Darin besteht sicherlich ein Problem: „Die Wertschöpfungskette der E-Mobilität ist nicht ausgereift“, sagt Stefan Bratzel vom Center of Automotive Management in Bergisch Gladbach. Beispielsweise werden die Menschen noch auf Jahre hinaus auf Batteriezellen aus China angewiesen sein. Die Herausforderungen bleiben riesig.
© Börse am Sonntag

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