Der Internationale Gerichtshof (IGH) hat Israel aufgefordert, die Grundversorgung der Zivilbevölkerung im Gazastreifen sicherzustellen. Israel sei verpflichtet, Hilfsmaßnahmen der Vereinten Nationen und ihrer Organisationen zuzulassen und zu erleichtern, sagte IGH-Präsident Yuji Iwasawa. Darüber hinaus hat Israel kein Recht, Hunger als Kriegswaffe einzusetzen. Der Bericht stellt kein Urteil dar und ist nicht rechtsverbindlich.
Das aus 11 Richtern bestehende IGH-Gremium sagte außerdem, Israel habe keine Beweise dafür vorgelegt, dass ein erheblicher Teil des Personals des UN-Hilfswerks für Palästina-Flüchtlinge (UNRWA) Mitglieder seien der Hamas Sei. Israel hatte bereits im Januar seine Zusammenarbeit mit der UNRWA beendet und ihr faktisch Operationen im Küstengebiet verboten. Auch zahlreiche westliche Länder stellten vorübergehend die Finanzierung der Hilfsorganisation ein, darunter auch Deutschland. Im Juli dieses Jahres berichtete das New York Times Unter Berufung auf israelische Sicherheitsquellen sagte er, das israelische Militär habe nie Beweise für die Behauptungen gefunden, die zur Rechtfertigung der Blockade herangezogen wurden.
Das israelische Außenministerium erklärte auf X, dass Israel die Rechtsauffassung des Gerichts kategorisch ablehne. Darin heißt es auch, dass Israel seinen völkerrechtlichen Verpflichtungen uneingeschränkt nachkommt. An den Anhörungen der Regierung des Ministerpräsidenten im April nahm keine israelische Delegation teil Benjamin Netanjahu Allerdings wurde eine 38-seitige Stellungnahme abgegeben.
Fragiler Waffenstillstand in Gaza
Darüber hinaus kündigte Israel im März einen Waffenstillstand mit der Hamas an Gazastreifen abgesagt und dann für fast drei Monate alle Hilfslieferungen komplett blockiert. Auch nach der teilweisen Lockerung der Blockade durften Lieferungen der Vereinten Nationen kaum noch in das Küstengebiet gelangen. Die von Israel und den USA unterstützte sogenannte Gaza Humanitarian Foundation (GHF) war in erster Linie für die Verteilung einiger Rationen an vier Verteilungszentren im Süden von Gaza verantwortlich, während das israelische Militär den Norden aus der Luft bombardierte und die Bevölkerung vertrieb. Übereinstimmenden Augenzeugenberichten zufolge eröffneten das israelische Militär und das Sicherheitspersonal der GHF wiederholt das Feuer auf hilfesuchende Palästinenser. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums kamen im Gazastreifen mehr als 1.000 Menschen ums Leben.
Seit dem 10. Oktober herrscht im Gazastreifen erneut ein Waffenstillstand zwischen Israel und der militant-islamistischen Hamas. Beide Seiten haben sich gegenseitig wiederholt vorgeworfen, gegen das Abkommen verstoßen zu haben. Nach Angaben des palästinensischen Gesundheitsministeriums sind seit Beginn des Waffenstillstands mindestens 88 Palästinenser durch israelischen Beschuss im Gazastreifen getötet worden. Die Zahlen des Ministeriums, das faktisch der Hamas unterstellt ist, haben sich in vergangenen Konflikten als zuverlässig erwiesen. Auch die Vereinten Nationen halten es für plausibel.
Verfahren vor dem IGH
Israel behauptet, es reagiere auf einen Angriff der Hamas. Hamas-Kämpfer griffen israelische Militäreinheiten im Süden des Gazastreifens an. Hamas behauptet, keinen Kontakt zu Hamas-Mitgliedern im Süden zu haben. Einen Vertragsbruch sieht Israel auch in der langsamen Überstellung der getöteten israelischen Geiseln aus dem Gazastreifen. Bereits vor der Verabschiedung des Abkommens hatte die Hamas betont, dass sie nicht den Verbleib aller Leichen kenne. Derzeit befinden sich noch 13 von ihnen im Gazastreifen.
Auch beim Internationalen Gerichtshof ist seit Dezember 2023 ein Verfahren gegen Israel wegen Völkermordvorwürfen anhängig. Im April verlängerte der IGH die Frist für die Antwort Israels auf die Klage bis Ende Januar 2026. Nach der Völkermordkonvention erfordert die Straftat unter anderem die Tötung von Mitgliedern einer Gruppe oder die vorsätzliche Auferlegung von Lebensbedingungen für die Gruppe, die geeignet sind, ganz oder teilweise physische Zerstörung herbeizuführen. Hinzu kommt die Absicht, „eine nationale, ethnische, rassische oder religiöse Gruppe als solche ganz oder teilweise zu zerstören“. Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen, Völkerrechtsexperten und Völkermordforscher gehen inzwischen davon aus, dass es in Gaza zu einem Völkermord kommt. Erst letzten Monat kam eine Kommission des UN-Menschenrechtsrats zu dem Schluss, dass vier der fünf in der Völkermordkonvention von 1948 genannten Straftaten erfüllt waren.
Haftbefehl gegen Netanyahu
Unabhängig vom IGH beantragte der Chefankläger des Internationalen Strafgerichtshofs (IStGH) im Mai letzten Jahres Haftbefehle gegen den israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu und den ehemaligen Verteidigungsminister Joav Galant. Eine Vorverfahrenskammer des Gerichts gab dem Antrag weitgehend statt und erließ sechs Monate später die Haftbefehle. Den Politikern werden Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen im Gaza-Krieg vorgeworfen. Ein zentraler Vorwurf ist das absichtliche Aushungern von Zivilisten als Methode der Kriegsführung. Das Strafgericht fand hinreichende Gründe für die Annahme, dass Netanyahu und Galant Zivilisten im Gazastreifen „absichtlich und wissentlich“ lebensnotwendige Dinge vorenthalten haben, darunter Nahrungsmittel, Wasser, Medikamente und medizinische Hilfsgüter sowie Treibstoff und Strom.