Das bizarre Phänomen ist zurück
Orcas tragen tote Lachse als „Hüte“ auf dem Kopf
Von Hedviga Nyarsik
2. Dezember 2024, 16:56 Uhr
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Killerwale sind soziale Tiere, mit einem starken Spieltrieb – und offenbar auch einem Sinn für Mode: Einige Orcas vor der Westküste der USA tragen tote Lachse wie Hüte auf dem Kopf. Ein Trend, der erstmals in den 80er Jahren aufkam und Forschern Rätsel aufgibt.
Hüte sind wieder in Mode – zumindest bei Orcas: Forscher haben mehrere der Meeressäuger vor der Westküste der USA dabei beobachtet, wie sie mit einem toten Lachs auf dem Kopf herumschwimmen, als wäre der Fisch ein Hut. „Es war lustig zu sehen“, sagte Deborah Giles, Wissenschafts- und Forschungsdirektorin der gemeinnützigen Organisation Wild Orca, gegenüber New Scientist. „So etwas habe ich schon lange nicht mehr gesehen.“
Tatsächlich ist der bizarre Trend nicht neu. Schwertwale im Nordpazifik trugen bereits Ende der 1980er Jahre solche „Lachshüte“. Damals galt eine Frau als Trendsetterin. Nach und nach übernahmen immer mehr Tiere ihrer Gruppe die Mode, und sie schwappte auch auf zwei benachbarte Orca-Gruppen über. Etwa ein Jahr später geriet die Kopfbedeckung plötzlich wieder aus der Mode. Seit fast 40 Jahren – bis heute – wurde kein Orca mehr mit einem Lachskadaver auf dem Kopf gesehen.
Der Biologe Andrew Foote von der Universität Oslo glaubt, dass ältere Tiere den Trend nun wiederbeleben. Das Phänomen scheint ausschließlich an der Westküste der USA aufzutreten. Darüber hinaus können Orcas sehr lange leben, manchmal bis zu 90 Jahre. „Es scheint daher möglich, dass einige Personen, die (das Verhalten) zum ersten Mal erlebt haben, es nun wiederbelebt haben“, sagt Foote dem Magazin.
Wenn Orcas langweilig werden…
Aber warum tragen Orcas überhaupt „Lachshüte“? Schwertwale sind hochintelligente und vor allem verspielte Tiere. Forscher haben bereits ein weiteres ungewöhnliches Orca-Phänomen spielerisch erklärt: die Angriffe auf Segelboote vor der iberischen Atlantikküste. Langeweile könnte hier eine Rolle gespielt haben. Experten vermuteten, dass Orcas die Boote angriffen, weil es aufgrund von Fangverboten reichlich Thunfisch gab. Da sie weniger Zeit mit der Nahrungssuche verbrachten, hatten sie wahrscheinlich mehr „Freizeit“ und „spielten“ mit den Schiffen.
Die Meeresbiologin Giles und ihre Kollegen vermuten, dass auch Langeweile ein Grund für die „Lachshüte“ sein könnte. Die Jäger könnten sich langweilen, denn derzeit finden sie im südlichen „Puget Sound“ an der Küste Washingtons jede Menge Lachse. Da sie längst satt und satt sind, spielen sie mit ihrer Beute.
Eine andere Theorie, die ebenfalls mit dem Überangebot an Nahrung zusammenhängt, besagt, dass die Orcas einen Snack nach der Mahlzeit für später aufheben möchten. Anstatt in die Tupperdose zu gelangen, landet der Lachs kopfüber zwischen Meeressäugern. Laut Giles passt dies auch zu anderem Verhalten, das in Orca-Populationen beobachtet wurde. „Wir haben gesehen, wie Schwertwale große Nahrungsbrocken unter ihrer Brustflosse transportierten“, sagt Giles. Da Lachse möglicherweise zu klein sind, um sie sicher unter ihren Flossen aufzubewahren, tragen Orcas ihre Nahrung stattdessen auf dem Kopf.
Drohnen sollen das Rätsel lösen
Giles und ihr Team wollen den Orca-Trend nun genauer untersuchen. Gegenüber den 80er Jahren haben sie nun einen entscheidenden Vorteil, um das Rätsel endlich zu lösen: neue Technologien. Drohnen könnten eingesetzt werden, um mit den Killerwalen Schritt zu halten und ihr Verhalten genauer zu beobachten, sagte Giles. „Im Laufe der Zeit können wir möglicherweise genügend Informationen sammeln, um die Frage nach dem Warum klar zu beantworten.“
„Dann sehen wir vielleicht, dass ein Tier etwa 30 Minuten lang einen ‚Lachshut‘ trägt, bevor es schließlich den Fisch frisst“, sagt der Wissenschaftler. Natürlich könnten die Drohnenaufnahmen auch zeigen, dass die Orcas die Fische eine Zeit lang auf dem Kopf tragen und sie dann einfach wieder absetzen. In diesem Fall müssten die Forscher noch einmal von vorne beginnen und eine andere Erklärung für dieses seltsame Verhalten finden.
