Der ausgeschiedene Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat ins Gespräch gebracht, Bitcoin in die Währungsreserven von Bundesbank und Europäischer Zentralbank (EZB) aufzunehmen – und ist damit auf ein gemischtes Echo gestoßen. Lindner begründete den Vorstoß mit ähnlichen Überlegungen in den Vereinigten Staaten. In der Schweiz gibt es zudem Vorbereitungen für ein entsprechendes Volksbegehren, für das allerdings erst noch Unterschriften gesammelt werden. Vor zwei Jahren hatte der damalige Präsident der Schweizerischen Nationalbank, Thomas Jordan, geurteilt, Bitcoin erfülle die an Währungsreserven gestellten Anforderungen nicht.
EZB und Bundesbank seien zwar unabhängig in ihren Entscheidungen, aber Deutschland und Europa sollten sich „nicht wieder abhängen lassen“, warnte Lindner. In Frankfurt sollte daher geprüft werden, ob Kryptoassets nicht auch Teil der Reserven der hiesigen Notenbanken werden sollten, sagte der FDP-Vorsitzende. Das könnte zugleich auch ein Beitrag zur „Stärkung der Resilienz“ der Reserven sein. Bislang bestehen die Währungsreserven von EZB und Bundesbank zu großen Teilen aus Dollar-Wertpapieren, Sonderziehungsrechten und Gold.
EZB will Politiker-Vorschläge nicht kommentieren
Die EZB selbst wollte den Vorstoß auf Anfrage am Mittwoch offiziell nicht kommentieren. Es ist aber kein Geheimnis, dass die Notenbank Bitcoin und andere Kryptoassets eher etwas misstrauisch beäugt. Zum Teil sind sie natürlich auch in gewissem Sinne Konkurrenz. EZB-Präsidentin Christine Lagarde gab unlängst in einer Veranstaltung die Geschichte zum Besten, dass ihr Sohn mit dem Investment in Kryptos etwa 60 Prozent des eingesetztes Geldes verloren habe – obwohl sie ihn vorher gewarnt habe.
„Wir brauchen dringend eine angebotsorientierte, marktwirtschaftliche Politik in Deutschland – aber keine Kopie von Trumps angekündigter ,progressiver’ Kryptopolitik“, schreibt der EZB-Ökonom Ulrich Bindseil auf dem sozialen Netzwerk Linkedin. „Dass der Staat und die Zentralbanken, welche ja von der Bitcoin-Community eigentlich abgelehnt werden, nun durch Käufe zu Unterstützern des Bitcoinpreises gemacht werden sollen, ist eine bittere und gefährliche Ironie.“
Der Digitalverband Bitkom dagegen äußerte sich grundsätzlich freundlich zu Lindners Vorschlag. Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder sagte der F.A.Z.: „Die Aufnahme von Kryptowährungen in die Währungsreserven von Bundesbank und EZB zu prüfen, kann durchaus Sinn machen.“ Die Prüfung solle „ergebnisoffen“ erfolgen, es müsse zunächst um das grundsätzliche Ob, nicht um das Wie gehen. „Deutschland darf Veränderungen des globalen Finanzsystems nicht ignorieren und muss vermeiden, anderen Ländern hinterherzulaufen“, sagte Rohleder. Dies sei bei Kryptowährungen bislang auch nicht der Fall.
Kryptowährungen seien allerdings hochvolatil und so sei zumindest fraglich, ob sie ein Instrument zur weiteren Stabilisierung eines der im weltweiten Maßstab stabilsten Währungssysteme sein könnten. „Gleichzeitig ist unstrittig, dass die Aufnahme von Kryptowährungen in die Währungsreserven von Bundesbank oder EZB zunächst einmal dem Krypto-Ökosystem selbst hilft“, sagte Rohleder: „Und so ist durchaus zulässig, den Vorschlag Lindners vornehmlich als Angebot an die Krypto-Welt und ihre finanzstarken Akteure zu lesen.“
Sollten Bitcoin-Fans sich das überhaupt wünschen?
Im Onlinedienst X (früher Twitter) hat derweil eine lebhafte Debatte zu dem Thema eingesetzt. Dort wird das Argument angeführt, dass es aus Sicht der Bitcoin-Fans vielleicht gar nicht wünschenswert sei, dass die Notenbanken die Kryptos für sich vereinnahmen, weil diese ja eigentlich dazu gedacht seien, für Freiheit von den Notenbanken zu sorgen. Hingegen hätten viele Notenbanken durchaus den Wunsch, unabhängiger vom Dollar zu werden.
„Die Währungsreserven sollen eingesetzt werden, um gegebenenfalls Finanzmarktbewegungen entgegen wirken zu können“, sagte ING-Ökonom Carsten Brzeski. Sie müssten auch einfach konvertibel sein. Der Transmissionskanal ‚Bitcoin‘ sei aktuell nicht so ausgeprägt, dass die EZB auch Bitcoin halten „müsste“. „Das heißt nicht, dass Bitcoins überhaupt nicht in Frage kommen sollten“, sagte Brzeski. Als Teil einer Diversifikationsstrategie könne die EZB natürlich auch präventiv Bitcoins aufnehmen.
„Sie sollte sich nur im Klaren sein, dass Bitcoins großen Preisschwankungen unterliegen“, sagte der Ökonom. Die FDP würde wahrscheinlich zu den ersten Kritikern gehören, wenn der Jahresabschluss der EZB aufgrund gefallener Bitcoin-Preise dann Verluste aufweise, meint er: „Kurzum, eine nette Idee, aber sicherlich nicht der Gamechanger für Geld- und Wirtschaftspolitik in der Eurozone“, sagte der ING-Ökonom. Sollten die großen Notenbanken anfangen, Bitcoin zu kaufen, stärke das aber natürlich die Nachfrage, die Akzeptanz und damit tendenziell auch den Preis.
Karsten Junius, Ökonom der Schweizer Bank J. Safra Sarasin, sagte: „Die Idee von Herrn Lindner halte ich für einen rein populistischen Vorschlag, mit dem er analog zu Trump versuchen mag, staats- und institutionenkritische Kryptofans zu überzeugen.“
Auch Rüdiger Bachmann, Ökonom an der amerikanischen University of Notre Dame, äußerte sich sehr skeptisch zu Lindners Vorschlag: „Davon halte ich nichts“, sagte Bachmann der F.A.Z. „Genauso gut könnte Lindner eine strategische Tulpenzwiebelreserve fordern, denn auch der Bitcoin ist nahezu eine reine Blase.“ Das sei „ein billiges Manöver, mit dem er hofft, mit dem Bro-Vote gerade noch über fünf Prozent zu kommen“,
„Kryptowährungen sind Wettbewerber der Währungen“
„Bitcoin wirbt ja mit dem Image, vollkommene Unabhängigkeit von Notenbanken zu bieten“, sagte Wieland. „Dabei sollte man es belassen und nicht die Nachfrage jetzt staatlicherseits erzeugen.“ Schließlich habe gerade Bitcoin auch noch sehr problematische Aspekte, wie den hohen Energieverbrauch und Einsatz für den Schwarzmarkt und Geldwäsche: „Es ist hochspekulativ und nicht besonders praktisch für Transaktionen.“
Die Ankündigungen Trumps für eine kryptofreundliche Politik, die mögliche Aufnahme in die US-Notenbankreserven und die Berufung des kryptofreundlichen Paul Atkins für die Spitze der Aufsichtsbehörde SEC hatten den Bitcoinkurs auf zeitweise mehr als 100.000 Dollar hochgetrieben. Auf Lindners Äußerungen waren vergleichbare Marktreaktionen nicht zu beobachten.