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Bill Gates: Kampf gegen einen Strohmann

Gates schließt natürlich schlimmere Szenarien mit Rückschritten beim Klimaschutz oder infolge der Überschreitung natürlicher Kipppunkte aus. Für ihn scheint klar zu sein, dass die Welt auf erneuerbare Energien umsteigt, dass bald alle Autos elektrisch sein werden und dass sich auch technische Lösungen etablieren werden, um Sektoren zu dekarbonisieren, die sich schwieriger von fossilen Brennstoffen lösen lassen, etwa die Zement- und Stahlindustrie (gefolgt von einer langen Werbesperre für Start-ups mit diesem Ziel, in die Gates‘ Initiative „Breakthrough Energy“ investiert hat).

„Harte Wahrheit“ Nummer zwei: Fortschritte beim Klimaschutz kann man nicht nur an der globalen Temperatur messen, sondern man muss auch auf die Verbesserung der Lebensbedingungen der Menschen achten. Dagegen könne eigentlich niemand etwas einwenden, schreibt der Multimilliardär. Die Beweise für seine Hervorhebung, dass dies der Fall ist, bleiben jedoch dürftig: Ein Entwicklungsland – vermutlich Sri Lanka 2021 – verbot plötzlich den Einsatz chemischer Düngemittel und verursachte damit unnötige Härten für die Landwirte und die Nahrungsmittelversorgung der Bevölkerung. Tatsächlich wollte die damalige Regierung mit ihrem übereilten Vorstoß zum ökologischen Landbau eher Devisen sparen, als einem irrationalen grünen Diktat zu folgen.

Die Einrahmung könnte unerwünschte Folgen haben

„Harte Wahrheit“ Nummer drei: Gesundheit und Wohlstand schützen die Menschen am besten vor den Folgen des Klimawandels. Gates befürchtet, dass kein Geld mehr für die Malariaprävention oder die Verteilung von Impfstoffen übrig bleibt, die mit geringem Aufwand noch viel mehr Leben retten könnten. Das erinnert ein wenig an die Logik des sogenannten effektiven Altruismus: Nicht jeder gute Zweck ist gleich gut, weil ein Dollar nur einmal ausgegeben werden kann. Deshalb sollte man sich auf die wirksamsten Hilfsmaßnahmen konzentrieren, sonst könnte der Klimaschutz ins Hintertreffen geraten. Mit dieser These sorgte der Autor Bjørn Lomborg einst für Aufsehen. Aber Bill Gates argumentiert ausdrücklich nicht so. Er hält es für möglich und notwendig, sowohl Epidemien als auch die Klimakrise zu bekämpfen.

Das eine könne ohne das andere nicht funktionieren, sagt die Klimawissenschaftlerin Katharine Hayhoe von der Texas Tech University – denn die Klimakrise verschärft jedes andere Problem, etwa Krankheiten oder Hunger, und behindert deren Lösung. Sie finde den Inhalt des Gates-Textes „größtenteils solide und ermutigend“, schreibt Hayhoe auf der Plattform Bluesky. Nur die Formulierung sei „völlig falsch“. Und diese Botschaft, dass einer der großen Befürworter des Klimaschutzes sich von der Sache abwendet, wird zu Fehlentscheidungen führen.

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