Bei seinem ersten Besuch in Syrien sieht Außenminister Wadephul, wie viel in dem ehemaligen Bürgerkriegsland gebaut werden muss. Er glaubt nicht, dass viele Syrer schnell in ihre Heimat zurückkehren werden.
Angesichts der drastischen Zerstörungen im bürgerkriegszerrütteten Syrien erwartet Außenminister Johann Wadephul kurzfristig nicht, dass eine große Zahl syrischer Flüchtlinge freiwillig in ihr Heimatland zurückkehren wird.
Als er einen Vorort der im Bürgerkrieg schwer zerstörten Hauptstadt Damaskus besuchte, war er bestürzt: „Ich persönlich habe noch nie ein so großes Ausmaß an Zerstörung gesehen. Sie können nicht kurzfristig zurückkehren“, sagte der CDU-Politiker in Harasta. „Hier kann kaum jemand ein menschenwürdiges Leben führen.“
Noch immer ist in Syrien viel Infrastruktur zerstört. „Und das wird kurzfristig nicht allzu viele Menschen zu diesem Schritt motivieren“, sagte Wadephul. Die syrische Regierung schätzt die in Deutschland ausgebildeten jungen Syrer. Aber sie konnten frei entscheiden, welchen Weg sie wählten. „Alle, die bei uns bleiben und sich in unserer Gesellschaft engagieren und integriert arbeiten“, sind weiterhin willkommen.
Bezüglich der Abschiebung syrischer Straftäter sprach der Außenminister von „sehr wenigen Ausnahmefällen“, die „selbstverständlich“ auch durch eine Rückführung nach Syrien gelöst werden könnten. Das Auswärtige Amt steht hierzu in Kontakt mit dem syrischen Außenministerium.
Zuvor traf Wadephul bei seinem ersten Besuch seit seinem Amtsantritt in Damaskus mit Interimspräsident Ahmed al-Sharaa und Außenminister Asaad al-Shaibani zusammen. Er forderte von beiden, dass die syrische Regierung den Menschen „ein Leben in Würde und Sicherheit“ garantieren müsse. Es ist notwendig, alle Bürger unabhängig von Geschlecht, Religion, ethnischer oder sozialer Zugehörigkeit einzubeziehen. Der CDU-Politiker betonte, dass Deutschland freundschaftliche Beziehungen zu dem Land anstrebe. Aus Sicherheitsgründen wurde die Reise zunächst geheim gehalten.
Millionenhilfe für Syrien, Libanon und Jordanien
Wadephul kündigte Hilfe an – nicht nur für Syrien, sondern angesichts der dortigen humanitären Krisen auch für den Libanon und Jordanien. Darüber hinaus soll es Hilfen im Wert von bis zu 52,6 Millionen Euro geben. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes gehen rund 39,4 Millionen Euro der zusätzlichen Mittel an Syrien, 5,25 Millionen Euro an den Libanon und 8 Millionen Euro an Jordanien.
Die Mittel kommen internationalen humanitären Organisationen und Nichtregierungsorganisationen zugute, die in den Bereichen Ernährungssicherheit, Schutz, Unterkunft und Gesundheit tätig sind.
Deutschland hat Syrien bisher im Jahr 2025 humanitäre Hilfe in Höhe von rund 81 Millionen Euro zugesagt. Wadephul sagte, Deutschland arbeite daran, das Land durch humanitäre Hilfe, Unterstützung bei der Minen- und Kampfmittelräumung sowie durch Investitionen in die Wirtschaft auf ein neues Fundament zu stellen. Syrien liege in unmittelbarer Nachbarschaft zur EU – was auch immer in dem Land passiere, „hat auch direkte und indirekte Auswirkungen auf uns in Deutschland“.
Laut Wadephul wird Deutschland seinen Beitrag als größter Geber zum sogenannten effizienten Wiederaufbaufonds Syriens um vier Millionen Euro erhöhen. Dadurch soll es dem Fonds ermöglicht werden, mit Projekten das Leben der Menschen in Syrien zu verbessern und auch Rückkehrwillige zu unterstützen. Mit seiner zehnten Einzahlung zahlte Deutschland insgesamt 110 Millionen Euro in den Fonds ein. Auch Geld geht an die Vereinten Nationen, um die Täter von Menschenrechtsverletzungen während der Assad-Herrschaft vor Gericht zu bringen – insgesamt vier Millionen Euro seit Dezember letzten Jahres.
Im Bürgerkrieg weitgehend zerstörter Vorort
Im Vorort Harasta wurde Wadephul ein von Deutschland unterstütztes humanitäres Projekt gezeigt. Bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs im Jahr 2011 lebten dort 30.000 Menschen, darunter 2.500 Christen. Seit 2012 ist die Stadt Ziel von Luftangriffen und Artilleriefeuer. Der Bezirk wurde durch Bombardierungen der zivilen Infrastruktur fast vollständig zerstört und die Bevölkerung wurde vertrieben.
In Damaskus erfuhr Wadephul von einem Projekt, das syrischen Binnenvertriebenen den kostengünstigen Bau von Wohnungen aus Lehmziegeln ermöglichen soll. Es wird von einem deutschen Unternehmen mit Ingenieurskompetenz unterstützt.
Auch ein Jahr nach dem Sturz Assads bleibt die Lage in Syrien unübersichtlich
Die Übergangsregierung unter al-Sharaa versucht, das Land zu stabilisieren. Fast ein Jahr nach dem Sturz des Langzeitherrschers Baschar al-Assad bleibt die Lage in Syrien unübersichtlich und gefährlich. Immer wieder kommt es zu Gewaltausbrüchen, teilweise wurden Hunderte Menschen getötet.
Interimspräsident war der Chef der islamistischen Gruppe Haiat Tahrir al-Sham (HTS), die das Rebellenbündnis anführte, das am 8. Dezember Assad stürzte. Die Übergangsregierung hat sich zum Ziel gesetzt, Syrien wieder in die internationale Gemeinschaft einzubinden.
dpa/rct
 
			 
					