Leipzig. Die Polizei hat in der Nacht zum Samstag mit einem Großaufgebot die Besetzung eines leerstehenden Wohnhauses im Leipziger Westen beendet. Kurz vor Mitternacht hätten sich die Leipziger Beamten, unterstützt von Kollegen aus Sachsen-Anhalt, Zugang zu dem Gebäude im Stadtteil Lindenau verschafft und dort zwei Frauen im Alter von 23 und 29 Jahren sowie einen 23-jährigen Mann angetroffen, sagte Behördensprecherin Rebecca Leede. Gegen alle drei Personen wurden Ermittlungen wegen Hausfriedensbruchs eingeleitet.
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Das Gebäude in der Lützner Straße 99 wurde am frühen Freitagabend gegen 18 Uhr im Zuge einer Kundgebung einer Gruppe, die sich „Autonome Besatzungstage in Leipzig“ (Abeta) nennt, besetzt. Unter den Fenstern wurden vier sichtbare Transparente angebracht und auch Pyrotechnik gezündet. Später wurden Bilder von ins Haus gebrachten Lebensmitteln in den sozialen Medien geteilt. Dadurch kamen immer mehr Menschen in das Gebäude und wollten offenbar die Aktion unterstützen.
70 Menschen bei einer spontanen Kundgebung vor dem Gebäude
Später am Abend würde es eine weitere Kundgebung unter dem Titel „Schluss mit dem Mietwahnsinn!“ geben. gemeldet, fuhr die Polizei fort. Die 70 beteiligten Personen verhielten sich auch bei der Räumung des Gebäudes friedlich. Das spontane Treffen endete gegen 12:40 Uhr und nachdem die Evakuierung abgeschlossen war.
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Die Gruppe erklärte noch in der Nacht, dass die Aktion am Freitagabend erst der Auftakt der „Tage der Autonomen Besatzung in Leipzig“ gewesen sei. Über weitere Pläne wurden keine weiteren Angaben gemacht.

In einem parallel zur Besetzung am Freitag online veröffentlichten Blogbeitrag erklärte die Gruppe, mit der Aktion solle auf die angespannte Wohnungssituation im Leipziger Westen und die fortschreitende Gentrifizierung in den Stadtteilen aufmerksam gemacht werden. Die Verantwortlichen zeigten sich daher offen für Verhandlungen mit der Stadtverwaltung und den Eigentümern des Hauses.
Mieter veröffentlichen gewünschtes Nutzungskonzept
Ein ebenfalls am Freitag veröffentlichtes Nutzungskonzept für das Gebäude Lützner Straße 99 sah vor, im Erdgeschoss ein Nachbarschaftszentrum mit Café, Gemeinschaftsküche und Veranstaltungsräumen zu errichten. In den darüber liegenden Räumen wollten die Hausbesetzer bezahlbare Wohnungen schaffen. Darüber hinaus waren Schutzräume für queere Menschen und Betroffene rechtsextremer Gewalt geplant.
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Die Initiative schrieb, das Gebäude sei unter anderem deshalb ausgewählt worden, weil der damals 43-jährige Klaus R. am 28. Mai 1994 in der Nähe von Neonazis erschlagen worden sei. Eine Wohnung im Gebäude solle daher in eine Unterkunft für Opfer rechtsextremer Gewalt umgewandelt werden.
Opfer rechter Gewalt stirbt 1994 in der Lützner Straße
Für Klaus R. gibt es heute eine Gedenktafel. Nach seinem Tod konnte die Polizei mehrere Tatverdächtige festnehmen, die mit ihm in dem Haus gelebt haben sollen. Einer der Täter wurde 1995 vom Landgericht Leipzig wegen versuchten Mordes und schwerer Körperverletzung zu einer fünfjährigen Haftstrafe verurteilt. Fünf Komplizen kamen mit geringeren Haft- und Bewährungsstrafen davon. Der Fall Klaus R. wurde von der Bundesregierung bislang nicht als Opfer rechter Gewalt anerkannt.
Laut einer Online-Plattform für Denkmalschutz ist das Gebäude in der Lützner Straße 99 als Kulturdenkmal eingestuft und verfügt unter anderem über Fenster mit Jugendstilverglasung im Treppenhaus. Das Gebäude soll 1905 erbaut worden sein.
LVZ