
Interne Dokumente nach Budapest?
Ungarn soll in Brüssel ein Spionagenetzwerk aufgebaut haben
9. Oktober 2025, 16:52 Uhr
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Viktor Orban sorgt in Brüssel seit Jahren für Kontroversen – nun gibt es neue Vorwürfe: Nach Recherchen europäischer Medien soll Ungarn ein geheimes Netzwerk gegen die EU aufgebaut haben. Möglicherweise hat sich die Orban-Regierung auf diese Weise Zugang zu internen Dokumenten verschafft.
Einem Medienbericht zufolge drängt Ungarn seit Jahren seine für die EU arbeitenden Bürger zu Spionageaktivitäten. Ungarns Auslandsgeheimdienst habe zwischen 2012 und 2018 in Brüssel ein Spionagenetzwerk aufgebaut, berichtete die ungarische Ermittlungsplattform Direkt36. Demnach sollen ungarische EU-Mitarbeiter sensible interne Dokumente an den Geheimdienst weiterleiten.
An der Recherche waren mehrere europäische Medien beteiligt, darunter auch der deutsche „Spiegel“. Die Recherche ergab, dass das Projekt in erster Linie dem ungarischen Ministerpräsidenten Viktor Orban zugute kommen sollte. Der russlandfreundliche Orban steht im Widerspruch zu den EU-Institutionen und verlässt häufig die Reihen der EU-Länder.
Den Angaben zufolge wurden auch ungarische EU-Mitarbeiter unter Druck gesetzt, Gesetzesentwürfe „umzuschreiben“ oder bestimmte Paragraphen zu „streichen“, damit die Papiere „die Weltanschauung der Orban-Regierung widerspiegeln“. Die Geheimagenten agierten als Diplomaten der ständigen Vertretung Ungarns in Brüssel.
Die Kommission untersucht die Vorwürfe
Den Recherchen zufolge versuchten drei Spione, Mitarbeiter der EU-Kommission anzuwerben oder Informationen von ihnen zu erhalten. Einer von ihnen soll getarnt als Diplomat für den damaligen ungarischen EU-Botschafter Oliver Varhelyi gearbeitet haben. Varhelyi leitete von 2015 bis 2019 die ungarische Vertretung in Brüssel. Heute ist er Mitglied der EU-Kommission und zuständig für Gesundheit und Tierschutz.
Eine Sprecherin von Varhelyi wies die Vorwürfe gegenüber dem „Spiegel“ zurück. Ziel des Geheimdiensteinsatzes soll es gewesen sein, Ungarn die Besetzung einflussreicher Positionen in der EU zu ermöglichen.
Ein Kommissionssprecher sagte, die Kommission nehme die Vorwürfe „sehr ernst“. Sie setzt sich weiterhin dafür ein, die Mitarbeiter, Informationen und Netzwerke der Kommission vor illegalen Informationsbeschaffungsaktivitäten zu schützen. Die Vorwürfe werden nun intern geprüft.
Das Verhältnis zwischen der Europäischen Union und Ungarn ist seit Jahren von erheblichen Spannungen geprägt. Unter der Führung des rechtspopulistischen Ministerpräsidenten Orban distanzierte sich das Land zunehmend von den Grundwerten der EU. Die EU wirft Ungarn unter anderem gravierende Mängel in zentralen Bereichen der Rechtsstaatlichkeit vor.