
Erstmals ist es künftigen Volljuristen in Bayern möglich, ihr Zweites Staatsexamen elektronisch abzulegen. In München und Augsburg lief es alles andere als reibungslos.
München/Augsburg – Der Vater eines Jura-Absolventen aus Oberbayern schnappt jetzt vor Wut nach Luft: „Das war ein Albtraum!“ Er bezieht sich auf eine wohl beispiellose Pannenserie, die rund 400 Referendare während ihres zweiten Staatsexamens erleiden mussten. Betroffen waren Prüfungen in München und Augsburg.

„Absolutes Chaos“: Großes Chaos bei digitalen Juraprüfungen in München und Augsburg
Erstmals konnten angehende Juristen in Bayern in diesem Semester ihr Zweites Staatsexamen elektronisch ablegen – die meisten von ihnen entschieden sich dafür freiwillig. Das zuständige Landesjustizprüfungsamt hat im Mai 2022 eine Ausschreibung für die E-Prüfung gestartet und einen externen Dienstleister beauftragt. Nach Angaben des Justizministeriums stellt es standardisierte Laptops und sogenannte „mobile Hochverfügbarkeitsserver“ zur Verfügung. Auch technisch geschulte Mitarbeiter sollen den Prüflingen bei Problemen weiterhelfen. Bei Probeläufen lief es reibungslos.
Doch am ersten Prüfungstag, dem 26. November, kam alles anders. An acht Prüfungsorten legten die Absolventen das Zweite Staatsexamen ab. Nach Angaben des Justizministeriums kam es in München und Augsburg zu „erheblichen technischen Problemen während der fünfstündigen Prüfung, insbesondere mit der Ladung und der Akkulaufzeit der verwendeten Prüfungslaptops“. Wie Betroffene berichten, konnte ein Teil der Teilnehmer erst deutlich später mit der Prüfung beginnen. Dies sorgte für große Unruhe in den Prüfungssälen. Zahlreiche Testpersonen berichteten, dass der Computer Fehlermeldungen anzeigte – es ging jedoch wertvolle Zeit verloren, bis sich der Support um alle Probleme kümmern oder ein Ersatzgerät bringen konnte.
(Übrigens: Unser Bayern-Newsletter informiert Sie täglich über alle wichtigen Geschichten aus Bayern.)
„Es war absolutes Chaos“, erzählt ein Betroffener der Branchenwebsite Jurios. „Es gab jede Menge Fehlermeldungen und viel zu wenig Servicemitarbeiter. Ich hatte Angst, dass mir nicht geholfen werden könnte oder dass der IT-Support so lange dauern würde, dass ich es am Ende nicht schaffen würde.“ In München bekam ein Teilnehmer einen Ersatz-Laptop – den Akku In Augsburg sollen Mitarbeiter des Hotels, in dem für die Prüfung Zimmer gemietet wurden, während der Prüfung beeilt gewesen sein, Kabel aus einem Elektronikfachgeschäft zu holen genommen worden.

Das Landesjustizprüfungsamt gewährte den Betroffenen eine Fristverlängerung
Das Landesjustizprüfungsamt reagierte am vergangenen Dienstag während der Prüfung und gewährte eine Schreibzeitverlängerung von 15 Minuten. Doch als die Auszubildenden ihre Prüfungen speichern und einreichen wollten, waren sich laut Jurios viele nicht sicher, ob das technisch funktionieren würde. Anschließend bestätigte eine Durchsage, dass alle Prüfungen korrekt abgegeben wurden. Die Behörde räumte später ein, dass die zusätzliche Zeit die Störung nicht vollständig ausgleichen könne.
Das Umschreiben ist wirklich die größte Zumutung.
Auch die restlichen Prüfungstage verliefen nach Angaben des Justizministeriums in München und Augsburg reibungslos. Allerdings berichten Betroffene, dass es auch am zweiten und dritten Tag zu Komplikationen kam, wenn auch in geringerem Ausmaß. Jedenfalls ging das Bayerische Landesjustizprüfungsamt am Wochenende in die Offensive: Prüfungsteilnehmer wurden per E-Mail darüber informiert, dass sie im Falle einer Panne drei Möglichkeiten hätten: die Prüfung gültig lassen, ersatzlos absagen oder eine ablegen nächsten Montag, 9. Dezember Ersatzprüfung neu schreiben.
Die Mutter eines Betroffenen, der gerade in München seine Prüfungen schreibt, sagt: „Umschreiben ist wirklich die größte Zumutung.“ Nach neun Prüfungstagen am Stück, unterbrochen nur vom Wochenende, mit jeweils fünfstündigen Prüfungen, sind viele nach der anstrengenden Vorbereitungsphase außer Atem.
Weitere technische Probleme lassen die Teilnehmer verzweifeln
Ihr Sohn beschloss am Wochenende, die Prüfung nicht zu benoten. Sein Ergebnis, das er im April erhalten wird, errechnet sich dann aus acht statt aus neun Prüfungen. Er wollte dies wie geplant per E-Mail melden. Doch als er am Samstagmorgen die E-Mail an die angegebene Adresse verschickte, kam zwei Stunden später eine Fehlermeldung. Das Postfach (es gab nur eines) war so überlastet, dass die E-Mails in der Warteschleife landeten. „Mein Sohn hing den ganzen Tag in der Luft“, sagt die Mutter. Das Landesjustizprüfungsamt meldete sich am Sonntagnachmittag erneut – die Frist, in der die Entscheidung mitgeteilt werden muss, wurde um einen Tag verlängert.