Im übernächsten Jahr soll der europäische Emissionshandel auf Verkehr und Gebäude ausgeweitet werden – mit dem Ziel, CO2 einzusparen. Es drohen deutlich höhere Preise. Die EU-Kommission hat Ideen, dem entgegenzuwirken.
Die EU-Kommission will ab 2027 allfälligen hohen Preissteigerungen beim Tanken und Heizen entgegenwirken: mit Änderungen am sogenannten Emissionshandelssystem für Verkehr und Gebäude. Unternehmen müssen ihr Recht zum Ausstoß von Treibhausgasen nachweisen. Ab 2027 werden auch Kraftstoffe einbezogen – was insbesondere die Sektoren Verkehr und Gebäude betrifft.
Bei einem Treffen der Umweltminister der internationalen Gemeinschaft in Luxemburg schlug EU-Klimakommissar Wopke Hoekstra unter anderem vor, dass die Mitgliedsstaaten ab 2027 schneller mehr Zertifikate freigeben, um bei mehr Angebot den Preis zu senken.
Die Kommission wolle sicherstellen, dass die Preise erschwinglich und vorhersehbar bleiben, sagte Hoekstra nach der Sitzung laut einem Bericht der Nachrichtenagentur AFP. Die Bedenken zahlreicher EU-Staaten sind berechtigt.
Verbesserungen „vor Markteinführung“ erforderlich.
Es gab Druck seitens der Mitgliedsstaaten, gegen die erwarteten Preissprünge vorzugehen. Deutschland und rund ein Dutzend weitere Länder forderten, „vor der Markteinführung über Verbesserungen nachzudenken“. Allerdings könnte dies auch dazu führen, dass die Emissionen weniger stark sinken als ursprünglich geplant. Ein solcher Eingriff könnte auch die Klimaziele der EU gefährden.
Der europäische Emissionshandel für den Gebäude- und Verkehrssektor (ETS2), der im Jahr 2027 starten soll, wird fossile Energieunternehmen dazu verpflichten, CO2-Zertifikate auf der Grundlage der Emissionen zu kaufen, die durch die von ihnen verkauften Kraftstoffe verursacht werden. Die Unternehmen dürften die Mehrkosten an die Verbraucher weitergeben, wodurch das Tanken und Heizen teurer wird.
Ein großer Teil der Einnahmen aus dem Zertifikatehandel soll in einen Klimasozialfonds fließen, um Haushalten und Unternehmen zu helfen. Nach Angaben der Nachrichtenagentur AFP schlug Hoekstra nun auch vor, diese Finanzierung vorzuziehen: Schon im nächsten Jahr sollen EU-Länder entsprechende Projekte finanzieren können. Die künftigen Einnahmen soll die Europäische Investitionsbank (EIB) vorschießen.
Anreiz für mehr Sparsamkeit
Um Treibhausgase zu reduzieren, wurde 2005 das sogenannte Emissionshandelssystem (ETS) eingerichtet. Dies gilt derzeit für die Industrie und den Energiesektor: Bestimmte Unternehmen müssen über Zertifikate für den Ausstoß klimaschädlicher Gase wie Kohlendioxid (CO2) verfügen und können – wenn nötig – damit handeln. Dies soll als Anreiz dienen, Treibhausgase einzusparen.
Ab 2027 wird das System EU-weit auf die Beheizung von Gebäuden und Verkehr (ETS2) ausgeweitet. Durch eine Erhöhung der CO2-Bepreisung soll ein Anreiz für mehr Einsparungen und den Umstieg auf klimafreundliche Technologien – beispielsweise Elektroautos oder klimafreundlichere Heizsysteme – geschaffen werden. In Deutschland gilt derzeit der nationale Emissionshandel für alle Gebäude und den Verkehr. Ab 2027 soll das nationale System durch das europaweite ersetzt werden.
Derzeit gibt es in Deutschland einen festen CO2-Preis; derzeit liegt er bei 55 Euro pro Tonne. Nach dem Brennstoffemissionshandelsgesetz ist für das Jahr 2026 ein Preiskorridor mit einem Mindestpreis von 55 Euro pro Emissionszertifikat und einem Höchstpreis von 65 Euro pro Emissionszertifikat festgelegt. Nach dem EU-weiten Emissionshandel wird der CO2-Preis ab 2027 am Markt ermittelt.
„Wenn die Marktpreise 45 Euro überschreiten, wird ein ‚Top-up‘-Mechanismus ausgelöst, der die Menge der freizugebenden Zertifikate verdoppelt“, sagte EU-Klimakommissar Hoekstra. Darüber hinaus sollten alle Zertifikate, die bis Ende 2030 nicht freigegeben wurden, in einer Reserve gehalten werden. Geplant war, dass das System im Jahr 2030 ausläuft.
Lob von der SPD und CDU-Abgeordnete
„Die Kommission erkennt endlich, dass wir mit der aktuellen Rechtslage zu ETS2 ins gesellschaftspolitische Messer zu geraten drohen“, begrüßte der SPD-Europaabgeordnete Tiemo Wölken die Ankündigungen. Auch sein CDU-Kollege Peter Liese sprach sich dafür aus, die Mittel „schnellstmöglich“ zu verwenden.
Eine Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung kommt zu dem Ergebnis, dass der CO2-Preis für Kraftstoffe aufgrund strenger europäischer Emissionsobergrenzen und teilweise geringer Fortschritte beim Ausstieg aus fossilen Brennstoffen in Europa deutlich steigen wird. Studien zufolge sind Preise von 200 Euro pro Tonne möglich. Der ADAC rechnet ab 2027 und in den Folgejahren mit Steigerungen von bis zu 19 Cent pro Liter Benzin und Diesel – je nachdem, wie schnell der Klimaschutz voranschreitet.
Laut einer Studie des Münchner Forschungsinstituts für Wärmeschutz könnten ab 2027 Haushalte mit erheblichen Kostensteigerungen rechnen, insbesondere für Menschen, die in Gebäuden mit schlechter Energieeffizienz wohnen. Der Caritasverband hatte bereits eine gesellschaftliche Abfederung der Einführung ab 2027 gefordert. „Wenn CO2-Preiserhöhungen nicht mit sozialer Unterstützung einhergehen, dann müssten die Ärmsten die Suppe aufessen, die andere mitgebracht haben“, sagte kürzlich die Präsidentin des Deutschen Caritasverbandes, Eva Maria Welskop-Deffaa.
Die EU-Kommission will in den nächsten Wochen einen formellen Gesetzesvorschlag mit den Änderungen vorlegen. Dann müssen die EU-Staaten darüber diskutieren. Auch das Europäische Parlament hat bei bestimmten Vorschlägen Mitspracherecht.