
Die Grünen haben es in Ostdeutschland traditionell schwer: unterdurchschnittliche Wahlergebnisse, ein schlechtes Image und schwache Strukturen. Grünen-Chef Banaszak will mehr Präsenz zeigen und hat ein neues Büro in Brandenburg an der Havel eröffnet.
Ein wolkiger Herbstnachmittag in Brandenburg an der Havel, rund 60 Kilometer westlich von Berlin. Etwa 40 Menschen drängen sich in einem Hinterhof. Zwischen Wäschespinne und Kuchenbuffet steht Felix Banaszak, Bundes-Co-Fraktionsvorsitzender der Grünen, im Nieselregen vor seinem neuen Büro: eigentlich nur ein Hinterzimmer im ohnehin schon kleinen Büro der Brandenburger Grünen.
Für Banaszak ist das Ostbüro der Wessi aus dem Ruhrgebiet ein Experiment: „Für mich, würde ich sagen, ist es ein Ort des Lernens, mein Fenster in den Osten.“
Banaszak will den Osten besser verstehen. Er möchte den Menschen zuhören und mit ihnen reden, wie er sagt. Und ganz nebenbei: Menschen für grüne Politik gewinnen. Eine echte Herausforderung – denn die Grünen kämpfen in den ostdeutschen Bundesländern ums Überleben.
In Thüringen und Brandenburg wurden sie bereits aus den Landtagen geworfen. Im nächsten Jahr sieht es in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern düster aus – die Grünen liegen dort in Umfragen nur bei drei und fünf Prozent. Zu oft, sagt Banaszak, würden sie als distanzierte akademische und elitäre Partei wahrgenommen. Das will er ändern.
Reduzieren Sie Vorbehalte durch Gespräche
Er setzt große Hoffnungen in das Amt in Brandenburg: „Um etwas von dem Hass, der Antipathie und den großen Vorbehalten abzubauen, braucht es Präsenz und Diskussionen.“ Aber ein Gespräch zu beginnen ist nicht so einfach.
Wenige hundert Meter vom Büro der Grünen entfernt, auf dem Töpfermarkt der 75.000-Einwohner-Stadt Brandenburg, spielt eine Band. Hier können sich nur wenige Menschen mit dem Namen Banaszak identifizieren. Ein Mann sagt: „Der Name sagt mir nichts.“ Und eine Frau erklärt: „Noch nie davon gehört, muss man es wissen?“ Und eine andere gibt zu, den Namen nicht zu kennen: „Nein. Hier aus Brandenburg?“ Viele Menschen machen auch keinen Hehl aus ihrer Ablehnung der Grünen.
Und es gibt auch Kritik, dass die Grünen mit allem „auf uns zukommen“. Durch die höheren Treibstoffkosten würde noch weniger Geld übrig bleiben.
Grünen-Chef Banaszak wünscht sich mehr Gespräche und eine stärkere Auseinandersetzung mit den Themen.
Wahlkampfarbeit kann frustrierend sein
Solche Kritik sind die Grünen im Kreisverband Brandenburg gewohnt. Auch Anfeindungen an Wahlkampfständen. Die Arbeit sei manchmal frustrierend, gibt Kreisvorsitzende Sylvana Specht zu. In ihrem Kreisverband hat sie rund 100 Kolleginnen und Kollegen. Die Unterstützung des Parteichefs gefällt ihr. Sie wünscht sich vor allem, dass Banaszak mehr Verständnis für die Anliegen der Menschen vor Ort hat.
Wir hoffen, dass die Bundespolitiker, insbesondere die Berliner, erkennen, wo die Probleme hier im Westhavelland liegen.“
Banaszak kennt die Probleme der Region auch aus seiner Heimatstadt Duisburg. Ein großer Automobilzulieferer will Arbeitsplätze abbauen und das Stahlwerk steht vor einer ungewissen Zukunft. Damit müssen sich auch die Grünen auseinandersetzen, heißt es in Banaszaks neuem Amt.
Der Grünen-Chef weiß, dass er die Misere seiner Partei im Osten nicht allein mit etwas mehr Präsenz lindern kann. Wie oft er es neben seiner Parteiführung und seinem Bundestagsmandat tatsächlich nach Brandenburg schaffen wird, ist unklar. Aber er möchte zeigen, dass er die Botschaft verstanden hat.
Die Art und Weise, wie wir an Themen herangehen und welche Themen wir angehen, muss sich ändern, das ist offensichtlich der Fall.
Konkret wollen die Grünen vor allem im Osten mehr über soziale Themen, über lokalen Umweltschutz, über Wälder und Wasserstraßen sprechen und weniger über globale Klimapolitik. Doch ob das ausreicht, um die Vorbehalte abzubauen und wieder Einzug in die Landtage in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern zu gewinnen, bleibt völlig offen.
Ruth Kirchner, ARD Berlin, tagesschau, 02.11.2025 18:56 Uhr
