Die schwarz-grüne Koalition im hoch verschuldeten Schleswig-Holstein will trotz der notwendigen Sparmaßnahmen einen Teil der Eisenbahninfrastruktur im Land übernehmen. Laut einem parlamentarischen Antrag der Landtagsfraktionen von CDU Und den Grünen geht es um Strecken, auf denen ausschließlich Regionalverkehr fährt. Hintergrund der Überlegungen im Koalitionslager sind Pläne zur Erhöhung der Trassengebühren bei der Bahn. Diese betragen nach Angaben des Verkehrsministeriums derzeit rund 150 Millionen Euro pro Jahr. Zuvor hatten die „Kieler Nachrichten“ darüber berichtet.
Die schwarz-grüne Koalition begründet den angesichts der leeren Staatskasse überraschenden Schritt mit den Worten: Schleswig-Holstein „verfügt über das schlechteste Schienennetz Deutschlands und die Qualität der bundeseigenen Schieneninfrastruktur ist trotz deutlich gestiegener Sanierungsmaßnahmen bedenklich gesunken.“ Konkret betreffe dies etwa die wichtige Strecke zwischen Kiel und Lübeck.
Staatssekretär: Es wird zu wenig vom Trassenentgelt eingenommen
Die Trassenentgelte investiert die Bahn bundesweit in das Schienennetz. „In Schleswig-Holstein kommt das Geld aber zu wenig an“, beklagt Verkehrsstaatssekretär Tobias von der Heide (CDU) in dem Papier. Die Bahn konzentriere ihre Investitionen vor allem auf Hochleistungskorridore und Strecken mit viel Verkehr. „Wir haben deshalb im Norden eine dauerhaft bedauerliche Situation.“
Von der Heide verwies auf die positiven Erfahrungen der Bahngesellschaft AKN, die je zur Hälfte den Ländern Hamburg und Schleswig-Holstein gehört. Sie betreibt die von vielen Pendlern genutzte Bahnstrecke zwischen Hamburg-Eidelstedt und Kaltenkirchen (Kreis Segeberg). „Die AKN kann das Geld beim Bau oft effizienter einsetzen als die Deutsche Bahn“, sagte von der Heide.
Waldeck hofft auf Anreize
Auf Nachfrage erklärte die Grünen-Abgeordnete Nelly Waldeck: „Wir wollen, dass Schleswig-Holstein endlich die Verantwortung für die eigene Schieneninfrastruktur übernehmen kann. So können die Gebühren nicht an die DB, sondern direkt in die Infrastruktur investiert werden, wir können selbst Prioritäten setzen und Infrastrukturmaßnahmen in der Regel günstiger und schneller realisieren als die Bahn.“ Bislang hat das Land kaum Macht, an der Infrastruktur etwas zu ändern.
Dies schaffe auch einen Anreiz, mehr Transporte bei den Bahnunternehmen zu bestellen, sagte Waldeck. „Die Trassengebühren müssen derzeit pro Kilometer bezahlt werden, die Investitionen bleiben aber gleich. Wenn die Infrastruktur dem Staat gehört, wären zusätzliche Transportaufträge deutlich günstiger.“
In ihrem Antrag fordern die Koalitionsfraktionen die Landesregierung auf, sich beim Bund und bei der Deutschen Bahn für die Übertragung des Eigentums an Teilen der Schieneninfrastruktur auf die Länder einzusetzen. Zudem solle sie sich mit anderen Bundesländern abstimmen und eine gemeinsame Initiative starten. „Höhere Trasseneinnahmen aus einem Schienennetz müssen auch unmittelbar in Investitionen in das jeweilige Schienennetz fließen, statt intransparent bundesweit verteilt zu werden.“
Der Verkehr ist eingestellt
Unterdessen wurden bereits Streichungen im Bahnverkehr bestätigt, die für den Fahrplanwechsel im Dezember angekündigt waren. Nach bisherigen Ministeriumsangaben sollen dadurch 4,6 Millionen Euro eingespart werden. „Die Streichungen – auch wenn sie nur Randzeiten und weniger als 1,5 Prozent aller Verbindungen im Land betreffen – bleiben schmerzhaft und sind sicher nicht das Signal, das wir senden wollen“, hatte Verkehrsminister Claus Ruhe Madsen (CDU) Ende August verkündet. Fehlende Mittel des Bundes und eine geplante Erhöhung der Trassenpreise ließen dem Land keine andere Wahl.
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