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Autokratisches Aserbaidschan kassiert Miete für Frankfurter Finanzamt | hessenschau.de

Der für seine Korruptionsanfälligkeit berüchtigte Staatsfonds des Ölstaates ist größter Anteilseigner des Frankfurter Behördenzentrums. Das Land Hessen zahlt jährlich mindestens 16,5 Millionen Euro für den Gebäudekomplex. Nun gibt es Streit um eine Mieterhöhung.

Eines der größten Finanzbüros Deutschlands hat seinen Sitz im Frankfurter Behördenzentrum hinter dem Hauptbahnhof. Dort befinden sich auch das Landesarbeitsgericht und eine Polizeistation. Insgesamt arbeiten dort rund 2.600 Staatsbedienstete.

Der Gebäudekomplex wurde 2005 von der damaligen CDU-geführten Landesregierung unter Ministerpräsident Roland Koch als größte Immobilie der sogenannten Leo-Immobilien an einen deutschen Immobilienfonds verkauft. Seitdem wurde es vom Staat zurückgemietet.

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03:32 Min||Volker Siefert

Bild © picture-alliance / dpa | Oliver Berg|
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Gebäudekomplex wurde weiterverkauft

Im Jahr 2018 verkaufte der Fonds den Gebäudekomplex. Das Regierungszentrum erhielt einen neuen Eigentümer, Capitals Property. Das Land Hessen zahlt pro Jahr mindestens 16,5 Millionen Euro Miete an das in Luxemburg ansässige Unternehmen. Der Gewinn wird unter den Aktionären aufgeteilt.

Den Großteil davon erhält der aserbaidschanische Staatsfonds Sofaz. Er hält 40 Prozent der Anteile des Luxemburger Unternehmens. So steht es im dortigen Handelsregister.

Aserbaidschan ist damit indirekt Vermieter eines der größten Finanzamts Deutschlands. Aus Sicht verschiedener Menschenrechtsorganisationen wird das Land am Kaspischen Meer nicht nur autokratisch regiert. Es gilt auch als einer der korruptionsanfälligsten Staaten der Welt. Im Korruptionsindex von Transparency International (TI) schneidet es seit Jahren schlecht ab. Derzeit liegt es auf Platz 154 von 180.

CSU-Politiker erhielt Millionen aus Aserbaidschan

Der öl- und gasreiche Staat steht im Zentrum der sogenannten Aserbaidschan-Affäre, in die mehrere europäische Politiker verwickelt waren. Aserbaidschanische Vertreter stehen im Verdacht, über Geldwäschenetzwerke und Luxusreisen gezielt Einfluss auf Parlamentsabgeordnete in Europa zu nehmen.

Das Oberlandesgericht München hat kürzlich sein erstes Urteil gegen einen in die Aserbaidschan-Affäre verwickelten Politiker gefällt. Der frühere Bundestagsabgeordnete Eduard Lintner (CSU) erhielt wegen Bestechung von Mandatsträgern eine Bewährungsstrafe verurteilt. Lintner bestreitet nicht, dass er Millionenzahlungen aus Aserbaidschan erhalten und diese an andere Politiker weitergegeben habe. Allerdings sieht er darin keine Bestechung. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, da er Berufung eingelegt hat.

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„Untersuchen Sie intransparente Eigentumskonstrukte“

Die Ermittlungen zur Aserbaidschan-Affäre basieren auf einer Strafanzeige von Transparency International. TI-Experte Bertram Lang warnt auf hr-Anfrage: „Vor dem Hintergrund dieser Risiken strategischer Korruption müssen die intransparenten Eigentumskonstrukte des aserbaidschanischen Staates kritisch hinterfragt werden.“ Dies gilt insbesondere dann, wenn es um ein Gebäude geht, in dem deutsche Behörden untergebracht sind.

Nach einhelliger Einschätzung verschiedener Menschenrechtsorganisationen wie Freedom House gibt es in Aserbaidschan keine freien Wahlen. Die Meinungs- und Pressefreiheit gelten als stark eingeschränkt.

Exil-Journalist sieht Deutschland auf dem falschen Weg

Nach eigenen Angaben floh Orkhan Mammad aus Angst vor Repression nach Deutschland. Der Journalist des Nachrichtenportals Meydan TV berichtet aus dem deutschen Exil über Korruption und Missstände in seinem Heimatland Aserbaidschan.

Für Mammad ist das Behördenzentrum ein Beispiel dafür, dass die Wirtschaftsbeziehungen zwischen den beiden Ländern immer enger werden. „Für mich ist es wirklich enttäuschend zu sehen, dass Deutschland trotz der politischen Unterdrückung immer mehr Beziehungen zu Aserbaidschan aufbaut“, sagt er. Er hofft, dass die Geschichte des Finanzamtes zu einer Diskussion beitragen wird: „Ich würde auch gerne die Meinung der deutschen Öffentlichkeit hören, insbesondere die der Frankfurter.“

Land kann Vermieter nicht wählen

Das Land Hessen hat keinen Einfluss darauf, wem das Behördenzentrum gehört. Die Entscheidung fiel mit dem Verkauf im Jahr 2005.

„Da der Eigentümer seinen Pflichten als Vermieter vollumfänglich nachkommt, hat er den vertraglichen Anspruch auf die entsprechenden Mietzahlungen“, schreibt ein Sprecher des Hessischen Landesamtes für Bau und Liegenschaften (LBIH). Das Land kommt seinen Verpflichtungen nach. Die Landesverwaltung „vertraue grundsätzlich allen Ermittlungsbehörden im Zusammenhang mit Steuerstraftaten und unterstütze ihre Tätigkeit vorbehaltlos“, so der LBIH-Sprecher weiter.

Vermieter verklagt Hessen auf 32.000 Euro

Allerdings streitet der Staat mit dem Vermieter über die Höhe der Miete. Dabei gehe es um eine Mieterhöhung, „die nach Auffassung des Landes nicht durch die vereinbarte Zinsanpassungsklausel im Mietvertrag gedeckt ist“, sagte Finanzminister Alexander Lorz (CDU) kürzlich im Landtag.

Konkret geht es um etwa 32.000 Euro pro Jahr, die das Land gerne weniger zahlen würde. Das luxemburgische Unternehmen Capitals Property hat deshalb Klage beim Landgericht Frankfurt eingereicht. Ein für diesen Mittwoch geplanter Gerichtstermin wurde auf Januar verschoben.

Mietvertrag bis Ende 2034

Wie hoch die Miete für das Frankfurter Behördenzentrum insgesamt ausfällt, will das Landesunternehmen „zum Schutz der Geschäftsinteressen Dritter“ nicht offenlegen.

Die damalige Miete kann jedoch in einem Bericht über die der hr zur Verfügung stehenden Leo-Immobilien aus dem Jahr 2021 nachgelesen werden. Demnach zahlte das Land jährlich rund 16,5 Millionen Euro. Angesichts der vertraglich vereinbarten regelmäßigen Mieterhöhungen dürfte die Miete heute höher ausfallen.

Vor diesem Hintergrund erscheint der Streitwert von 32.000 Euro niedrig. Allerdings bleibt das Land knapp zehn Jahre lang Mieter des Behördenzentrums, so dass der Streit voraussichtlich mit einer Mehrbelastung für das Land von mehreren Hunderttausend Euro verbunden sein dürfte.

1,7 Millionen Euro für ein leerstehendes Gebäude ausgegeben

Ein Teil des Frankfurter Regierungszentrums steht leer. Laut LBIH ist es Teil des größten Gebäudes, in dem zuvor das Finanzamt Frankfurt V untergebracht war. Bisher zahlte das Land Hessen für den leerstehenden Teil rund 1,7 Millionen Euro Miete. Derzeit wird geprüft, welches Büro dort untergebracht werden kann. Auch andere leerstehende Leo-Immobilien kosten Millionen.

Neben dem aserbaidschanischen Staatsfonds Sofaz gehört das Regierungszentrum zu gleichen Teilen dem südkoreanischen Staatsfonds (Korea Investment Corporation, KIC) und der Capitals Holding, die mit Onemesia Limited mit Sitz in Larnaka, Zypern, verbunden ist. Weder Sofaz noch KIC antworteten auf die Anfrage von hr.

Eigentümer der Onemesia Limited ist nach eigenen Angaben Aroundtown mit Verwaltungssitz in Berlin. Die Management- und Finanzierungsholding ist nach eigenen Angaben das drittgrößte börsennotierte Immobilienunternehmen Europas. Auf erneute Nachfrage bestätigte ein Mitarbeiter einer Kommunikationsagentur für Aroundtown lediglich die Zusammensetzung der Eigentumsverhältnisse des Frankfurter Regierungszentrums.

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Quelle: hessenschau.de

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