Nach der Zerschlagung des Traditionsunternehmens Buderus Edelstahl ging in Wetzlar 300 Jahre Industriegeschichte zu Ende: Hessens einziges Stahlwerk schloss für immer. Für viele Arbeitnehmer ist der letzte Arbeitstag emotional.
Die Gefühle am Morgen sind gemischt. Einerseits ist es seltsam, nach Jahrzehnten Seite an Seite zum letzten Mal zur Arbeit zu kommen. „Andererseits ist es auch gut, dass es jetzt vorbei ist“, sagt ein Mitarbeiter, der fast 40 Jahre im Buderus-Stahlwerk in Wetzlar (Lahn-Dill) gearbeitet hat. „Das letzte Jahr war wegen der Verkäufe sehr stressig.“
Die deutsche Stahlindustrie steckt seit langem in der Krise. Das blieb auch im einzigen Stahlwerk Hessens nicht unbemerkt: After Verkauf von Buderus Edelstahl in Wetzlar vor einem Jahr es wurde zerschlagen: Die Gesenkschmiede und das Walzwerk bleiben in Betrieb, das eigentliche Stahlwerk und weitere Betriebsbereiche werden geschlossen. Rund 450 Mitarbeiter verlieren zum 31. Oktober ihren Job.
Letzte Stahlverhüttung
Wie der Betriebsratsvorsitzende Stefano DiLena berichtet, fand diese Woche in Wetzlar ein letztes Stahlschmelzen statt, am Mittwoch fand das letzte Schmieden statt. „Das waren wirklich berührende Momente, auch die Kollegen zu sehen, die trotz ihres Jobverlusts großartige Arbeit geleistet haben“, sagt DiLena.
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02:13 Min ||Jannis Gerhard
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Buderus ist ein Traditionsunternehmen der Region. DiLena sagt, es sei immer ein zuverlässiger Arbeitgeber gewesen. Viele Mitarbeiter sind schon seit Jahrzehnten dabei und haben hier sogar ihre Ausbildung abgeschlossen. „Der Stuhl wird ihnen jetzt unter dem Hintern weggezogen, und für sie ist es ziemlich dramatisch.“
Dennoch zeigte er sich gegenüber seinen Kollegen „vorsichtig optimistisch“. Es wurden ein guter Sozialplan und eine Transfergesellschaft ausgehandelt. Letzte Woche gab es außerdem eine Jobbörse mit über 20 Unternehmen, die händeringend nach Mitarbeitern suchen.
Das einzige Stahlwerk in Hessen
Buderus Edelstahl ist einer der größten Arbeitgeber in Wetzlar. Vor dem Verkauf und der Zerschlagung beschäftigte das Unternehmen nach eigenen Angaben rund 1.250 Mitarbeiter und produzierte rund 300.000 Tonnen Rohstahl.
Das Buderus Edelstahlwerk in Wetzlar.
Bild © Buderus Edelstahl
Der Jahresumsatz betrug rund 350 Millionen Euro. Nach Angaben der IG Metall war es das einzige traditionelle Stahlwerk in Hessen.
Unternehmen stecken schon lange in Schwierigkeiten
Allerdings schreibt das Stahlwerk seit längerem rote Zahlen. Mit der Ankündigung im Oktober 2024, das Werk zu übernehmen, kündigte die Investmentgesellschaft Mutares Änderungen in der Betriebsstruktur und Personalabbau an.
Als im August die Zerschlagung und Teilschließung bekannt wurde, gab Mutares bekannt, dass die Restrukturierungsmaßnahmen „erfolgreich umgesetzt“ seien und man das Unternehmen „nachhaltig weiterentwickeln“ wolle.
IG Metall: Harter Schlag für die Region
Betroffen ist Stefan Sachs von der IG Metall Mittelhessen: „Das ist ein harter Schlag für die Region und vor 30 Jahren hätte es niemand für möglich gehalten, dass so etwas passieren könnte.“
Die Entscheidung des neuen Eigentümers überraschte ihn jedoch nicht: Buderus Edelstahl war bereits unter dem bisherigen Eigentümer Voestalpine in Schwierigkeiten geraten. Als sogenanntes Private-Equity-Unternehmen würde Mutares letztlich das tun, was die Geldgeber erwarteten: nicht Industrien nachhaltig zu erhalten, sondern möglichst viel Kapital zu vermehren. „Am Ende hat Mutares nur die Drecksarbeit gemacht.“
Der Gewerkschaft gehe es nicht nur um die Wahrung der Tradition, sagt Sachs. „Viel wichtiger ist die Frage, was wir jetzt tun – und welche Auswirkungen das auf die Region Mittelhessen und letztlich auf das Industrieland Deutschland haben wird.“
„Die Politik muss die Rahmenbedingungen verbessern“
Die Politik müsse jetzt dringend „richtig navigieren“, um die Rahmenbedingungen für die Industrie zu verbessern: „Wir haben jetzt zwei, drei Jahre Zeit, um sicherzustellen, dass es in Deutschland nicht zu einer weiteren Deindustrialisierung kommt.“
Das große Problem am Standort Wetzlar sind die hohen Energiekosten, wodurch die Stahlproduktion im internationalen Vergleich kaum wettbewerbsfähig ist. Allerdings hält er es nicht für hilfreich, in „endloses Jammern“ zu verfallen. „Dieses Land kann etwas tun und die Menschen können etwas tun“, sagte Sachs.
Auch andere Buderus-Tochtergesellschaften waren betroffen
In Mittelhessen handelt es sich bereits um die zweite Tochtergesellschaft des ehemaligen Großunternehmens Buderus, die innerhalb kurzer Zeit verkauft wird und große Flächen schließt. Im Jahr 2024 wurde der Verkauf der zuvor zu Bosch gehörenden Buderus Guss GmbH bekannt.
Das inzwischen in Breyden umbenannte Unternehmen gab Mitte September bekannt, dass es seinen Sitz in Lollar (Gießen) haben wird. bis Ende des Jahres schließen. Betroffen sind 230 Mitarbeiter. Es sei „nicht möglich, die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts langfristig sicherzustellen“, sagte Breyden.
