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Auch National Express streicht Züge in Köln ohne Not

Das hat es im Nahverkehr an Rhein und Ruhr noch nie gegeben. National Express hat am vergangenen Wochenende den Betrieb auf einer Linie komplett eingestellt, obwohl genügend Fahrer und Züge zur Verfügung standen. Ohne große Vorwarnung oder Angabe von Gründen. Und zwar nicht irgendeine Linie, sondern der Regionalexpress 4 zwischen Hamm, Wuppertal, Düsseldorf, Mönchengladbach und Aachen. Betroffen sind Tausende Pendler, darunter viele Besucher der Bundesliga-Spitzenspiele Mönchengladbach gegen München und Dortmund gegen Köln.

Normalerweise streiken Lokführer oder Fahrdienstleiter. Diesmal ist es ein Eisenbahnunternehmen, das mehr Geld verlangt. Es geht um bis zu 400 Millionen Euro. Die Verkehrsverbünde go.Rheinland und Rhein-Ruhr (VRR) sollen dies ergänzen, damit National Express in ihrem Auftrag weiterhin Züge auf sieben Linien durch Nordrhein-Westfalen fahren lässt. Fünf der seit 2015 mit National Express unterzeichneten Verträge laufen bis 2033 und zwei bis 2030.

Was ist da los? Wir beantworten die wichtigsten Fragen.

Seit Juni 2023 gehört National Express zur börsennotierten britischen Mobico Group PLC, deren Aktien in den vergangenen zehn Jahren durchschnittlich 22,5 Prozent an Wert verloren haben. Der Preis lag am Dienstag bei rund 30 Cent. Seit dem 25. April gilt die Aktie als Hochrisikowert. In den USA wurde das Schulbusgeschäft im Juli verkauft, in England konkurriert Flixbus mit den Briten. Der Konzern betreibt nur Bahnen in Nordrhein-Westfalen und geriet dort vor knapp zwei Jahren wegen Personalmangels in Schieflage.

Das ist bedauerlich. Doch warum sollten die Verkehrsverbünde in NRW mit öffentlichen Geldern britischen Aktionären aus der Misere helfen?

Denn auch eine mögliche Schließung von National Express würde das Land teuer zu stehen kommen. Mit einem Marktanteil von knapp 18 Prozent und sieben Linien sind die Briten nach dem Platzhirsch DB Regio die Nummer zwei in NRW und fahren jährlich rund 21 Millionen Zugkilometer, darunter sechs Regionalexpress-Verbindungen, davon vier über Köln. Würden diese Züge von einem Tag auf den anderen ausfallen, würde der gesamte Regionalverkehr in NRW zusammenbrechen.

Sie haben großen Ärger mit den Verkehrsverbünden: Tobias Krogmann und Michael Hetzer (rechts), die Geschäftsführer der Bahngesellschaft National Express, stehen im Juli 2025 vor einem Regionalzug im Kölner Hauptbahnhof.

Bereits Ende 2021 erlebten wir eine Insolvenz des Bahnbetreibers Abellio.

WAHR. Damals übernahm National Express innerhalb von drei Monaten im Februar 2022 den RE 1 (Aachen-Köln-Hamm) und den RE 11 (Düsseldorf-Dortmund-Kassel). Dies war eine unglaubliche Leistung, da das gesamte Fahrpersonal geschult und der Notverkehr organisiert werden musste. Die Abellio-Pleite soll das Land NRW rund 530 Millionen Euro gekostet haben.

Verhandeln die Verkehrsverbünde mit National Express über ihre Forderungen?

Die Diskussionen hinter den Kulissen laufen seit Monaten. Die Verbände sind zwar zu Zugeständnissen bereit, doch ihre finanziellen Erwartungen liegen meilenweit auseinander. Eine Vertragsänderung könnte zu leicht verbesserten Konditionen für zwei der sieben Linien führen. Dazu müsste National Express auch bereit sein, mehr Züge einzusetzen, etwa auf der äußerst verspätungsanfälligen RE7-Linie zwischen Krefeld, Köln und Rheine. Von den zusätzlichen 400 Millionen Euro bis zum Ende der Vertragslaufzeiten, die National Express im Sinn hat, sind wir allerdings meilenweit entfernt.

Gibt es nicht bereits eine Ergänzung zu den Verkehrsverträgen aller in NRW tätigen Eisenbahnverkehrsunternehmen?

Ja. Der Bezug wurde im sogenannten Verkehrsvertrag 2.0 geregelt. Für Verzögerungen durch Großbaustellen fallen künftig keine Strafzahlungen mehr an. Das Land hat sich außerdem darauf geeinigt, dass Unternehmen aufgrund des Personalmangels im Jahr 2025 rund vier Prozent weniger fahren müssen, wenn dies zur Verbesserung der Pünktlichkeit beiträgt. Dem stimmten im Sommer 2024 alle zu. Einzig National Express beklagte sich nach Angaben der Verkehrsverbände kurz darauf, dass dies nicht ausreiche. Und wollte den Verbänden mitteilen, welche Züge nicht fahren sollten. Zwei Warnungen wegen mangelhafter Leistung im November 2024 und Juli 2025 zeigten offenbar keine Wirkung.

Und nun der „Streik“ vom Wochenende. Was kommt als nächstes?

Die Verkehrsverbünde haben die Verhandlungen mit National Express eingestellt und werden das Unternehmen auffordern, Zugausfälle wie vereinbart eine Woche im Voraus anzukündigen. Sie sagen lediglich, dass sie sich nicht erpressen lassen und nicht dafür verantwortlich sind, dass das Unternehmen Verträge abgeschlossen hat, die offensichtlich nicht ausreichend sind.

National Express: „Es gibt keine personellen oder materiellen Engpässe beim Betrieb der Dienste“

Gibt es auch eine offizielle Stellungnahme von go.Rheinland?

Ja. „Wir werden uns zum jetzigen Zeitpunkt nicht spekulativ zu möglichen Kompromissen und abgesehen von den Diskussionen über deren weiteren Verlauf äußern. Im Interesse unserer Fahrgäste haben wir gegenüber National Express vorab betont, dass die sehr kurzfristig angekündigten Reiseabsagen für uns nicht akzeptabel sind, und fordern insbesondere NX auf, früher Auskunft zu geben“, sagt Geschäftsführer Marcel Winter auf Anfrage. Für alle Zugausfälle und Verspätungen würden auf der Grundlage der Verkehrsverträge Strafen verhängt.

Wie erklärte das Management von National Express den Mitarbeitern, dass sie Züge streichen würden, obwohl es weder Personalmangel noch Fahrzeugprobleme gab?

Mit einer internen E-Mail der Geschäftsführung an die Mitarbeiter, die Ende letzter Woche verschickt wurde. Wörtlich heißt es darin: „Wie viele von Ihnen bereits wissen, befinden wir uns derzeit in einem intensiven Austausch mit den Behörden über Anpassungen unserer Verkehrsverträge, da sich die Situation auf der Schiene enorm verändert hat und die Verträge dies finanziell nicht ausreichend berücksichtigen. Bisher haben die Gespräche zu keinem greifbaren Ergebnis geführt (…) Daher werden wir am kommenden Wochenende alle Fahrten auf der Linie RE 4 zurückhalten (…). Es gibt keine personellen oder materiellen Engpässe für den Betrieb der Dienste.“

Und was sagt das Management von National Express?

Nichts vom Streit mit den Verkehrsverbünden. Auf wiederholte Nachfrage gab sie lediglich an, dass ab diesem Wochenende die RE 6 und RE 11 wieder im Vollbetrieb sein werden und dass die RE 4 wieder Nachtfahrten am Wochenende anbieten werden. Zum Fahrplanwechsel im Dezember ist geplant, dass alle Linien wieder in den Vollbetrieb übergehen.

10. März 2022, Köln: Regionalverkehr Linie 6 und Linie 7 bei Worringen. Foto: Max Grönert

Wie reagiert die Landesregierung?

In einem Brief an Michael Hetzer und Tobias Krogmann, die Geschäftsführer von National Express, äußert Verkehrsminister Oliver Krischer (Grüne) sein Unverständnis und spricht mit Blick auf die Einstellung des RE 4 am vergangenen Wochenende von einer „unzulässigen Zuspitzung der ohnehin schwierigen Betriebslage. Vertragsverhandlungen auf dem Rücken der Fahrgäste“ seien aus Sicht der Landesregierung „inakzeptabel“.

Und der Fahrgastverband Pro Bahn?

Der Fall National Express zeige, dass es ein Fehler sei, sich bei der Ausschreibung von Reiseleistungen immer am Preis zu orientieren und das günstigste Angebot zu nehmen, sagt Bundesvorsitzender Detlef Neuß. „In der Schweiz ist das besser geregelt. Antragsteller müssen ihre finanzielle Situation offenlegen und aufzeigen, wie sie für jeden einzelnen Anschluss Kosten generieren wollen. In Deutschland ist das ein Geschäftsgeheimnis.“ Das Vorgehen von National Express am Wochenende kann man nur als „Erpressung der Verkehrsbehörden“ bezeichnen. „Und das alles auf dem Rücken der Passagiere.“

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