Der tödliche Messerangriff auf Kleinkinder und ihre Betreuer sorgte mitten im Bundestagswahlkampf im Januar für Aufsehen und Bestürzung. Die Diskussion um eine schnellere Abschiebung ausreisepflichtiger Ausländer wurde zum beherrschenden Thema.
Der heutige Bundeskanzler Friedrich Merz (CDU) hat die Zustimmung der teils rechtsextremen AfD angenommen, als er ein Gesetz für mehr Abschiebungen und Zurückweisungen von Asylbewerbern an den deutschen Grenzen vorschlug. Die Sozialdemokraten, nun Koalitionspartner von Merz, empörten sich im Bundestag über den Tabubruch der Christdemokraten, vielerorts kam es zu Demonstrationen. Merz hatte die Wahl im Februar dennoch gewonnen. SPD-Kanzler Olaf Scholz wurde ersetzt.
Unterbringung in einer psychiatrischen Klinik
Heute, zehn Monate nach der Tat in einem Park im bayerischen Aschaffenburg, ist im Prozess gegen Enamullah O., dem Doppelmord vorgeworfen wird, das Urteil gefallen. Der ausreisepflichtige Afghane stach mit einem großen Küchenmesser auf einen zweijährigen Jungen ein und verletzte ein zweijähriges Mädchen schwer. Er erstach einen Mann, der der Gruppe zu Hilfe eilte, und verletzte einen Betreuer und einen weiteren Mann mit seinem Messer.
Der 28-jährige Enamullah O. gab die Taten zu. Ihm wurde Mord und versuchter Mord vorgeworfen. Ins Gefängnis muss er aber nicht, denn wie psychiatrische Gutachten zeigen, war er während der Tat aufgrund einer schweren Schizophrenie nicht strafbar.
Der Staatsanwalt plädierte ebenso wie der Verteidiger für eine unbefristete Unterbringung in einer geschlossenen psychiatrischen Klinik. Das Gericht gab dem Antrag statt, weil von dem schwer psychisch erkrankten Enamullah O. eine ständige Gefahr ausging. Auch Staatsanwalt Jürgen Bundschuh sagte, die Tat sei nicht Folge einer politischen oder religiösen Radikalisierung, sondern einer Krankheit.
Lange Eingriffs- und Behandlungskette
In dem Prozess wurde untersucht, wie es zu der Tat kommen konnte und wie lange die Kriminalität des Angeklagten zurücklag. Ein Motiv oder Grund, warum der Täter mit seinem Messer auf Kleinkinder losging, konnte nicht ermittelt werden, wie die Staatsanwaltschaft erklärte. Es stellte sich jedoch heraus, dass Enamullah O. seit seiner Ankunft in Deutschland im November 2022 mehrfach wegen Körperverletzung und anderen Straftaten angezeigt und verurteilt wurde. Allerdings verbüßte er nie eine Haftstrafe wegen Betrugs.
Da der Afghane über Bulgarien in die Europäische Union eingereist ist, hätte er dort eigentlich ein Asylverfahren durchlaufen müssen. Auch Bulgarien war bereit, ihn aus Deutschland zurückzuholen. Aufgrund der langwierigen Verfahren scheiterte die Überstellung jedoch. Der bayerische Innenminister Joachim Hermann begründete dies einen Tag nach dem Blutvergießen in Aschaffenburg mit der Überlastung des zuständigen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und einer mangelnden Kommunikation zwischen dem Bundesamt und der bayerischen Ausländerbehörde. Über das Verfahren gegen den Täter, der zudem mehrfach in psychiatrischen Kliniken untergebracht und behandelt wurde, erfuhr das BAMF nichts.
Sein Asylverfahren zog sich bis Ende 2024 hin und wurde kurz vor Weihnachten vom BAMF gestoppt. Das BAMF drohte mit Abschiebung. Gleichzeitig hatte Enamullah O. erklärt, das Land freiwillig verlassen zu wollen. Aber dazu kam es nicht mehr. Anfang Januar forderte die Ausländerbehörde den Mann auf, Ausreisedokumente zu besorgen. Am 22. Januar 2025 verübte er die Bluttat in Aschaffenburg.
Der Anschlag im Sommer 2024 blieb folgenlos
Bereits im Sommer 2024 soll Enamullah O. eine ukrainische Bewohnerin in seiner Flüchtlingsunterkunft angegriffen und mit einem Messer bedroht haben. Trotz des Einsatzes von Polizeibeamten vor Ort leitete die zuständige Polizeibehörde keine Ermittlungen ein. Vor wenigen Tagen wurde der verantwortliche Beamte wegen Strafbehinderung im Amt zu einer Bewährungsstrafe verurteilt.
Der Vorsitzende Richter am Landgericht Aschaffenburg, Karsten Krebs, sagte in seinem Urteil, die Tat habe „verheerende“ Folgen, insbesondere für die Hinterbliebenen der Ermordeten und die Hinterbliebenen. Nach Ansicht von Richter Krebs kann das Strafverfahren die Folgen nicht ausgleichen. Der Angeklagte ist äußerst gefährlich und das Gericht kann ihn nur dauerhaft aus dem Verkehr ziehen.
Weitere Abschiebungen angestrebt
Die neue Bundesregierung hat – auch als Lehre aus dem Fall Aschaffenburg – die Zahl der Abschiebungen ausreisepflichtiger Straftäter erhöht. Innenminister Alexander Dobrindt (CSU) will sich für eine unbefristete Abschiebungshaft einsetzen, was von den Ländern und dem Koalitionspartner SPD kritisch gesehen wird. Die Dauer der Verfahren soll verkürzt werden und die Behörden sollen besser miteinander kommunizieren. Auch nach Afghanistan soll es mehr Abschiebungen geben. In Kabul laufen Gespräche mit den Taliban-Machthabern. Das radikalislamistische Taliban-Regime hat Vertreter für konsularische Angelegenheiten in ein Konsulat in Bonn und in die afghanische Botschaft in Berlin entsandt.
Hinweis: In einer früheren Version dieses Textes war von „Präventivhaft“ die Rede. Dieser Begriff ist im Zusammenhang mit dem Verfahren gegen Enamullah O. falsch.
