Das Kapitel von Mats Hummels bei AS war bisher alles andere als glorreich. Erst kommt er nicht zum Zuge, dann folgen Fehler und nun ist er verletzt. Hat sich der bald 36-Jährige überschätzt? Das lässt sich noch nicht sagen. Fakt ist aber, dass Hummels Mut hat.
Schlechte Nachrichten, fast nur schlechte Nachrichten. Wegweiser einer großartigen Karriere, die seit Monaten ernüchternd sind. Wünschen Sie eine Auswahl?
- Erstens: „Hummels ist bei der AS Rom immer noch nur ein Ersatzspieler. Er sollte spielen…“
- Dann: „Hummels macht Witze über das Reservistendasein.“
- „Hummels gibt sein Horror-Debüt“.
- „Eigentor vier Minuten nach der Auswechslung“.
- „Nach Debakel-Debüt: Hummels wieder nur auf der Bank!“
- „‚Bitte nicht‘: Hummels sorgt bei Rom-Pleite für Aufregung“
- „Erst dritter Fehler, dann Retter“
- Und jetzt zu allem Überfluss: „Bei seinem Startelf-Debüt in der Liga: Hummels-Schock!“ Eine Oberschenkelverletzung, die sich der Verteidiger im Spiel gegen Atalanta Bergamo zugezogen hat.
Eine verdammte Veränderung, die nicht von der Hand zu weisen ist. Hat Hummels nach seiner Zeit bei Borussia Dortmund einen Fehler gemacht, sich überschätzt, hätte er aufhören sollen oder zumindest in einer weniger anspruchsvollen Liga oder bei einem weniger ambitionierten Klub weniger bewirken sollen? Gar nicht.
Natürlich ging er ein Risiko ein, sozusagen eine Wette auf sich selbst. Ein Verteidiger im reifen Fußballalter, fast 36 Jahre alt, der über den Sommer vereinslos war und daher ohne Saisonvorbereitung einen Job suchte, schloss sich Anfang September einem Europa-League-Teilnehmer an. Eine mutige Mission, es gibt sicherlich bessere Startbedingungen. Zudem tauschte der Verein nur zwei Wochen nach Hummels‘ Ankunft in Rom seinen ersten Trainer (Daniele De Rossi) und 53 Tage später auch seinen Nachfolger (Ivan Juric) aus.
Doch mit Trainer Nummer drei, Startrainer Claudio Ranieri, hatte Hummels von Beginn an einen Fürsprecher. Der 73-Jährige unterstützte den Altstar, der tief zu fallen schien. Er sah etwas in ihm – und es war klug. Nach und nach fand Hummels wieder Fuß und Sicherheit. Umso bitterer ist die Tatsache, dass er nun verletzt ist und einen weiteren Rückschlag erlitten hat. Denn es verstellt vorerst den Blick auf das, was in Hummels wohl noch schlummert – einen erfahrenen, maßgeschneiderten Verteidiger, der bei so manchem Verein eine gute Figur machen würde. Wahrscheinlich sogar sein alter Arbeitgeber Dortmund.
Hummels‘ Mut sticht heraus
Im Sommer diskutierte Brighton & Hove Albion intensiv mit dem deutschen Trainer Fabian Hürzeler über die Verpflichtung von Hummels. Besitzer Tony Bloom, der bei seinem Scouting vor allem auf Daten setzt und auch Hürzeler entdeckte, war vom Engagement des Innenverteidigers überzeugt. Moneyball lässt grüßen. Hummels Zahlen waren sehr, sehr gut. Er gehörte zu den zehn besten Innenverteidigern der Welt.
Nun bleibt in seinem Fall ein gemischtes Ergebnis. Sportlich gehen die Rechnungen mit Hummels noch nicht auf; Es hat immer noch nur den Teststatus. Was aber herausragt, ist der Mut von Hummels. Das Vertrauen in dich selbst. Aller Wahrscheinlichkeit nach hätte es ihm leichter fallen können als in Italien. Sein alter Weggefährte Marco Reus wählte diesen Weg. Wechsel vom BVB in die drittklassige amerikanische MLS, jetzt im Finale mit Los Angeles Galaxy. Alles wurde richtig gemacht, explizit, aber nicht so herausfordernd wie im Fall von Hummels.
Er hatte den Mut, sich noch einmal auf höchstem Niveau beweisen zu wollen. Ich möchte es noch einmal allen beweisen, vermutlich auch dem BVB. Sein Umzug nach Rom mag verflucht sein, aber er verdient keine Bosheit, sondern Respekt. Nicht viele Menschen in seinem Alter haben den Mut, alles – auch einen guten Ruf – aufs Spiel zu setzen.
Patrick Krull ist Sportredakteur bei WELT. Als ehemaliger Defensivspieler auf einem viel, viel, viel bescheideneren Niveau als Hummels schätzt er gute Defensivstrategen.
