Antifaschisten demonstrieren in Berlin aus Solidarität mit dem inhaftierten Thomas J. „Nanuk“ vor dem Gefängnis Moabit.
Foto: Florian Boillot
„Liebe und Kraft im Untergrund und im Gefängnis“ – dieser Slogan wurde am Samstagabend wohl am häufigsten skandiert. Rund 250 Antifaschisten versammelten sich um 17 Uhr in der Nähe der Justizvollzugsanstalt Moabit (JVA) in Berlin. Dort ist auch Thomas J. seit einigen Tagen inhaftiert. Dem 48-Jährigen wird von der Bundesanwaltschaft im Rahmen des Antifa-Ost-Verfahrens die Unterstützung einer kriminellen Vereinigung vorgeworfen. Konkret werfen ihm die Behörden vor, „sich dem Verband als Kampftrainer zur Verfügung zu stellen und in dieser Funktion mindestens ein Kampfsporttraining durchzuführen“.
Bei dem Verein, den er im Sport unterstützt haben soll, handelt es sich um eine Gruppe von Antifaschisten, die auch kämpferische Aktionen gegen bekannte Neonazis durchgeführt haben sollen, unter anderem in Leipzig. Die Justizbehörden haben für sie den Begriff „Hammerbande“ erfunden, der seitdem vor allem von konservativen Politikern und Medien immer wieder verwendet wird. So titelte die „BZ“ nach Js Festnahme: „Kampftrainer der linksextremen Hammerbande in Berlin festgenommen.“ Nach der Festnahme schrieb die „Tagesschau“, es handele sich um einen ausgebildeten Scharfschützen. Tatsächlich nahm J. am Kampf der syrisch-kurdischen Volksverteidigungseinheiten YPG gegen den Islamischen Staat teil. J. wurde über ein Jahr lang mit internationalem Haftbefehl gesucht. Ende Oktober wurde er in Berlin von Ermittlern des Bundeskriminalamtes und des Sächsischen Landeskriminalamtes festgenommen.
Bei der kleinen, aber lautstarken Demonstration erhielt der Festgenommene seinen Pseudonym Nanuk. „Free Nanuk“ wurde häufiger gerufen. Das Wort bedeutet Eisbär in der Inuit-Sprache. Dieses Tier war auf den Plakaten zu sehen, die zur Demonstration aufriefen. Möglicherweise stammt der Pseudonym von seinem Lieblingslied „Eisbär“ der Band Grauzone, das auch bei der Demonstration gespielt wurde.
„Hier sind vor allem sehr junge Antifaschist*innen aktiv, die sich erstmals mit Gefängnis und Repression auseinandersetzen.“
Demonstrant
Die Reden bei der Kurzdemonstration rund um die Justizvollzugsanstalt Moabit drückten politische Entschlossenheit, aber auch das Wissen um die eigene Verletzlichkeit und Schwäche aus. In mehreren Reden wurde betont, dass konsequenter Antifaschismus eine Herausforderung für den Staat sei und es keinen Grund gebe, sich im Kampf gegen Rechts auf den Staat zu verlassen. Dies verwies kritisch darauf, dass es in Teilen der Antifa-Bewegung auch Diskussionen darüber gibt, ob man wegen des Aufstiegs der AfD auf Bündnisarbeit setzen sollte, die bis in den liberalen Mittelstand reicht.
Unterstützung erhält Nanuk auch von Mithäftlingen. Dazu gehört auch Andreas Krebs, der derzeit in der JVA Tegel inhaftiert ist und sich im Februar dieses Jahres mit einem Hungerstreik gegen die Postzensur wehrte. In einer kurzen Botschaft, die bei der Demonstration verlesen wurde, sagte er: „Dass an Gefangenen, die Haltung zeigen, ein Exempel statuiert wird, ist ein Zeichen der Zeit.“ Ein kurdischer Häftling, der im Gefängnis Moabit sitzt, begrüßt Nanuk mit einem kurdischen Lied. Andere Reden verwiesen auf die Verfolgungswelle von Antifaschisten, denen militante Aktionen gegen Nazis vorgeworfen werden. Die bekannteste Aktivistin ist Lina E., die im vergangenen Jahr zu einer mehrjährigen Haftstrafe verurteilt wurde. Da das Urteil noch nicht rechtskräftig ist, ist sie derzeit auf freiem Fuß.
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Man erinnerte sich an die Antifaschistin Maja, die im Juli in die ungarische Justiz versetzt wurde. Sie wirft ihr vor, bei einer Nazi-Demonstration in Budapest Rechtsextreme angegriffen zu haben. „Keine Auslieferung“ war auch einer der Slogans auf dem Banner. Schließlich hat die ungarische Justiz auch Auslieferungsersuchen gegen andere Antifaschisten aus Deutschland gestellt. Betroffen ist die Nürnberger Kunststudentin Hanna S., die im Mai festgenommen wurde. In Nürnberg habe die Solidaritätsbewegung bereits mehrere Kundgebungen und Demonstrationen für ihre Freilassung organisiert, hieß es in einer Rede.
„In Berlin kann die Solidaritätsarbeit mit Nanuk durchaus ausgebaut werden“, kommentierte ein Demonstrant gegenüber „nd“ die geringe Teilnehmerzahl. Aber er sah auch Positives. „Hier sind vor allem sehr junge Antifaschist*innen aktiv, die erstmals mit Gefängnis und Repression zu tun haben.“
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