Bundestagsabgeordnete hören heute Experten und Verbänden zu, wonach in den nächsten Wochen die Haltegrenze für Rentenniveau und Mütterrente verabschiedet werden könnte. Es sei denn, es kommt etwas anderes dazwischen.
Die Bühne ist bereitet, die Rollen sind verteilt, das Drehbuch ist vorhersehbar – doch Überraschungen sind in der Politik nie ausgeschlossen: Im Paul-Löbe-Haus, einem der Bürogebäude neben dem Bundestag, geht die Rentenreform heute auf die Zielgerade. Im Raum E.200 diskutiert der Ausschuss für Arbeit und Soziales mit Experten und Verbänden über die geplante Rentenreform.
Was besprochen wird, ist bereits auf der Website des Bundestags zu finden. Dort werden die Aussagen gespeichert. Der Deutsche Gewerkschaftsbund beispielsweise unterstützt die Reform und fordert sogar mehr: „Das Rentenniveau muss dauerhaft auf mindestens 50 Prozent angehoben werden.“ Im internationalen Vergleich weist Deutschland laut DGB ein unterdurchschnittliches Rentenniveau, aber auch einen sehr niedrigen Beitragssatz zur Rentenversicherung auf.
In Deutschland sind es 18,6 Prozent – in Italien sollen es laut DGB mehr als 30 Prozent und in vielen anderen großen europäischen Ländern mehr als 25 Prozent sein, argumentiert der DGB. Abschließend richtet der DGB einen Gruß an die Unionsfraktion: Er wirft der jungen Gruppe in der CDU/CSU-Fraktion „eine neue Variante des Enkeltricks“ vor: „Sie schürt Angst und erzeugt dringenden Handlungsdruck.“
Junge Generation besorgt
Der Chef der Jungen Gruppe muss es gelesen haben: „Wir stehen fest zum Koalitionsvertrag“, sagt Pascal Reddig. Er stimmte zu, das Rentenniveau bis zum Jahr 2031 bei 48 Prozent zu stabilisieren. Die Junge Fraktion ist sich nicht einig, dass der aktuelle Gesetzentwurf über das Jahr 2031 hinaus wirksam wird. Durch den Entwurf wird das Rentenniveau dauerhaft rund einen Prozentpunkt höher sein als ohne die Reform. Reddig rechnet nach 2031 mit Folgekosten von bis zu 15 Milliarden jährlich. „Hier sind Nachbesserungen des Gesetzesentwurfs nötig“, sagt er. Daran hat sich nichts geändert.
Genau darauf möchte die ebenfalls zur Anhörung geladene Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände hinweisen. Sie spricht vom „teuersten Sozialgesetz dieses Jahrhunderts“ – mit Kosten von mehr als 200 Milliarden Euro in den nächsten 15 Jahren. Nötig sei das Gegenteil der geplanten Maßnahmen: Reformen zur Ausgabenreduzierung. Die BDA regt an, zumindest die Berechnungsformel für das Rentenniveau zu aktualisieren. Sie will für den Eckrentner 47 statt wie bisher 45 Arbeitsjahre erwarten. Immerhin wurde auch das Renteneintrittsalter um zwei Jahre angehoben, allerdings ist dieser Schritt noch nicht in der Berechnungsformel berücksichtigt.
„Wir müssen es uns leisten“
„Das mache ich nicht mit!“ sagt SPD-Rentenexperte Bernd Rützel. Durch diese Änderung wäre das Rentenniveau rechnerisch höher als bisher. Rützel spricht vom „Vorschlag mit dem Eckrentner durch die Hintertür“ – für die meisten Arbeitnehmer ist das de facto eine Rentenkürzung. Die Menschen bräuchten eine gesetzliche Rente, von der sie leben könnten. Das deutsche System sei gut aufgestellt und es gebe keine Kostenexplosion: „Das müssen wir uns leisten.“
Marc Biadacz, sozialpolitischer Sprecher der Unionsfraktion, muss zwischen den Positionen vermitteln. Er steht hinter dem Rentenpaket, aber das letzte Wort hätten natürlich die Parlamentarier. Nach der Anhörung gehen die Leute mit neuen Ideen in die Diskussion und dann ist es ein wichtiger Punkt, Kompromisslinien zu finden. Und am Ende wird auch bald die Rentenkommission eingerichtet. „Sie sollten ein größeres Bild zeichnen.“
Junge Union macht Druck
Wird das für die Jungs in der Union reichen? Die Junge Union beschäftigt sich derzeit mit dem Thema Rente und fordert ein „Update für die Sozialversicherungssysteme“. Der zentrale Vorschlag für den Deutschlandtag der Jungen Union Mitte November enthält zehn Maßnahmen, darunter: das Renteneintrittsalter an die Lebenserwartung und die Rente an die Inflation zu koppeln, den Nachhaltigkeitsfaktor wieder in den Vordergrund zu rücken oder höhere Abzüge von denjenigen zu fordern, die früher in Rente gehen wollen.
Für die jungen CDU/CSU-Vertreter geht es nicht nur um die Zukunft des Generationenvertrages, sondern auch um die Zukunft ihrer Glaubwürdigkeit. Mit der heutigen Anhörung rückt die Adoption näher. Gut möglich, dass am Ende der Koalitionsausschuss über die Details entscheiden muss, bevor die Debatte über das Rentenpaket im Bundestag zu Ende geht.
