EU-Abgeordnete Carola Rackete stimmt für Taurus-Lieferungen in die Ukraine. Beim Bundesparteitag könnte die Debatte in der Linkspartei neu entfacht werden.
Straßburg – Wer hätte das gedacht: Olaf Scholz bleibt derzeit bei seinem strikten Taurus-Nein, doch ein Linken-Abgeordneter stimmte für die Waffenlieferungen. Im EU-Parlament unterstützte die EU-Politikerin und Aktivistin Kapitän Carola Rackete eine Resolution, die den Rückgang der Militärhilfe für die Ukraine bedauert und schnellere Lieferungen fordert, unter anderem von Taurus-Marschflugkörpern.
Waffenfreigabe für Angriffe auf Russland: Carola Rackete (links) trägt Taurus-Lieferung
Der mit 425 Stimmen angenommene Gesetzentwurf fordert zudem die Aufhebung der Beschränkungen für den Einsatz westlicher Waffen auf russischem Territorium. Von den beiden anderen deutschen Linkspartei-Abgeordneten stimmte nur Özlem Demirel gegen den Beschluss zur Taurus-Lieferung. Der EU-Spitzenkandidat der Linkspartei, Martin Schirdewan, enthielt sich der Stimme.
Für die EU-Mitgliedsstaaten ist der Beschluss zwar nicht bindend. Er zeigte aber einmal mehr, dass die Linke Gesprächsbedarf hat, wenn sie die derzeit eher utopische Fünf-Prozent-Hürde zur Bundestagswahl 2025 knacken will. Aktuell liegt die Linke in Umfragen zwischen zwei und vier Prozent. Das dürfte auch an dem Bild einer gespaltenen Partei liegen, das sich trotz der Abspaltung des BSW hartnäckig hält.
Waffenlieferungen an die Ukraine: Linke steht vor Streit wegen Taurus-Frage
Die Ostwahlen in Sachsen, Thüringen und nun am 22. September in Brandenburg haben gezeigt, dass Friedenspolitik auch auf Landesebene ein entscheidendes Thema ist. Wahrscheinlich wird dies auch auf Bundesebene eine Rolle spielen, wo außenpolitische Entscheidungen getroffen werden. Dass die Linke überzeugen kann, wenn ihr Wahlprogramm ähnliche Lücken aufweist wie ihr EU-Wahlprogramm, ist unwahrscheinlich. Zwar hat sich die Partei bei der EU-Wahl gegen Aufrüstung und für Zivilschutz ausgesprochen, Waffenlieferungen an die Ukraine hat sie aber nicht explizit abgelehnt.
Linkspartei hat vor Bundesparteitag viel zu sagen: Parteivorstand will nach vorn blicken
Auch über die Nominierung von Rackete, einer Parlamentsneulingin, die nicht Mitglied der Linkspartei ist, wird die Partei nachdenken müssen. Nach dem desaströsen EU-Wahlergebnis, das bereits Sorgen um fünf Prozent bei der Bundestagswahl 2025 aufkommen ließ, gab es Kritik. „Die Partei kannte sie nicht und sie kannte unsere Partei nicht“, sagte die Linkspartei-Politikerin Gesine Lötzsch laut der Spiegel über Rackete. Ein Faktencheck von Korrektur Sie gab außerdem an, dass ihr Vater, Ekkehart Rackete, als Berater in einem Rüstungsunternehmen arbeitet, das Schutzpanzer herstellt – ein Hintergrund, der bei der Nominierung möglicherweise unterschätzt wurde.
Wenn die Linkspartei im Oktober zu ihrem Bundesparteitag zusammenkommt, könnte das Ergebnis über die Zukunft der Partei entscheiden. Dort werden unter anderem neue Parteivorsitzende gewählt, nachdem Martin Schirdewan und Janine Wissler kurz vor den Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen ihren Rücktritt erklärt hatten. Laut der möglichen Nachfolgerin Ines Schwerdtner müsse die Linkspartei allerdings auch ihren „Markenkern“ neu entdecken.
Im Leitantrag spricht der Parteivorstand von einer „Gesprächsoffensive“, mit der das Vertrauen der Bevölkerung zurückgewonnen werden soll. Mit „konzeptionellen Weiterentwicklungen“ sollen zudem die Positionen der Partei für die Bundestagswahl 2025 erarbeitet werden. „Unser Ziel ist es, zur Bundestagswahl 2025 mit einer Fraktionsstärke in den Bundestag zurückzukehren“, heißt es in dem Antrag. (lisma)