Baseballschläger, Drogendelikte, Körperverletzung
Erneut Angriffe auf Politiker – Innenminister beraten über Verschärfung des Strafrechts
In Berlin wurde SPD-Wirtschaftssenatorin Franziska Giffey von einem Mann an Kopf und Hals verletzt. In Dresden wurde ein Grünen-Politiker bedroht und angespuckt. Zuvor hatten sich die deutschen Innenminister auf einer Sondersitzung für eine Verschärfung des Strafrechts ausgesprochen.
Nach dem Anschlag auf einen SPD-Politiker in Dresden mehren sich die Hinweise auf eine rechtsextreme Gesinnung der Angreifer. Bei den Durchsuchungen und im Internet fanden die Beamten mehrere eindeutige Hinweise. Was ist jetzt bekannt.
BErmittler haben bei einem Verdächtigen des Angriffs auf den SPD-Europapolitiker Matthias Ecke einen Baseballschläger mit rechtsextremen Aufschriften gefunden. Das erfuhr WELT von Ermittlern. In der Wohnung fanden die Beamten außerdem rechtsextreme Bücher und Propagandaliteratur.
Am Freitagabend wurde der SPD-Europapolitiker Matthias Ecke beim Aufhängen von Wahlkampfplakaten niedergeschlagen. Der Anschlag löste bundesweit Entsetzen aus – und löste eine Debatte über die Eskalation der Gewalt im Wahlkampf aus.
Nach dem Angriff identifizierte die Polizei schnell vier Tatverdächtige im Alter von 17 und 18 Jahren: die Brüder Leander und Quentin H., Luca S. und Quentin J. Nach Informationen von WELT stammen alle vier Tatverdächtigen aus wohlhabenden und bürgerlichen Verhältnissen. Quentin J. stellte sich im Beisein seiner Mutter der Polizei.
Die Tatverdächtigen sind derzeit auf freiem Fuß, da den Angaben zufolge keine Gründe für ihre Festnahme vorlagen. Nach Angaben aus Sicherheitskreisen sind zwei der zuletzt ermittelten Tatverdächtigen wegen Drogendelikten und Körperverletzung aktenkundig. Sie sollen auch Mitglieder der in diesem Jahr gegründeten rechtsextremen „Elblandrevolte“ sein, einer Nachfolgeorganisation der JN (Junge Nationalisten), der Jugendorganisation der NPD, die sich inzwischen in „Die Heimat“ umbenannt hat.
Auf Social-Media-Profilen finden sich Hinweise darauf, dass den Jugendlichen die Codes der rechten Szene nicht fremd sind. In einem Profil von Quentin J. war ein Benutzername mit der Nummer 88 aufgeführt, der am Montag gelöscht wurde. Eine unter Neonazis bekannte Chiffre für „Heil Hitler“. Das TikTok-Profil von Leander H. wurde offenbar von seinen eigenen Inhalten bereinigt. Allerdings sind Videos, die H. „geliked“ hat, weiterhin sichtbar. Neben zahlreichen harmlosen Videos sind darunter auch einige Videos mit nationalistischem und prorussischem Inhalt.
Fotos im Internet sollen mehrere der Jugendlichen bei einem Aufmarsch der rechtsextremen Szene am 1. Mai in Dresden zeigen. Dort hatten unter anderem die „Freien Sachsen“ mobilisiert. Die vom Verfassungsschutz als rechtsextremistisch eingestufte Partei verurteilte den Angriff auf den SPD-Politiker Ecke nicht. Im Gegenteil: Michael Brück, eine führende Persönlichkeit der „Freien Sachsen“, schrieb: Die Angreifer hätten „den Hass auf die Regierung und die Blockparteien“ selbst herbeigeführt. Er appelliert an seine Kollegen, am „politischen Kurs“ festzuhalten. Man dürfe „keinen Millimeter zurückweichen“.
Nach Angaben der Bundesregierung waren AfD-Politiker im vergangenen Jahr in 86 Fällen Ziel von Gewaltverbrechen. In 62 Fällen waren Mitglieder der Grünen betroffen. 35 Gewaltdelikte richteten sich gegen SPD-Politiker. In 20 Fällen waren linke Politiker betroffen, in zehn Fällen handelte es sich bei den Opfern um FDP-Mitglieder. Den Angaben zufolge kam es zu 19 Gewaltdelikten gegen CDU-Politiker. In zwei Fällen kam es zu Angriffen auf CSU-Mitglieder.
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