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Analyse von Paul Ronzheimer zum Regierungschaos: Die ersten CDU-Politiker reden jetzt über das Undenkbare | Politik

Machen wir uns nichts vor: Die schwarz-rote Regierung ist erst seit 181 Tagen im Amt, befindet sich aber bereits in einer entscheidenden Phase, in der abzuwarten ist, ob sie nicht vorzeitig zusammenbrechen könnte.

Egal wo man hinschaut, egal mit welchen Politikern man spricht, es gibt gegenseitige Schuldzuweisungen, offene Auseinandersetzungen, mangelnde Strategie, katastrophale Kommunikation – und das Schlimmste: völlige Planlosigkeit.

Die Debatte um den deutschen Außenminister Johann Wadephul und seine Äußerungen zu Syrien macht deutlich, dass die Grenzen nicht mehr nur dazwischen liegen Union Und SPD Hau ab.

Bei der Union hat sich in den letzten 48 Stunden ein so eklatanter Mangel an Kommunikation gezeigt, dass man sich fragt, wer dort eigentlich regiert, wie mit wem und warum.

▶︎ Am Sonntag verteidigte der Regierungssprecher Wadephul für seine Äußerungen zu Syrien, während aus der Fraktion massive Kritik kam. Am Montag wurde Wadephul in der CDU-Zentrale angegriffen. Am Abend reagierte die Kanzlerin schließlich und wandte sich plötzlich gegen ihren eigenen Minister.

▶︎ Am Dienstag verteidigt Friedrich Merz wiederum seinen Minister gegen Kritik in der Fraktion, woraufhin er behauptete, Syrien sehe 1945 schlimmer aus als Deutschland und sich mit Verweis auf das Kreuz im Fraktionssaal als christliche Stimme unter seinen Kollegen proklamierte.

Die Reaktion auf Wadephuls Auftritt: Schock in den eigenen Reihen.

Und während der Kanzler derzeit sicherheitshalber bei Wadephul bleiben will, wird intern bereits darauf hingewiesen, dass Wadephul nie die Nummer 1 des Kanzlers war, sondern dass er David McAllister wollte. Wie wird sich Wadephul von diesen Debatten erholen?

Teile der Fraktion wollen eine Alternative zur SPD

Während es der Union in erster Linie um den eigenen Minister geht, wird nahezu ausgeblendet, wie massiv die Angriffe auf die SPD sind. Parteichef Spahn sagt: „Wir werden mit ihnen nicht untergehen.“ Und der Kanzler verspricht seinen eigenen Leuten: „Wir werden jetzt Klartext zur SPD sprechen.“

Unionsfraktionschef Jens Spahn (45) und Kanzleramtschef Thorsten Frei (52, beide CDU)

Foto: Niklas Graeber/dpa

Der Fokus liegt bereits auf dem Koalitionsausschuss am 13. November: Wenn dort keine entscheidenden Reformen und Maßnahmen erreicht werden können, dann müssen wir über das bisher Undenkbare reden, sagen einige in der Union.

Was bedeutet das? Das bleibt unklar. Doch Teile der Gruppe wollen über Alternativen reden, etwa eine Minderheitsregierung. Doch dem konnte der Kanzler angesichts seines Wallarguments zur AfD kaum zustimmen.

Die SPD: Fassungslos und frei von Selbstkritik

Bei der SPD blickt man mit einer Mischung aus Fassungslosigkeit und völliger Selbstkritiklosigkeit auf das, was gerade passiert. Es wird darauf hingewiesen, dass das Problem der Regierung vor allem das Chaos in der Union sei. Auch der SPD will man sich mangelnde Reformbereitschaft nicht vorwerfen lassen. Es ist offensichtlich, dass bei den Sozialdemokraten längst ein Führungsstreit entbrannt ist und Vizekanzler Lars Klingbeil von seinen teilweise sehr linken Parteikollegen massiv unter Druck gesetzt wird. Eine stellvertretende Fraktionsvorsitzende, die wie in der Stadtbilddiskussion gegen die eigene Kanzlerin auf die Straße geht, könnte nicht passieren, wenn die Vizekanzlerin unumstritten wäre.

Auch wenn Spitzenvertreter sowohl der Union als auch der SPD seit Beginn der Koalition mantramäßig beteuern, dass es zu dieser Koalition keine Alternative gebe und wir allein aufgrund der Stärke der AfD zusammenhalten müssten, ist es in diesen Tagen klar: Die Zeit des „Neuanfangs“, der „Diskussion“ und des „Grillens“, die Einigkeit demonstrieren sollten, ist vorbei. Es geht jetzt um alles.

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