Olaf Scholz ist seit mehr als fünf Monaten Mitglied des Bundestags und hält sich dort bedeckt: keine Rede, keine Wortmeldungen. Doch abseits der Öffentlichkeit trifft er sich weiterhin mit internationalen Spitzenpolitikern.
Olaf Scholz ist seit 161 Tagen nicht mehr Bundeskanzler. Während sein Nachfolger Friedrich Merz von Gipfel zu Gipfel jettet, ist es um Scholz merklich still geworden.
Der frühere Regierungschef wurde am 5. Mai mit einem Tattoo im Bendlerblock verabschiedet. Seitdem sitzt er als ordentlicher Abgeordneter im Bundestag – als einziger direkt gewählter SPD-Abgeordneter in Ostdeutschland, in seinem Wahlkreis Potsdam – Potsdam-Mittelmark II – Teltow-Fläming II.
Im Parlament wirkt Scholz derzeit eher zurückhaltend: Er sitzt nach Informationen von „Politico“ in keinem Ausschuss, er spricht selten in Fraktionssitzungen und hat in dieser Legislaturperiode noch keine Rede gehalten. Im Plenum ist er meist auf den hinteren Bänken zu finden.
Doch heute ist der Altkanzler zurück. Olaf Scholz in Potsdam, beim Studierendenforum Studopolis. Um 18:30 Uhr gibt es ein Meet and Greet im Thalia-Kino, anschließend um 19 Uhr eine 90-minütige Fragerunde mit rund 230 Gästen. Anschließend nimmt sich Scholz eine halbe Stunde Zeit für ein Podcast-Interview – über zweieinhalb Stunden Austausch, ganz ohne Kanzlerprotokoll.
Es ist sein erstes großes Interview seit seinem Ausscheiden aus dem Amt und ein ungewöhnliches Comeback – und doch nicht. Kürzlich besuchte Scholz eine Jubiläums-Kita und davor eine Herde Wasserbüffel, wo er gut gelaunt Streicheleinheiten austeilte.
Gleichzeitig gibt es den anderen Scholz – den, der offenbar noch nicht ganz losgelassen hat. Nach Informationen von „Politico“ trifft er sich immer wieder hinter verschlossenen Türen mit internationalen Spitzenpolitikern. Er traf sich mit dem ehemaligen britischen Premierminister Rishi Sunak und NATO-Generalsekretär Mark Rutte und telefonierte mit der dänischen Premierministerin Mette Frederiksen.
Auch auf Instagram meldet er sich regelmäßig zu Wort, mit Videos, die fast so wirken, als wäre er noch Kanzler. Vor ein paar Wochen veröffentlichte er einen Clip über die Verletzungen des Nato-Luftraums, in dem er wie zu seiner Zeit als Regierungschef sprach. Er lobte „seinen“ Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) für seine besonnene Reaktion, die er auch als Bundeskanzler nicht besser hätte machen können.
Inhaltlich ist Scholz weiterhin auf der Suche nach seiner neuen Rolle. Das Thema Rente beschäftige ihn derzeit besonders, heißt es. Auch seinen Fraktionskollegen steht er jederzeit mit Rat und Tat zur Seite – wenn er gefragt wird. Er will sein Mandat behalten und schließt einen Posten im Aufsichtsrat aus.
Pauline von Pezold ist Reporterin für den Newsletter „Playbook“ von „Politico“ Deutschland. Das „Playbook“ finden Sie bei „Politico“ Deutschland Hier.
Jasper Bennink ist ehrenamtlicher Mitarbeiter bei „Politico“ Europa.