
Im Alter von zwölf Jahren stand Lucas Scupin für „Schloss Einstein“ erstmals vor der Kamera. Jetzt ist er Anwalt. Im Interview erklärt er, wie ihn die Zeit in der beliebten KiKa-Serie geprägt hat und wie er heute davon profitiert.
LTO: „Alles ist, alles ist relativ normal“ – jetzt läuft die 28. Staffel von „Schloss Einstein“; Insgesamt wurden bisher über 1.104 Episoden produziert. Sie haben dort drei Jahre lang Felix Kindermann gespielt, einen Hauptdarsteller der sechsten Generation. Wie bist du dazu gekommen?
Lucas Constantin Scupin: Durch Zufall. Ich hatte bereits in einigen Theaterstücken am Potsdamer Hans-Otto-Theater mitgewirkt und einmal einen Werbefilm für meine Heimatmannschaft Hertha BSC gedreht. Deshalb wusste ich, dass es mir gefällt, auf der Bühne zu stehen. Und lustigerweise ist das gelbe Haus, in dem sich die beliebte Eisdiele in der Nähe von Schloss Einstein befindet, nur etwa 100 Meter vom Haus meiner Eltern entfernt.
Bei allen Drehs war die Zufahrtsstraße zu meinen Eltern zugeparkt, es gab diverse Trolleys für Verpflegung, Schminke, Garderobe usw. Ich habe oft zugeschaut und fand es spannend, wie viel Aufwand so ein Dreh erfordert, auch wenn es sich nicht um eine Hollywood-Produktion, sondern um eine Sendung auf dem Kinderkanal handelt. Dann bemerkte ich, dass auf Schloss Einstein Castings für den Nachwuchs geplant waren – und überzeugte meine Eltern, dass ich dorthin gehen sollte. Ich hätte nicht gedacht, dass es wirklich funktionieren würde, aber ich war noch glücklicher.
„Konnte nicht zu jedem Geburtstag gehen“
Sie waren zwölf Jahre alt, als Sie für „Schloss Einstein“ zum ersten Mal vor der Kamera standen, und hatten erst zwei Jahre zuvor Ihr Abitur begonnen. Andere Kinder machen nach der Schule Hausaufgaben oder treffen sich mit Freunden. Du hast stattdessen Episoden gedreht?
Ich habe mir von Anfang an gesagt, dass ich weder meine Hobbys noch meine Freunde vernachlässigen möchte. Ich habe damals auch Geige gespielt und war im Schulorchester. Natürlich konnte ich nicht zu jedem Geburtstag gehen, aber ich habe nicht alles abgesagt.
Damit wir „Schauspieler“ die Schule nicht vernachlässigen, gab es von Seiten der Produktionsfirma bestimmte Vorgaben. In unseren Verträgen war festgelegt, dass sich unsere Noten in den Hauptfächern nur leicht verschlechtern durften, sonst hätten wir nicht mehr spielen dürfen. Bei den Shootings war immer ein Kinder- und Jugendpsychologe vor Ort, nicht für Krisensituationen, sondern er hat dafür gesorgt, dass es uns gut geht und uns nicht alles zu viel wird. Wir hatten auch einen Raum, in dem wir Hausaufgaben machen konnten.
„Manchmal haben wir bis kurz vor 22 Uhr gedreht“
Aber das klingt für einen Zwölfjährigen immer noch nach vollem Programm. Wie haben Sie alles geschafft?
Es waren oft lange Tage, aber ich brauchte nie viel Schlaf und war trotzdem sehr energiegeladen. „Einstein Castle“ lief einmal pro Woche, das heißt, es gab vier Folgen im Monat. Je nachdem, wie wichtig meine Rolle für jede Episode war, hatte ich unterschiedlich viele Drehtage – manchmal zwei Tage im Monat, manchmal sieben oder acht. Ich bin in Berlin-Tiergarten zur Schule gegangen.
Morgens stand ich um sechs Uhr auf, nahm um sieben Uhr den Bus und um 8:15 Uhr begann die Schule. Manchmal hatte ich bis 16 Uhr Unterricht und wurde dann von der Produktionsfirma abgeholt. Manchmal war ich nach zwei Stunden fertig, aber manchmal haben wir bis kurz vor 22 Uhr gedreht. In den Ferien haben wir manchmal mehrere Tage hintereinander gedreht. Aber es hat immer sehr viel Spaß gemacht.
Wollten Sie jemals Schauspieler werden?
Nein, eigentlich nie. Ich habe auf Schloss Einstein nicht mit dem Ziel angefangen, eine Schauspielkarriere anzustreben. Robert Schlupp beispielsweise spielte früher im Schloss Einstein, heute kennen wir ihn aus seiner Rolle als Kriminalhauptkommissar Krüger im Dortmunder Tatort. Als meine Zeit auf Schloss Einstein zu Ende ging, weil die nächste Studentengeneration an der Reihe war, fragte mich die Produktionsfirma auch, ob sie ein Demoband aus der Zeit zusammenstellen sollte, das für Schauspielagenturen benötigt wird. Aber das wollte ich nicht. Ich hatte viel Spaß, aber das hat mir gereicht. Ich glaube auch nicht, dass ich der talentierteste Schauspieler bin.
„Ich habe darüber nachgedacht, in Lausanne eine Hotelfachschule zu besuchen“
Stattdessen haben Sie Jura studiert. Wie kommts?
In der Schule war ich immer gut in allem, was mit Sprache zu tun hatte. Außerdem mochte ich Fremdsprachen und wollte etwas mit Menschen unternehmen. Eigentlich habe ich darüber nachgedacht, in Lausanne eine Hotelfachschule zu besuchen. Während meines Studiums habe ich viel in der Gastronomie und auf Messen gearbeitet und mich auch für internationale Dinge interessiert. Mir war aber wichtig, dass ich mich nicht darauf festlege, 40 Jahre lang einen bestimmten Job machen zu müssen. Und schließlich kann man mit Jura „alles“ machen: Ich kenne nicht viele Berufe, in denen man so unterschiedliche Wege einschlagen kann – auch nach zehn oder 20 Jahren im Beruf.
„Meine Oma hat immer gesagt, ich wäre ein guter Strafrichter“
Sie sind mittlerweile Rechtsanwalt und seit gut drei Jahren Associate im Bereich Litigation bei RSM Ebner Stolz in Stuttgart.
Ja. Ich hatte während meines Studiums verschiedene Phasen. Am Anfang dachte ich, ich wollte so schnell wie möglich fertig werden, meine kostenlose Chance bekommen, direkt nach dem zweiten Examen promovieren und dann in einer großen Anwaltskanzlei viel Geld verdienen. Aber meine Großmutter hat mir immer gesagt, dass ich ein guter Strafrichter sein würde. Da ich immer ein gutes Verhältnis zu ihr hatte, fand ich diese Idee zunächst gut. Nach ein paar Jahren war das vorbei und ich wusste schon vor meiner Referendarzeit, dass ich in den Anwaltsberuf gehen wollte.
Nach der ersten Prüfung arbeitete ich neun Monate lang hauptberuflich als wissenschaftlicher Mitarbeiter bei einer internationalen Großkanzlei in Frankfurt im Bereich Streitbeilegung. Da ich mich auch für IP/IT-Recht interessiere, habe ich auch dort gearbeitet. Im Rahmen meines Referendariats war ich dann nebenberuflich tätig und war anschließend auch im Streitbeilegungsteam beider Anwaltsstellen tätig. Das war spannend, weil ich so einige großvolumige Projekte über den gesamten Zeitraum verfolgen konnte.
Wie haben Sie sich zu Beginn Ihrer Karriere gegen den Einstieg in eine Großkanzlei entschieden?
Ich wollte schon früh viel eigenverantwortlich arbeiten und nicht jahrelang zehn oder zwölf Stunden am Tag am Schreibtisch sitzen und Dokumente schreiben, die mein Partner am Ende des Tages dann unterschreiben würde. Natürlich ist das nicht in jeder großen Anwaltskanzlei so, aber diese Stellenbeschreibung hat mich abgeschreckt. Deshalb habe ich mich bewusst nach einer Kanzlei gesucht, bei der mir schon früh viel Verantwortung übertragen wird und ich viel lernen kann – und bei RSM Ebner Stolz habe ich genau das gefunden.
Es macht mir Spaß, Schriftsätze zu schreiben, aber ich genieße es auch, vor Gericht zu stehen. Ich habe im August 2022 bei RSM Ebner Stolz angefangen. Aufgrund der Corona-Pandemie musste ich bis Mitte September auf meine Zulassung als Rechtsanwalt warten. In der ersten Oktoberwoche war ich alleiniger Vertreter unseres Mandanten in einer mündlichen Verhandlung vor dem Landgericht.
„Ich beschäftige mich mit klassischem Recht, aber auch mit viel Strategie“
Was gefällt Ihnen an Ihrem Job am besten?
Am besten gefällt mir, dass ich einerseits klassisches Recht, viel Zivilrecht und vor allem Zivilprozessrecht betreibe. Andererseits ist die Strategie entscheidend. Prozessführung bedeutet nicht immer, Klagen zu führen und zu gewinnen. Manchmal kann es sinnvoll sein, einen Rechtsstreit zu vermeiden. Auch der „forensische“ Teil der Arbeit gefällt mir sehr gut. Sie gewinnen nicht nur mit den besten juristischen Argumenten, sondern auch mit der besseren Darstellung des Sachverhalts und den besseren Beweisen.
Und – das ist eine Besonderheit des Verfahrensrechts – ich finde es spannend, dass wir Einblicke in die unterschiedlichsten Branchen haben, etwa in die Pharma-, Chemie- oder Automobilbranche. Wir lernen aber auch die unterschiedlichsten Geschäftsmodelle und Unternehmen kennen. Es gibt Familienunternehmen mit 20 Mitarbeitern und 10 Familienmitgliedern, aber auch solche mit Milliardenumsätzen.
Darüber hinaus habe ich bei RSM Ebner Stolz die Möglichkeit, abseits meines eigentlichen Jobs spannende Veranstaltungen zu besuchen und mitzugestalten, mich fachlich und persönlich weiterzubilden und beispielsweise in meiner Rolle als „Corporate Influencer“ die Sichtbarkeit der Kanzlei – und meiner eigenen – zu erhöhen.
„Meine Zeit auf Schloss Einstein hat mir gute Zeitmanagementfähigkeiten vermittelt“
Ihre Zeit auf Schloss Einstein ist schon lange her, aber gibt es etwas, das Sie aus dieser Zeit für Ihr Berufsleben mitnehmen werden?
Ich würde zwischen zwei Bereichen unterscheiden. Dabei geht es zum einen um messbare Faktoren wie Struktur, Organisationsfähigkeit und Zeitmanagement, zum anderen um die Persönlichkeitsentwicklung. Natürlich haben meine Eltern auch nachgefragt, aber ich musste immer selbst darüber nachdenken, was ich wann am besten mache und welche Hausaufgaben ich im Bus zur Schule oder auf dem Weg ins Studio machen kann.
Von einem guten Zeitmanagement profitiert man in jedem Beruf, besonders hilfreich ist es jedoch bei Rechtsstreitigkeiten. Rechtsstreitigkeiten gelten in Wirtschaftskanzleien als vorhersehbarer als andere Bereiche. Die Gerichte legen Fristen fest, die jedoch in der Regel nicht morgen oder übermorgen enden. Wenn ein Termin in ferner Zukunft liegt, besteht natürlich die Versuchung, ihn in ferner Zukunft in Angriff zu nehmen. Wenn Sie jedoch über die nötigen Kapazitäten verfügen, kann es hilfreich sein, eine Aufgabe frühzeitig zu erledigen, anstatt sie aufzuschieben. Selbstverständlich gibt es auch im Prozessrecht kurzfristige Mandantenanliegen, die einer sofortigen Bearbeitung bedürfen. Aber es hilft, wenn Sie den Überblick über Ihre anderen – auch längerfristigen – To-Dos haben.
„In der Schule war ich der ‚bunte Hund‘, den alle Schüler kannten“
Und wie hat die Zeit auf Schloss Einstein Sie persönlich geprägt?
Die Zeit war sehr intensiv. An meinem Gymnasium mit 800 anderen Schülern gab es auch andere, die bei Film- oder Fernsehproduktionen mitwirkten, zum Beispiel bei „Wilde Hühner“. Aber ich war immer noch der bunte Hund, den auch meine Klassenkameraden aus den anderen Jahrgängen kannten. Das ist einerseits schön, führt andererseits aber auch zu Neid.
Und jeden Tag, wenn ich mit Bus oder Bahn zur Schule stieg, sang jemand das Schloss-Einstein-Titellied „Alles ist relativ“ und machte sich über mich lustig. Durch diese Zeit habe ich gelernt, dass es nicht schlecht ist, anders zu sein und aufzufallen, und auch damit umzugehen, wenn jemand mich nicht mag oder nicht mag, was ich tue. Davon profitiere ich immer noch in meinem Job: Ich vertrete in einem Prozess die Interessen einer Partei und natürlich widerspricht die andere Seite.
Vielen Dank für das Gespräch!
Lucas Scupin ist seit August 2022 Rechtsanwalt in der Prozessabteilung bei RSM Ebner Stolz. Mit zwölf Jahren stand er erstmals vor der Kamera. In „Schloss Einstein“ spielte er drei Jahre lang die Rolle des Felix Kindermann, eines Schülers der sechsten Generation. Er trat in den Folgen 285 bis 426 auf.