Wie soll man mit Alzheimer leben?
Ihr Mann Jörg Mahlberg sagt, dass man ihr nicht ansieht, dass sie krank ist. Da er zum Zeitpunkt der Diagnose noch unter 65 Jahre alt war, gehörte seine Frau zu den knapp sechs Prozent der von Alzheimer betroffenen jungen Menschen in Deutschland – rund 106.000 Menschen. Nach Angaben der Deutschen Alzheimer-Gesellschaft werden sie erst in den letzten Jahren zunehmend wahrgenommen. Auch für sie gibt es kaum Hilfsangebote.
Das spürte auch das Paar. Nach einer „Odyssee zu Ärzten und Neurologen im Vogtland und Dresden“, bei der Jörg Mahlberg einen Aktenordner voller Befunde sammelte, wurde 2019 Demenz bestätigt. „Zuerst war ich am Boden zerstört“, gesteht der heute 67-jährige Ehemann.
Der promovierte Physiker erinnert sich, dass er sofort die Deutsche Alzheimer-Gesellschaft anrief, weil er sich so hilflos fühlte und nicht wusste, wie er etwas tun sollte. Anschließend ging das Paar gemeinsam auf die Suche nach Antworten auf die Frage: „Was können wir tun, damit wir ein gutes Leben führen können?“ Neben Informationen zu Medikamenten, Ratschlägen von Fachgesellschaften und Gesprächen mit Ärzten engagieren sie sich in der Selbsthilfegruppe Demenz bei jüngeren Menschen in Pöhl.
So viel wie möglich pflegen und trainieren
Sie haben ein eigenes Programm zusammengestellt mit dem Ziel, „alles zu tun, was die vorhandenen geistigen und körperlichen Fähigkeiten erhält“, erklärt Jörg Mahlberg. Denn: „Wir hoffen nicht auf Medikamente. Sie heilen die Krankheit nicht. Sie helfen nur im Anfangsstadium.“ Irene Schaarschmidt legt sich jeden Tag ein Alzheimer-Pflaster auf die Schulter. Das Pflaster soll einen kontinuierlichen Medikamentenspiegel im Blut sicherstellen und den Rückgang der geistigen Leistungsfähigkeit verlangsamen.
Ansonsten ist das Paar auf nichtmedikamentöse Therapien angewiesen. Sie fährt regelmäßig Fahrrad, geht zum Zirkeltraining ins Fitnessstudio, schwimmt und arbeitet im Garten. Auch die Katzendame Mira verlangt nach Streicheleinheiten.
Irene Schaarschmidt geht zur Logopädie, weil ihre Wortfindungsschwierigkeiten immer größer werden, und schreibt Dinge sofort auf Notizzettel. Die 70-Jährige hat sich damit abgefunden und sagt sich: „Das Leben ist so, dass ich sage: Man kann nicht anders. Man muss Dinge aufschreiben und das Leben genießen, solange es noch da ist.“
Ihr Mann fährt fort: „Wir üben auch banale Dinge wie Tischtennis spielen oder das Einfädeln einer Nadel.“ Und abends sitzen beide am Laptop und schreiben punktgenau ein Tagebuch darüber, was seit dem Morgen passiert ist. Sie führen außerdem einen gemeinsamen Online-Kalender, in dem sie nachschauen können, was ansteht.
Das Leben ist so, dass ich sage: Du kannst nicht anders. Man muss Dinge aufschreiben und das Leben genießen, solange es noch da ist.
Auch Ehrlichkeit und Selbstkritik gehören dazu
Seine Frau ist nicht mit allem einverstanden. Zum Beispiel mit der Ergotherapie zweimal pro Woche. „Mit dem Basteln ist es manchmal wie in einem Kindergarten“, sagt sie. Er widerspricht leise: „Es geht auch um die Gespräche und sozialen Kontakte.“ Deshalb gehe er mit ihr zum Tanztreffen, „auch wenn es nicht mein Favorit ist. Ich gehe einfach mit ihr.“
Für Jörg Mahlberg sind Kontakte zu anderen besonders wichtig, da er aus der Angehörigen-Selbsthilfegruppe weiß, wie Alzheimer-Kranke und ihre Familien leiden, wenn sich Freunde oder Bekannte zurückziehen. „Wenn Menschen mit Demenz alleine leben, haben sie Angst, etwas Falsches zu sagen und versuchen, sich anzupassen. Sie sagen ja, nein und das war’s“, sagt Jörg Mahlberg. Er schaut seine Frau an, die neben ihm auf dem Sofa sitzt: „Irenchen, ich will nicht, dass du einsam wirst.“ Möglicherweise bin ich auch ein Gegenstück in meiner Dirigentenrolle.“
