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„Alles wird teurer“: Die russische Exklave Kaliningrad leidet unter wirtschaftlicher Isolation

„Alles ist teurer“Die russische Exklave Kaliningrad leidet unter wirtschaftlicher Isolation

Die Exklave ist für Russland von enormer strategischer Bedeutung. (Foto: AFP)

Die russische Enklave Kaliningrad liegt zwischen Litauen und Polen – ohne Landweg nach Russland. Der heimische Treibstoff ist knapp und die wirtschaftliche Lage schlecht. Doch die Propaganda aus Moskau wirkt offenbar weiterhin auf die Bewohner.

Von der EU abgeschottet und von Russland abgeschnitten: In der russischen Ostsee-Exklave Kaliningrad sind die Folgen von Moskaus Krieg in der Ukraine trotz der Distanz zur Front deutlich zu spüren. Benzin ist knapp, viele Geschäfte sind geschlossen, alles ist teurer geworden. Dennoch unterstützen viele Einwohner den russischen Kremlchef Wladimir Putin bedingungslos. Seine Stadt sei „sicherlich keine Stadt, die kapituliert“, sagt Fabrikarbeiter Alexander trotzig.

Der 25-Jährige spricht im verregneten Stadtzentrum von Kaliningrad. Er ist stolz darauf, dass Russland weit mehr Waffen hat als seine kleineren westlichen Nachbarn: Polen und Litauen wollen einfach nur „protzen, ihre Stärke demonstrieren und ihre Grenzen stärken“, sagt Alexander.

Kaliningrad, die ehemalige ostpreußische Stadt Königsberg, wurde in den letzten Monaten des Zweiten Weltkriegs von der Roten Armee erobert und der Sowjetunion zugeteilt. Der Geburtsort des deutschen Philosophen Immanuel Kant gehört heute zu Russland. Seit dem Zusammenbruch der Sowjetunion liegt sie isoliert zwischen Polen und Litauen – zwei Ländern, die der EU und der NATO angehören und zu den wichtigsten Unterstützern der Ukraine zählen.

Große militärische Bedeutung

Vilnius meldete kürzlich Verletzungen des litauischen Luftraums durch russische Kampfflugzeuge, und über Polen wurden Drohnen gesichtet. Anschließend starteten Kampfflugzeuge in dem Land an der Ostflanke der Nato, das im Osten an die Ukraine grenzt. Polens Präsident Karol Nawrocki warf Russland vor, „auch andere Länder“ angreifen zu wollen.

Das tausend Kilometer von Moskau entfernte Kaliningrad hat keine direkte Landverbindung zu Russland, ist aber für Moskau von großer strategischer und militärischer Bedeutung. In der Exklave befindet sich der Stützpunkt der russischen Ostseeflotte, und Moskau hat dort nach eigenen Angaben unter anderem atomwaffenfähige Iskander-Raketen stationiert, die Moskau auch regelmäßig in der Ukraine einsetzt.

Die harte Linie des Kremls kommt bei vielen Menschen in Kaliningrad gut an. Marina, 63, meint, die EU-Nachbarn der Region sollten sich um ihre eigenen Angelegenheiten kümmern. „Lasst sie kläffen und bellen“, klagt die Verkäuferin. „Ich bin in Kaliningrad zu 100 Prozent geschützt. Ich habe keine Angst vor der NATO.“

Russische Kriegspropaganda im Stadtbild

Reiseleiterin Anna Dmitrik ist erleichtert, dass Kaliningrad – anders als andere russische Regionen – bisher von ukrainischen Drohnenangriffen verschont geblieben ist. „Hier ist es ruhig“, sagt sie, als sie russischen Touristen Kants Grab zeigt. „Wir haben im Moment keine Angst.“ Allerdings wisse sie nicht, „was als nächstes passieren wird“.

Denn das Schweigen ist trügerisch. Auch in Kaliningrad sind die Spuren des Krieges allgegenwärtig. Auf Plakaten werden Männer aufgefordert, sich freiwillig der „siegreichen Armee“ Russlands in der Ukraine anzuschließen. Auf zahlreichen Gebäuden prangt großformatig der Buchstabe „Z“, das Symbol der russischen Streitkräfte in der Ukraine.

Doch hinter der trotzigen Fassade der Kaliningrader herrscht oft das Gefühl, dass es ihnen schlechter geht als noch vor vier Jahren. Auf dem Weg nach Russland müssen Flugzeuge lange Umwege in Kauf nehmen, weil der EU-Luftraum wegen der Sanktionen gegen Russland für sie gesperrt ist. Auch die Zugverbindung nach Moskau ist praktisch unterbrochen, da Passagiere für die Durchreise durch Litauen ein Schengen-Visum benötigen.

Grenze nur offiziell geöffnet

Die Grenze zu Polen ist offiziell geöffnet, die Einreise ist jedoch nur Russen mit einer EU-Aufenthaltserlaubnis gestattet. Früher „konnte man zum Einkaufen nach Polen fahren oder einfach nur spazieren gehen“, sagt der 48-jährige Mechaniker Vitali Zyplyankov und trauert um die Zeiten, als noch Busse und Lastwagen hin und her fuhren. „Das Leben war damals besser“, sagt er.

Seit Beginn der Offensive in der Ukraine ist die Inflation in Russland stark gestiegen. Besonders betroffen ist die Sonderwirtschaftszone Kaliningrad, ein wichtiges Wirtschafts- und Handelszentrum. Bisher profitierte die Exklave vor allem von den beiden eisfreien Häfen Kaliningrad und Baltijsk und deren Straßen- und Schienenanbindung. Doch der Verkehr in die Exklave ist praktisch zum Erliegen gekommen. Auch die meisten Tankstellen in Grenznähe haben keinen Nachschub, einige sind sogar komplett geschlossen.

Auch das riesige Einkaufszentrum „Baltia“ auf dem Weg zum Flughafen hat schon bessere Tage gesehen. Das spürt auch die Verkäuferin Irina. „Die wirtschaftliche Lage in Kaliningrad ist sehr schlecht“, sagt sie und verweist auf die „komplizierte Logistik“. Produkte aus Russland gelangten nicht in die Stadt. Und wenn ja, dann „ist alles teurer“.

Quelle: ntv.de, lme/AFP

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