Analyse
Vor einem Jahr gewann Donald Trump die Wahl zum US-Präsidenten. Seitdem setzt er auf eine radikale Machtkonzentration und die Politisierung aller staatlichen Institutionen. Das Vertrauen in den Rechtsstaat ist am Tiefpunkt.
Alle Macht dem Weißen Haus – dieses Konzept hat Donald Trump ein Jahr nach der US-Wahl in die Tat umgesetzt. Mit Hilfe von Dekreten, in denen der Präsident den nationalen Notstand ausruft, entlässt er in den ersten Monaten Hunderttausende Beamte und lässt Einwanderer ohne Gerichtsverfahren verhaften.
Er verhängt Zölle nach Belieben, schafft Verbraucherschutz- und Gleichstellungsregelungen ab und blockiert Bundesfinanzierungen für Universitäten sowie Umwelt- und Sozialprogramme – obwohl der Kongress ihnen zugestimmt hat.
Und: Trump setzt das Militär im Inland ein. Als Präsident könne er tun und lassen, was er wolle, wenn er das Land in Gefahr sehe, behauptet er.
Politisierung staatlicher Institutionen
Trump setzt auf eine konsequente Politisierung staatlicher Institutionen: Bundespolizei und Staatsanwaltschaft ermitteln gegen politische Gegner. In Städten, die von der Opposition regiert werden, kommt es zu Abschieberazzien. Das Außenministerium erteilt und widerruft Visa nach politischen Kriterien. Umwelt-, Medien- und Arbeitsschutzbehörden werden von Loyalisten geleitet.
Und auch gegen politische Gegner werde das Militär eingesetzt, warnt die demokratische Senatorin aus Michigan, Melissa Slotkin. „Trump setzt die volle Macht der Regierung gegen Amerikaner ein, die er als seine Feinde betrachtet, damit er und seinesgleichen niemals die Macht aufgeben müssen. Das ist für mich der Zusammenhang zwischen seiner Definition von ‚inländischen Terroristen‘ und seinem Einsatz der Armee in amerikanischen Städten. Das ist die Richtung, in die wir gehen“, sagte Slotkin.
Der Trump-freundliche Oberste Gerichtshof
Der Oberste Gerichtshof und seine Richter in den USA spielen in Trumps zweiter Präsidentschaft eine Schlüsselrolle Auch vom Präsidenten nominiert werden. Derzeit gibt es dort eine Trump-freundliche Mehrheit, die auf seine erste Amtszeit zurückgeht.
Die Trump-II-Regierung hat nicht weniger als 27 Eilanträge beim Obersten Gerichtshof eingereicht, um die Verfassungsmäßigkeit ihres Vorgehens zu bestätigen. 17 Mal entschieden die Richter zugunsten von Trump, vier weitere Verfahren sind noch anhängig.
Warnung an die Republikaner
Das sei gefährlich, warnt Michael McConnell, Juraprofessor an der Stanford Law School und selbst ehemaliger Bundesrichter. Er glaubt, dass Trumps System der Machtkonzentration auch vom nächsten Präsidenten ausgenutzt werden könnte.
„Fast alles, was Trump tut, hat es schon einmal gegeben. Ihm selbst wurde bereits Politik vorgeworfen. Joe Biden wollte auch ohne Kongressbeschluss Hunderte Milliarden für Wahlversprechen ausgeben. Aber wer an Rechtsstaatlichkeit glaubt, muss beides verurteilen“, sagt McConnell. Er sagte zu den Republikanern: „Vielleicht gefällt Ihnen, was Trump jetzt tut. Aber wenn die andere Partei wieder an die Macht kommt, könnte Ihnen das Gleiche angetan werden.“
Trumps politische Basis feiert seine Maßnahmen immer noch als Wiederherstellung der amerikanischen Stärke und Effizienz. Doch während sich die Aktienmärkte auf einem Allzeithoch befinden, sinkt das Vertrauen der Bevölkerung in unabhängige Institutionen und den Rechtsstaat auf einen Tiefpunkt.
Für die Demokraten können die Erfolge bei den Regional- und Kommunalwahlen am Dienstag als politisches Lebenszeichen gewertet werden. Sie zeigen aber auch, dass eine Anti-Trump-Kampagne allein nicht ausreicht, um die Dominanz seiner Republikaner bei den nächsten Kongresswahlen zu brechen. Dafür bedarf es einer eigenen, national tragfähigen Vision für ein Amerika nach Trump – und die ist noch nicht in Sicht.
