Kein Strom, kein Wasser
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Alle Bewohner müssen ihr Haus in Treptow-Köpenick verlassen
Di 16.07.24 | 17:18 Uhr | Ab
Den Bewohnern eines Hauses in der Fennstraße in Treptow-Köpenick wurde am Dienstag der Strom abgestellt. Zuvor gab es im Winter kein Wasser und keine Heizung. Nun müssen alle weg.
Im Hof des gelben Mehrfamilienhauses in der Fennstraße 31 in Niederschöneweide türmen sich Müllsäcke zu Bergen. Auf dem Boden liegen jede Menge Plastikverpackungen herum. Das Treppenhaus wirkt heruntergekommen, die Decke des Flurs ist schimmelig.
Dass das Haus so heruntergekommen und dreckig ist, ist nicht nur die Schuld der Bewohner: Der Müll wird seit Monaten nicht mehr abgeholt. So stapelt er sich im Hof. Der Besitzer, so vermutet man im Haus, wolle die Bewohner verschrecken. Im Winter wurde ihnen die Heizung abgestellt und das Wasser abgedreht. Nun gibt es auch keinen Strom – und am Dienstag sollen alle ihre Wohnungen verlassen.
Haus gilt als unbewohnbar
In dem Mehrfamilienhaus im Bezirk Treptow-Köpenick leben rund 60 bis 80 Menschen. Viele von ihnen sind Sinti und Roma. In der Fennstraße wohnen auch viele Kinder und alte Menschen.
Von außen macht das Haus noch einen guten Eindruck, innen ist es jedoch marode. Durch wiederholte Wasserschäden sei das Haus mittlerweile unbewohnbar geworden, so Bezirksstadträtin für Stadtentwicklung, Claudia Leistner (Grüne). „Die Leute müssen ausziehen, da wir mit einem unabhängigen Gutachter festgestellt haben, dass der Wasserschaden so gravierend ist, dass das Wasser bis zu grundlegenden Sanierungsarbeiten nicht wieder abgestellt werden kann“, erklärt Leistner.
Im Haus, als Liegt keine Baugenehmigung vor, darf dort nur vorübergehend gewohnt werden, eine Nutzung ist nur gewerblich zulässig. Trotzdem wohnen dort Menschen – manche mit befristeten Mietverträgen und manche ohne. „Wir sind mit dem Eigentümer im Gespräch, darauf hinzuwirken, dass hier dauerhaftes Wohnen möglich wird“, sagt Leistner. Der Eigentümer lehne das derzeit ab, sagt der Politiker. An einer langfristigen Lösung sei er nicht interessiert.
Besitzer bleibt ein Phantom
Eigentümerin des Gebäudes ist die Firma IPG V GmbH. Das bestätigte Claudia Leistner im März gegenüber rbb|24. Der rbb hatte damals über die katastrophale Wohnsituation in der Fennstraße berichtet. rbb|24 konnte erkennen, dass diese Firma auch im Mietvertrag einer Anwohnerin der Fennstraße steht, die dort seit rund eineinhalb Jahren lebt. Geschäftsführer der IPG V ist Matteo Colusso. Er ist Chef von mindestens 18 weiteren Immobilienfirmen.
Für Bewohner Er ist allerdings nicht erreichbar. Gleiches gilt für den rbb: Im März erhielt rbb|24 auf eine Anfrage keine Antwort. Auch jetzt herrschte Schweigen am anderen Ende, telefonisch war niemand erreichbar und eine E-Mail mit Fragen blieb unbeantwortet. Warum der Eigentümer das Haus so verfallen ließ und was nun mit dem Gebäude geschieht, bleibt offen.
Verdacht auf „kalte Vertreibung“
Nicht nur die Bewohner des Gebäudes werfen dem Eigentümer vor, sie verschrecken zu wollen. Auch Bezirksstadtrat Leistner spricht von „kalter Räumung“. Das hält auch Thomas Herr vom Bündnis gegen Antiziganismus und für Roma-Empowerment (BARE) für wahrscheinlich. Er betreut die Menschen in der Fennstraße. „Unserer Meinung nach hat der Vermieter eine Strategie der kalten Räumung verfolgt. Plötzlich gab es kein Wasser mehr und die Heizung funktionierte plötzlich nicht mehr, auch die Müllabfuhr gab es nicht.“ Dies könne kein Zufall sein, sagt Thomas Herr.
„Es fehlen Eingriffsrechte, die diesen willkürlichen Maßnahmen und der Strategie der Vernachlässigung der Eigentümer Grenzen setzen würden“, sagt Herr von der Allianz BARE. Er vermutet, dass der Eigentümer mit seiner Strategie durchgekommen sei. Ab Dienstag müssen die Menschen ihre Häuser verlassen – manche wissen noch nicht genau, wo.
Hotel, Ferienwohnung oder Obdachlosenheim
Raus aus der Wohnung – für einen Bewohner, der anonym bleiben möchte, löst das Zukunftsängste aus. „Ich weiß nicht, wohin ich gehen soll“, sagte ein Bewohner gegenüber rbb|24. Er sagt, er habe zwei Kinder. In einem Heim wolle er aber nicht leben, sagt der Bewohner.R.
Den BewohnerInnen des Gebäudes wurden zwar keine neuen Wohnungen angeboten, sie können aber etwa in Einrichtungen für Obdachlose oder in angemieteten Räumen wie Hotelzimmern oder Ferienwohnungen unterkommen. Das Geld dafür käme aus öffentlichen Mitteln und zum Teil vom Eigentümer des Gebäudes, erklärt Bezirksrätin Claudia Leistner. „Wir bekommen nun Geld, damit die Menschen nicht nur in Obdachlosenheimen, sondern auch in Ferienwohnungen und Hotels untergebracht werden.“
Trotz der Unsicherheit ist Anwohnerin Dinka froh, dass sie auszieht. „Es ist besser, wenn wir alle hier wegziehen. Ich möchte alleine mit meinem Kind eine Unterkunft haben, die nicht so dreckig ist wie hier“, sagt sie.
Die nächste Unterkunft wird höchstwahrscheinlich über fließendes Wasser verfügen – das kann man als Pluspunkt werten. Auf der anderen Seite herrscht bei den Bewohnern aber auch eine große Unsicherheit darüber, was langfristig passieren wird.
Sendung: rbb24 Abendshow, 15. Juli 2024, 19:30 Uhr