Kennen Sie Eliud Kipchoge? Der kenianische Langstreckenläufer gewann im September 2022 den Berlin-Marathon und stellte damit kurzzeitig einen Weltrekord auf, der bereits im Oktober 2023 von seinem Landsmann Kelvin Kiptum gebrochen wurde, der beim Chicago-Marathon 34 Sekunden schneller lief. Im Leistungssport werden immer wieder spektakuläre Siege errungen und neue Rekorde aufgestellt. Aber wann wird dies zu einem Weltereignis oder gar zu einem Jahrhundertereignis?
Ein solches Ereignis war der Boxkampf „Rumble in the Jungle“, der Weltmeisterschaftskampf der Männer im Schwergewicht im Jahr 1974 in Kinshasa, der Hauptstadt von Zaire (heute Demokratische Republik Kongo). Bei tropischer Hitze duellierten sich George Foreman und Muhammad Ali vor 80.000 Zuschauern um den Weltmeistertitel im Profiboxen. Es war das erste große Profisportereignis auf dem afrikanischen Kontinent, das weltweit durch Presseberichterstattung und Fernsehübertragungen verfolgt werden konnte.
Entstehung einer Jahrhundertschlacht
Der Boxkampf „Rumble in the Jungle“ wurde zu einem epochalen Ereignis, weil er für Black Power und schwarze Emanzipation stand: In der Nacht des 30. Oktober 1974 besiegte der schwarze amerikanische Kriegsdienstverweigerer aus Vietnam Ali – weltberühmt für seine Aussage „No Viet.“ Cong nannte mich jemals einen Nigger“ – sein Gegenspieler Foreman, ebenfalls ein schwarzer Boxer, der allerdings mit einem belgischen Schäferhund, einem Symbol der belgischen Kolonialherrschaft, im postkolonialen Afrika posierte. Die sowjetische Sportzeitung „Sovetski Sport“ kommentierte daher: „Muhammad Alis Sieg über George Foreman ist ein Symbol seines Mutes und seiner Prinzipientreue.“
Auch Schiedsrichter Zack Clayton wurde nicht zufällig ausgewählt. Er war der erste Afroamerikaner, der 1949 in den Vereinigten Staaten eine Schiedsrichterlizenz erhielt. Das gesamte Boxspektakel wurde vom Blackbox-Promoter Don King orchestriert. In diesem Megakampf begann seine spätere Karriere als „König des Zwielichts“, wie ihn der Sportjournalist Bertram Job nannte. Da ist die wenig schmeichelhafte Einschätzung von King: „Wenn man ein Viertel hat, will er die ersten 26 Cent davon.“ Es ist fraglich, ob die damalige Konstellation ohne seinen Ehrgeiz und seine Gier überhaupt zustande gekommen wäre.
Bertram Job, „FAZ“-Boxjournalist und Autor des bildgewaltigen Werks „Ali vs. Foreman – 50 Jahre“, beschreibt in seinem Buch die sportliche Situation: „Ein USA-Olympiasieger von 1968 gegen einen Olympiasieger von 1960, ein kraftvoller, „Ungeschlagener Puncher gegen einen begnadeten Stylisten und Strategen.“ Vor dem Kampf war unklar, ob Ali Ende der 1960er Jahre, nach seiner dreijährigen Pause aufgrund seiner Kriegsdienstverweigerung und im Alter von 32 Jahren, noch in seiner alten Klasse sein würde .
»50 Jahre Rumble in the Jungle«
25. November um 19 Uhr: Abendveranstaltung im About.Blank zu „50 Years of Rumble in the Jungle“. Gezeigt wird die Oscar-prämierte Kinodokumentation „When We Were Kings“; davor eine Podiumsdiskussion mit dem Sportjournalisten Martin Krauß und der britischen Journalistin Dr. Michela Wrong, Zeitzeugin der letzten Jahre der Herrschaft Mobutus.
David gegen Goliath
Aber in diesem Kampf gewann Ali, wie Job es zusammenfasst: „Hirn über Muskeln, Gehirn über Muskeln: Das war der Schlüssel zum Erfolg in vielen Kämpfen, die später als historisch bezeichnet werden sollten.“ Dazu passt auch, dass, wie Hiob in seinem Buch korrigiert, der „Rumble in the Jungle“ nicht von vornherein als „Kampf des Jahrhunderts“ vermarktet wurde. Für die Wettanbieter war Foreman mit einer Quote von 3:1 der klare Favorit und der Boxgipfel wurde nicht als Kampf zweier ebenbürtiger Konkurrenten gesehen. Wurde der Kampf also zum Ereignis, weil er die – politisch brisante – Geschichte von David gegen Goliath wiederholte, aus der dank seiner List auch der körperlich Schwächere als Sieger hervorging?
Nein, so war es nicht. Ali lag auf den Scorekarten bereits vorne, bis Foreman ihn zu Boden schlug und gewann. Auch eine Computeranalyse, die zehn Jahre nach dem Kampf technisch möglich wurde, ergab, dass Ali Runde für Runde zunehmend die Kontrolle übernommen hatte. Alis Knockout-Sieg über Foreman war das Ergebnis einer geschickten Kampfstrategie und war daher weder eine List noch ein Rätsel.
Auch die Aufarbeitung der Popkultur trägt dazu bei, dass sich ein zeitgeschichtliches Ereignis in das kollektive Gedächtnis einbrennt. Eine solche Behandlung war der Dokumentarfilm „When We Were Kings“ von Leon Gast aus dem Jahr 1996. Er brachte rund hundert Mitarbeiter mit in den Kongo, um alles aus den Wochen vor dem Kampf in Kinshasa filmisch festzuhalten. Doch es dauerte gut zwanzig Jahre (aufgrund von Geldstreitigkeiten, unter anderem mit Don King), bis der Film in die Kinos kam. Dafür wurde er mit den höchsten Auszeichnungen dieses Genres ausgezeichnet.
Motive der Mega-Events
Seit der Fußballweltmeisterschaft in Katar fragen sich viele Sportfans nach den Beweggründen der Finanziers von Sportgroßveranstaltungen, die immer absurdere Summen kosten. Auch in dieser Hinsicht setzte der Kampf im afrikanischen Dschungel 1974 neue Maßstäbe: Beide Boxer erhielten eine Ablösesumme von fünf Millionen Dollar. Das Startgeld war daher doppelt so hoch wie bei solchen Spitzenkämpfen üblich.
Dieses Weltereignis brachte das postkoloniale Afrika und mit ihm Zaires Diktator Mobutu Sese Seko auf die internationale Bühne. Ein gutes Jahrzehnt nach der Unabhängigkeit und drei Jahre nach der Umbenennung in République du Zaire war Zaire zum Schauplatz eines Weltereignisses geworden, bezahlt aus den Kassen des Diktators Mobutu und finanziert aus den natürlichen Ressourcen des Landes. War das „Rumble in the Jungle“ also eine gigantische „Sportwäsche“ für einen Diktator, der zusammen mit westlichen Konzernen sein Land über drei Jahrzehnte wie kein anderer ausgeplündert hat? Der Politikwissenschaftler und Journalist bei „Table.Media“, Alex Veit, widerspricht dem „nd“: „Für Sportwashing hätte Mobutu ein sehr schlechtes Image ‚abwaschen‘ müssen müssen, was nicht der Fall war.“ Vor allem nicht in der westlichen Welt, außer bei radikalen Linken.
Alex Veit, ein Spezialist für die Region, sieht in Mobutus Ansatz eher einen Versuch seiner eigenen Version der Modernisierung, die viele andere Staats- und Regierungschefs in Afrika, Asien und Lateinamerika in den 1970er Jahren angestrebt hätten. „Durch die relativ hohen Einnahmen aus dem Bergbau konnten in dieser Zeit große Infrastrukturprojekte finanziert, Universitäten gegründet und das Land in Zaire umbenannt werden“, erklärt Veit. „Der Boxkampf sollte das neue Selbstbewusstsein nach innen und außen transportieren.“ Als Mobutu schließlich 1997 starb, blieb er als einer der reichsten Männer der Welt in Erinnerung, der sein milliardenschweres Vermögen in Europa parkte, anstatt in Afrika zu investieren.
Das globale Ereignis brachte das postkoloniale Afrika und mit ihm Zaires Diktator Mobutu Sese Seko auf die internationale Bühne.
Seit einigen Jahren steht ein anderes Land im Fokus des Profiboxens, nämlich Saudi-Arabien. Unter dem Label „Riyadh Season“ fanden alle wichtigen Boxweltmeisterschaftskämpfe der letzten Jahre in Saudi-Arabien statt. Der Vergleich zwischen der heutigen Sportvermarktung der „Riyadh Season“ und dem früheren „Rumble in the Jungle“ liegt auf der Hand. Laut Sebastian Sons, Autor des Buches „The New Rulers of the Gulf and Their Quest for Global Influence“, ist „Riyadh Season in erster Linie ein nationales Projekt und soll das Unterhaltungsangebot des Landes durch hochkarätige Veranstaltungen stärken.“ Aber, so Sons gegenüber »nd«, es sei auch eine Marke, die Saudi-Arabien in die ganze Welt verkaufen wolle.
„Für Saudi-Arabien geht es immer um den Return on Investment, auch bei der Riyadh Season“, erklärt Sons. „Solche Projekte sollen das Bewusstsein schärfen, es darf aber kein Fass ohne Boden zurückbleiben“, vielmehr gehe es lediglich darum, Einnahmen durch Sponsorenverträge und TV-Verträge zu generieren. Nicht zuletzt soll dies die saudische Wirtschaft diversifizieren und für eine Zukunft ohne Öl fit machen. Der heute schnell vorgebrachte Vorwurf des Sportwashings übersieht, dass in der Ökonomie des Profisports einfach neue Spieler von außerhalb des Westens ins Geschäft kommen, nicht nur mit viel Geld, sondern vor allem auch mit wirtschaftliche Interessen – also mit einem Interesse an der Zukunft mehr Geld. Den Weg dafür ebnete das „Rumble in the Jungle“.
Fabian Kunow betreut die Veranstaltungsreihe „Sport und Gesellschaft“ beim Berliner Bildungsverein „Helle Panke eV – Rosa-Luxemburg-Stiftung Berlin“.
https://www.nd-aktuell.de/artikel/1186394.ali-gegen-foreman-jahre-rumble-in-the-jungle-ein-epochaler-boxkampf.html