Tierschützer dokumentieren erschreckende Methoden auf Garnelenfarmen. Was sagen deutsche Supermärkte und Discounter dazu?
Frankfurt – Während Millionen Deutsche ihre Meeresfrüchte ahnungslos genießen, verbirgt sich hinter der Garnelenzucht eine grausame Praxis: Weiblichen Zuchtgarnelen werden bei vollem Bewusstsein die Augen abgeschnitten, andere ersticken im Eiswasser. Eine aktuelle Studie des International Council for Animal Welfare (ICAW) zeigt: Deutsche Supermärkte hinken beim Tierschutz hinterher.

Laut ICAW werden jedes Jahr rund 440 Milliarden Zuchtgarnelen geschlachtet – die meisten davon im globalen Süden, darunter Ecuador, China, Indien, Venezuela und Vietnam. Deutschland gilt als größter Abnehmer in Europa. Da die Schlachtung häufig am anderen Ende der Welt stattfindet, haben Verbraucher laut ICAW kaum Einblick in die örtlichen Gegebenheiten.
ICAW deckt schockierende Praktiken in der Garnelenzucht auf
In ihrem aktuellen Ranking verrät die Organisation zwei Methoden: Bei der sogenannten Eyestalk-Ablation werden einem oder beiden Eyestalks von weiblichen Zuchtgarnelen mit Rasierklingen oder einer erhitzten Schere abgeschnitten – und das ganz ohne Betäubung. „Diese Praxis ist in der Garnelenindustrie weit verbreitet, weil sie die Eierproduktion kurzfristig erhöht“, sagten Tierschützer.
Vor dem Töten werden Garnelen normalerweise in Eiswasser getaucht. Der Kälteschock soll zum schnellen Tod führen, doch in der Praxis sieht es anders aus. „Es gibt keine Hinweise darauf, dass Garnelen zuverlässig das Bewusstsein verlieren“, heißt es. Vielmehr würden die Tiere bei vollem Bewusstsein ersticken.
„Aus zahlreichen Studien wissen wir mittlerweile, dass Garnelen und andere Krebstiere empfindungsfähig sind. Die weit verbreitete Praxis, Tiere kurzzeitig in Eisbäder zu tauchen, macht sie bewegungsunfähig, betäubt sie aber oft nicht zuverlässig – ein Tierschutzproblem, das mit einem langsamen, schmerzhaften Tod vergleichbar ist“, sagt Dr. Kathrin Herrmann, europäische Tierärztin mit Schwerpunkt Tierschutz. In Thailand arbeiteten sogar Kinder in Garnelenfabriken.
Die Tierschützer fordern daher, dass die Tiere vorher elektrisch betäubt werden. Aus Sicht der London School of Economics ist dies auch eine humanere Alternative. Auch die ICAW sieht die Supermärkte in der Verantwortung für die Umsetzung dieser Methode: „Supermärkte haben in diesem System die größte Verhandlungsmacht: Sie kaufen in enormen Mengen ein, drücken die Preise und setzen Qualitätsstandards durch.“
Garnelen werden die Augen abgeschnitten: So reagiert Aldi Süd auf die Methode
Während sich sieben der zehn größten Supermarktketten in Großbritannien bereits verpflichtet haben, beide Praktiken bis 2027 zu beenden, hinken deutsche Supermärkte hinterher. Lediglich Aldi und Rewe haben zu dieser Frage überhaupt Stellung bezogen.
Aldi Süd habe sich dazu verpflichtet, „Fisch und Meeresfrüchte aus verantwortungsvoll bewirtschafteten Quellen zu beziehen“, heißt es auf einer Anfrage von IPPEN.MEDIA. Lieferanten müssten daher die von der Global Sustainable Seafood Initiative (GSSI) anerkannten Standards einhalten.
Konkret bedeutet das: Der Discounter will die Augenstielentfernung für White Tiger Garnelen in seinen Lieferketten bis Ende 2030 und für Black Tiger Garnelen bis Ende 2031 abschaffen. Darüber hinaus würden wissenschaftliche Leitlinien zum Elektrobetäubungsverfahren geprüft. Bei Aldi sollen bis 2030 alle Fleisch- und Milchprodukte aus bester Landwirtschaft stammen.
Schreckliche Praxis in der Garnelenzucht: Das sagen Aldi Nord und Rewe
Auch Aldi Nord nennt in einer Stellungnahme konkrete Daten. Der Discounter hat sich verpflichtet, „die Augenstielentfernung bis 2029 bei Weißfußgarnelen und bis 2031 bei Riesengarnelen abzuschaffen.“ Allerdings weist der Händler auch darauf hin: Die Methode betreffe nur den Zuchtbestand und nicht die Tiere, die bei Aldi verkauft werden. Atemberaubende Garnelen in einem Eisbad werden von Standardanbietern wie dem Aquaculture Stewardship Council (ASC) anerkannt. Dennoch testet Aldi Nord eine Betäubung mittels Elektroschock.
Rewe bietet bereits „alle bio-zertifizierten Garnelen ohne Augenstängelmanipulation“ an, sagte ein Sprecher unserer Redaktion. Für eine flächendeckende Umsetzung ist jedoch eine längere Übergangsfrist erforderlich. „Wir wollen die Umsetzung in unseren EM-Lieferketten möglichst bis 2027 erreichen.“ Supermarktlieferanten sollten diese Methode bis 2030 bei Weißfußgarnelen und bis 2031 bei Schwarzen Tigergarnelen nicht mehr anwenden.
Darüber hinaus wird nach Angaben des Sprechers intern geprüft, inwieweit auf Fischereifahrzeugen akzeptable Methoden zur Tötung von Fischen und Krebstieren unter Berücksichtigung von Tierschutzaspekten eingesetzt werden. Edeka und Lidl haben sich auf Wunsch zusammengeschlossen IPPEN.MEDIA haben sich noch nicht zu den Methoden der Garnelenzucht geäußert. (Quellen: International Council for Animal Welfare, eigene Recherche, Aldi Nord) (kas)