US-Wahl 2024
Harris oder Trump – wer liegt in den Umfragen vorne?
31. Oktober 2024, 8:42 Uhr · Die Amerikaner haben bis zum 5. November die Wahl zwischen Kamala Harris und Donald Trump. Meinungsforscher erwarten ein beispiellos enges Rennen. Was sagen die Umfragen?
Viele Millionen Amerikaner haben bereits ihre Stimme abgegeben und viele weitere haben ihre Entscheidung schon vor langer Zeit getroffen. Da beide Wählerblöcke etwa gleich groß zu sein scheinen, können in einigen Bundesstaaten bereits kleinste Schwankungen ausschlaggebend sein. Und mit dem ehemaligen Präsidenten Donald Trump, der zum dritten Mal in Folge für die Republikaner kandidiert, scheint die Dynamik in der Endphase zu sein.
Aber auch die Demokraten können weiter hoffen. Seit sich der amtierende Präsident Joe Biden am 21. Juli aus dem Rennen zurückzog und seine Vizepräsidentin Kamala Harris die Partei anführte, haben sich die Aussichten der Partei deutlich verbessert.
Nationale Umfragen in den Vereinigten Staaten sind oft irreführend. Der Ausgang der Wahl hängt tatsächlich von einigen wenigen Bundesstaaten ab. Die meisten der 50 Staaten tendieren eindeutig zu einer Partei. Hier können Sie mit großer Sicherheit sagen, welcher Kandidat am Wahltag die Nase vorn haben wird.
Aufgrund der großen Bevölkerungszahl hat der Vorsprung eines Demokraten in Kalifornien oder eines Republikaners in Texas Auswirkungen auf die landesweiten Umfragedurchschnitte – nicht jedoch auf den Wahlausgang. Ein Erdrutschsieg ist nicht wertvoller als ein knapper Sieg.
Für den Ausgang der Präsidentschaftswahl sind also nur die „Swing States“ – auch „Battleground States“ genannt – von Bedeutung. Diese Staaten neigen offensichtlich keiner Partei zu. Früher gewann manchmal einer, manchmal der andere. Der Wahlkampf konzentriert sich auf diese Staaten. Ein Blick auf die Umfragewerte kann hier aussagekräftiger sein als der Durchschnittswert aller Bundesländer.
Analysten blicken vor allem auf die besonders hart umkämpften Bundesstaaten Arizona, Georgia, Michigan, Nevada, Pennsylvania, Wisconsin Und North Carolina.
Mit Ausnahme von Nevada stimmten die Wähler in diesen Bundesstaaten 2016 knapp für Trump und vor vier Jahren – mit Ausnahme von North Carolina – für Biden. In Arizona hatte Biden nur rund 11.000 Stimmen Vorsprung, in Georgia gut 12.000 und in Wisconsin sogar 20.000. Lediglich in Michigan konnte er einen sechsstelligen Stimmenvorsprung erzielen. Harris muss versuchen, die damaligen demokratischen Wähler für sich zu gewinnen; Trump sieht eine Chance, an seinen Überraschungssieg von 2016 anzuknüpfen.
Jeder Staat hat eine bestimmte Anzahl von Wählern, die er zuweisen kann. Der Kandidat, der in einem Staat die Mehrheit der Stimmen erhält, erhält alle Stimmen dieses Staates im Wahlkollegium (mit zwei Ausnahmen in Maine und Nebraska). Wer die Mehrheit der Wählerschaft – 270 oder mehr – auf seiner Seite hat, wird amerikanischer Präsident. Die sechs besonders hart umkämpften Bundesstaaten stellen zusammen 77 der 538 Wähler.
Neben den Umfragen darüber, wen sich die Wähler als Präsidenten wünschen, gibt es auch solche, die versuchen, die Popularität des Kandidaten als Person zu messen. Trumps Werte scheinen diesbezüglich eingemauert zu sein – seit Januar liegen sie zwischen 41 Prozent und 44 Prozent. Bei Kamala Harris ist das völlig anders. Als Joe Biden noch der mutmaßliche Kandidat der Demokraten war, trat Harris vor allem als Vizepräsidentin auf und hatte in dieser Funktion einen schlechten Ruf und kaum gute Presse. Demnach lagen ihre Beliebtheitswerte unter 40 Prozent. Das änderte sich, nachdem sie den Wahlkampf begonnen hatte. Sie gab dem Rennen um das Weiße Haus neuen Schwung und verbreitete gute Stimmung. Ihre Beliebtheitswerte stiegen deutlich.
Die beiden Vizepräsidentschaftskandidaten Tim Walz für die Demokraten und JD Vance für die Republikaner kommen nicht annähernd an die Werte der Präsidentschaftskandidaten heran. Es ist jedoch zu erkennen, dass Walz in dieser Hinsicht einen deutlichen Vorsprung vor Vance hat.
Diese Werte sagen wenig über die Wahrscheinlichkeit aus, wer Präsident wird. Allerdings können sie auf individueller Ebene durchaus wahlentscheidend sein. Wähler, die sich nicht sicher sind, wen sie auf politischer Ebene wählen sollen, stützen ihre Entscheidung möglicherweise darauf, wen sie als Person mehr mögen.
Die Entwicklung der Wettquoten ist ein weiterer Indikator, wenn es um die Gewinnchancen bei der Präsidentschaftswahl geht. Die Einschaltquoten von Harris sind seit Juli stark gestiegen – nicht erst seit der Ankündigung ihrer Kandidatur, sondern auch nach Bidens desaströsem Auftritt im Fernsehduell. Sie erreichten im August ihren Höhepunkt und fielen dann wieder. Auch bei Trump geht es auf und ab. Nachdem Harris in den Wahlkampf eingestiegen war, sanken seine Einschaltquoten, erholten sich aber inzwischen – trotz eines schwachen Auftritts im Fernsehduell – und er konnte sich deutlich von Harris distanzieren.
Am 5. November wird nicht nur der Präsident der Vereinigten Staaten gewählt, sondern auch das gesamte Repräsentantenhaus und ein Drittel des Senats. Die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses könnte sich ändern, mit Folgen für den Präsidenten. Wenn seine Partei beide Kammern kontrolliert, kann er mehr von seiner Agenda erreichen. Andernfalls wird er um Kompromisse kämpfen müssen; im schlimmsten Fall drohen Verstopfungen.
Im Repräsentantenhaus verfügen die Republikaner derzeit über eine hauchdünne Mehrheit von vier Sitzen (fünf Sitze sind nach dem Rücktritt von vier Republikanern und dem Tod eines Demokraten vakant). Allerdings blicken die Demokraten mit einer gewissen Zuversicht auf die Wahlen. Denn die Republikaner haben zuletzt kein gutes Bild abgegeben. Sie brauchten 15 Stimmzettel, um ihren Sprecher Kevin McCarthy zu wählen. Sie stürzten ihn nach nur neun Monaten. Auch das Kreuzfeuer einiger rechtsextremer Republikaner könnte den Wählern auf die Nerven gehen – und den Demokraten eine Mehrheit in der ersten Kammer des Kongresses bescheren.
Im Senat ist die Ausgangslage für die Demokraten allerdings schlechter. Sie stellen hier eine knappe Mehrheit. Doch die Demokraten – und ihre unabhängigen Verbündeten – müssen 23 Sitze verteidigen, die Republikaner nur elf. Außerdem stehen mehrere demokratische Senatssitze zur Wahl, die sich in Bundesstaaten befinden, die tatsächlich republikanisch geprägt sind. Laut CNN sind derzeit neun der zehn Senatssitze, bei denen ein Parteiwechsel am wahrscheinlichsten ist, in demokratischer Hand.
https://www.faz.net/aktuell/politik/us-wahl/donald-trump-oder-kamala-harris-aktuelle-umfragen-vor-us-wahl-2024-19922204.html