Bereits 2024 wird Franz Kafka anlässlich seines 100. Todestages ins Kino kommen. Nun hat sich die polnische Regisseurin Agnieszka Holland seinem Leben angenommen und einzelne Episoden geschickt zu einem fantastischen Ganzen verschachtelt.
Über Franz Kafka im Jahr 2024 ist anlässlich seines 100. Todestages viel geschrieben und viel verfilmt worden. Neben der sehenswerten ARD-Serie „Kafka“ mit Joel Basman in der Titelrolle gab es einen recht konventionellen Film „Die Herrlichkeit des Lebens“, in dem Sabin Tambrea Kafka in seinen letzten Lebensjahren spielte. Nun hat die große polnische Regisseurin Agnieszka Holland die Geschichte der zu Lebzeiten übersehenen Literaten erneut für das Kino aufgegriffen – mit einem durchaus außergewöhnlichen Ergebnis.
Holland betritt die Geschichte zu einer Zeit, als Franz Kafka (Idan Weiss) bereits ein junger und sehr eigenartiger Mann ist, der in Prag unter einem Dach mit seinen Eltern und Geschwistern lebt. Der polternde Vater Herrmann (Peter Kurth) macht dem sensiblen Franz das ohnehin schon schwierige Leben nicht leichter. Er möchte, dass sein Junge eines Tages die Kurzwarenhandlung übernimmt, aber nichts liegt ihm ferner im Sinn. Mutter Julie (Sandra Korzeniak) zeigt Verständnis für ihren zu Hypochondrien neigenden Sohn, weiß aber noch nicht so recht, wie sie ihm helfen kann.
Zwischen Rebellion und Selbstzweifel
Während Franz für eine Versicherung arbeitet – was ihn aufgrund seiner Systemrelevanz vor der Einberufung in den Krieg bewahrt – träumt er von einer Karriere als Schriftsteller, die ihm – wie wir wissen – zu Lebzeiten nicht vergönnt sein wird. Halt und inspirierende Gespräche findet er nur in seinem Freundeskreis, zu dem auch der Verleger Max Brod (Sebastian Schwarz) gehört, der begeistert und von Franz Kafkas Talent überzeugt ist. Er versucht wirklich, seinen schüchternen Freund in das gesellschaftliche Leben zu integrieren – unter anderem durch Lesungen, aber auch durch gemeinsame Bordellbesuche. Und dann stellt er ihn Felice (Carol Schuler) vor.


Vater Herrmann (Peter Kurth) und Mutter Julie (Sandra Korzeniak) lauschen den Worten ihres Sohnes Franz – zumindest vorerst.
(Foto: Marlene Film / X-Verleih)
Franz Kafka geht mit ihr eine eher pragmatische Beziehung ein, die dank seiner unsympathischen Offenheit ein eher jähes Ende findet. Erst bei Milena (Jenoféfa Boková) erlebt Franz Kafka, wie inspirierend Leidenschaft sein kann – die ihn dann sofort überwältigt.
Die Fakten über Franz Kafkas Leben sind weithin bekannt, aber die Art und Weise, wie Holland sie erzählt, unterscheidet sich von allem, was wir bisher zu diesem Thema gesehen haben. Sie hat seine verstörende Geschichte „In der Strafkolonie“ fast spritzerartig verfilmt, in der eine grausame Foltermaschine ihr brutales Werk verrichtet. Es zeigt Franz Kafka in einem Moment auf der Straße, in dem er mit einem Bettler streitet, von dem er eine Krone zurückverlangt, worüber er öffentlich und lautstark spricht, sodass einem beim Zuschauen das Gesicht vor Verlegenheit errötet. Es sind Szenen wie diese, die die Seltsamkeit eines fragilen, aber eigensinnigen Charakters offenbaren, der zwischen Rebellion und Selbstzweifel gefangen ist. So angepasst sein Leben als Versicherungsangestellter ist, so provokativ sind seine Texte.
Cleverer Übergang in die Gegenwart
Teilweise wirft der Film einen Blick auf Franz Kafkas Kindheit, die scheinbar direkt aus seinem Kopf heraus passiert. Dann wieder findet sich der Betrachter mit einer Handvoll Touristen inmitten einer begleiteten Tour durch das zeitgenössische Kafka-Museum in Prag wieder. Die Charaktere durchbrechen immer wieder die vierte Wand und sprechen das Publikum direkt an, was dem Film gelegentlich eine dokumentarische Note verleiht. Während sein Vater und seine Schwester Ottla (Katharina Stark) Ereignisse und Entwicklungen bewerten und kommentieren, begegnet Franz Kafka selbst der Kamera nur mit schweigsamem Blick.


Auch Kafka (Idan Weiss) ist mit Milena (Jenoféfa Boková) nicht zufrieden.
(Foto: Marlene Film / X-Verleih)
Keiner dieser fragmentarischen Tricks scheint fehl am Platz zu sein; Alles passt wie ein Puzzle ins große Ganze. Der Film „Franz K.“ ist so kompliziert, exzentrisch und rätselhaft wie sein Protagonist selbst. Hochsensibel, zart, seltsam und unverstanden bewegt sich die Seele des Künstlers durch das Leben. Ein Leben, in dem vor allem der herrschsüchtige und unhöfliche Vater wie ein Fremdkörper wirkt. Für den Betrachter, aber auch für Franz Kafka selbst.
Nicht nur die Erzählebenen variieren, sondern auch die Lautstärke, die dem Kinobesucher wie die Welt bei Franz Kafka auf die Nerven geht. In 127 Minuten schildert Agnieszka Holland vier Jahrzehnte, bevor Kafkas Leben mit seinem frühen Tod im Jahr 1924 schmerzlich endete. Einzelne Episoden fügen sich entsprechend zusammen. Das Ergebnis ist eine collagierte Zeitreise und ein unkonventionelles Biopic, das auf fantastische und fantasievolle Weise die Regeln des klassischen Geschichtenerzählens bricht.
„Franz K.“ läuft ab dem 23. Oktober in den deutschen Kinos.