![Afghanistans Vertretung in Deutschland: Ein Land, zwei Botschaften? Afghanistans Vertretung in Deutschland: Ein Land, zwei Botschaften?](https://i1.wp.com/images.tagesschau.de/image/bd645836-cf15-4bd5-87ea-41198ee798f5/AAABkt5cgbk/AAABkZLhkrw/16x9-1280/generalkonsulat-bonn-100.jpg?w=1024&resize=1024,0&ssl=1)
Der Status der afghanischen Vertretungen in Deutschland ist verwirrend. Das sorgt bei Tausenden Menschen aus Afghanistan für Unsicherheit: Welche Dokumente sind noch gültig – und wie lange?
Vor dem afghanischen Konsulat in Bonn spielt sich jeden Tag die gleiche Szene ab: Eine lange Schlange zieht sich über den Bürgersteig, Menschen stehen dicht an dicht, manche stundenlang. Sie warten darauf, dass ihre Reisepässe erneuert, Geburtsurkunden ausgestellt oder andere Anträge bearbeitet werden.
Viele Menschen stehen hier mit einem mulmigen Gefühl und fragen sich: Werden diese Dokumente noch als gültig anerkannt? Und wenn ja, wie lange noch?
Seit der Machtübernahme der Taliban im Sommer 2021 ist die diplomatische Lage der afghanischen Vertretungen in Deutschland komplex. Während die afghanische Botschaft in Berlin und das Konsulat in Bonn eine Zusammenarbeit mit den Taliban strikt verweigern, hat das Konsulat in München bereits die Seite gewechselt. Dort arbeiten die Menschen nun mit den neuen Machthabern zusammen – eine Entwicklung, die die afghanische Diaspora in Deutschland in eine unsichere Lage bringt.
Die afghanischen Vertretungen in Deutschland agierten mehr als drei Jahre lang weitgehend unabhängig und waren von den deutschen Behörden anerkannt. Doch isoliert und auf der Suche nach internationaler Anerkennung versuchen die Taliban zunehmend, die Kontrolle über afghanische Auslandseinsätze zu erlangen.
Anfang August 2024 gaben die Taliban öffentlich bekannt, dass sie nur Dokumente anerkennen würden, die von bestimmten Botschaften und Konsulaten ausgestellt wurden: solchen, die mit den Taliban kooperieren. Dies hat bereits zu einem konsularischen Flickenteppich in Europa geführt: Während einige afghanische Vertretungen – etwa in Tschechien, Spanien, den Niederlanden und Bulgarien – ebenfalls auf Zusammenarbeit umgestiegen sind, haben Länder wie Großbritannien und Norwegen beschlossen, ihre Vertretungen zu schließen Afghanische Botschaften.
Erhöhte Nachfrage und Unsicherheit
In Deutschland leben rund eine halbe Million Afghanen, darunter mehr als 300.000 Flüchtlinge. Entsprechend hoch ist der Bedarf an konsularischen Dienstleistungen. Doch die aktuellen Entwicklungen schüren Unsicherheit: Viele Afghanen fragen sich, ob Dokumente der unabhängigen Vertretungen in Berlin und Bonn künftig noch anerkannt werden.
Mohammad Saber aus Gelsenkirchen gibt sich gelassen: „Für uns ist das egal. Wir reisen sowieso nicht nach Afghanistan, und diese Dokumente sind innerhalb der EU oder der Türkei weiterhin gültig, auch für die deutschen Behörden.“ Seine Haltung wird von vielen Afghanen geteilt, die keinen Kontakt zu den von den Taliban kontrollierten Behörden wollen.
Auch Hakimi, die kürzlich ihren Pass verlängert hat, sieht keinen Grund zur Sorge: „Ich gehe nicht zum afghanischen Konsulat in München. Ich möchte mein Geld nicht an eine Behörde zahlen, die mit den Taliban zusammenarbeitet. Diese Dokumente sind gültig.“ in Deutschland, und wir planen keine Reisen nach Afghanistan. Das ist für mich und meine Kinder von entscheidender Bedeutung.
Doch nicht alle Afghanen sehen die Lage als entspannt an. Besonders problematisch sind die neuen Regeln für diejenigen, die Familien in Afghanistan besuchen wollen oder müssen.
Qasim Aslani ist seit neun Jahren in Deutschland. Er beschreibt seine Hilflosigkeit: „Ich wollte einen afghanischen Pass beantragen, aber sie haben mir keinen ausgestellt. Heute bin ich wieder hier, um zu fragen, ob ich nach München gehen soll oder welche Möglichkeiten ich habe. Ich habe die Dokumente von gehört.“ Berlin und Bonn könnten bald ungültig sein.
Deutschland erkennt alle Dokumente an
Deutschland erkennt weiterhin alle von afghanischen Missionen ausgestellten Dokumente an – unabhängig davon, ob die jeweilige Mission mit den Taliban kooperiert oder nicht. Die deutschen Behörden, darunter das Bundesinnenministerium und das Auswärtige Amt, betonen jedoch, dass Deutschland die Taliban-Regierung immer noch nicht als legitimen Vertreter Afghanistans anerkennt und daher keine neuen Diplomaten der Taliban aufnimmt.
„Deutschland unterhält diplomatische Beziehungen zum Staat Afghanistan, nicht zur faktischen Taliban-Regierung“, betont ein Sprecher des Auswärtigen Amtes. Die bestehenden afghanischen Vertretungen in Deutschland sind weiterhin im Auftrag des afghanischen Staates tätig und bieten konsularische Dienstleistungen wie Passverlängerungen und Dokumentenausstellungen an. Deutschland hatte ein solches Modell bereits während der ersten Taliban-Herrschaft von 1996 bis 2001 etabliert und Erfahrungen damit gesammelt.
Die afghanischen Vertretungen in Deutschland decken ihre laufenden Kosten überwiegend durch Honorare für ihre Dienste. Das Konsulat in Bonn beispielsweise beschäftigt 20 Diplomaten und Ortskräfte und ist auf diese Einnahmen angewiesen. Ein Diplomat erklärt, dass rund 75 Prozent der Ausgaben durch die erbrachten Leistungen gedeckt werden könnten, während die restlichen 25 Prozent durch Gehaltskürzungen ausgeglichen würden.
Widerstand gegen die Zusammenarbeit mit den Taliban
Das afghanische Konsulat in Bonn und die Botschaft in Berlin erklärten, sie weigern sich, unter der Kontrolle der Taliban zu arbeiten. Inmitten dieses Konflikts hat der Konsul in Bonn bereits angekündigt, seinen Posten aufgeben zu wollen.
Die Situation erinnert an die erste Taliban-Herrschaft, als afghanische Auslandseinsätze weiterhin im Auftrag der gestürzten Regierung Burhanuddin Rabbani arbeiteten. Damals erkannte die internationale Gemeinschaft die Taliban nicht als Regierung an und die afghanischen Missionen blieben in den Händen der Rabbani-Exilregierung.
Die Zukunft der afghanischen Vertretungen in Deutschland bleibt ungewiss und die Lage für Tausende von Menschen aus Afghanistan in Deutschland ist angespannt. Die konsularischen Dienste bewegen sich weiterhin in einer rechtlichen Grauzone. Wie lange dieser Status anhalten wird und welche Konsequenzen eine mögliche Kontrolle der Taliban über die Darstellungen hätte, ist unklar. Afghanische Staatsangehörige in Deutschland müssen daher weiterhin mit Unsicherheit rechnen – insbesondere, wenn sie ihre Dokumente für Reisen oder Behördengänge im In- oder Ausland benötigen.