AfD immer offener rechtsradikal
Aussteiger: „Diese Leute sind brandgefährlich“
Von Markus Frenzel
21.09.2024, 11:02 Uhr
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Eine manipulierte Kandidatenwahl, ein Neonazi tritt der Partei bei, alle singen die verbotene Strophe der deutschen Nationalhymne: Mit ihrem wachsenden Erfolg wird die AfD nicht moderater, sondern radikaler. Eine RTL-Recherche zeigt, wie die AfD alle Hemmungen verliert.
Was ihr in der AfD widerfahren ist, kann Freya Lippold-Eggen bis heute nicht fassen. Die frühere Parteipolitikerin wollte im vergangenen Jahr für den bayerischen Landtag kandidieren. Doch bei der Nominierung der Kandidaten in Bad Kissingen änderte sich plötzlich alles: Ein Gegenkandidat tauchte auf und brachte Unterstützer zur Wahl mit. An diesem Tag bekam sie ein Telefon und ein Parteifunktionär war dran, „der mir sagte, wenn ich diese drei Leute nicht wählen lasse, werde er mich bis ans Ende der Zeit mit Gerichtsverfahren bombardieren“, erinnert sich Lippold-Eggen im Interview mit RTL. Später stellte sich heraus, dass es bei der Wahl zu massivem Betrug gekommen war. Lippold-Eggen erinnert sich auch an Drohungen und andere Einschüchterungsversuche: „Es war physische und psychische Gewalt, die angewendet wurde.“
Die AfD präsentierte sich stets als einzige demokratische Partei, die den Rechtsstaat aufrechterhielt. Sie weist Extremismusvorwürfe von Verfassungsschützern, Politikern, Medien und Wissenschaftlern routinemäßig zurück. Der Kandidat, der sich gegen Lippold-Eggen durchsetzte, war kein anderer als Daniel Halemba. Der rechtsradikale Burschenschafter, der es tatsächlich in den bayerischen Landtag schaffte, wurde im Frühjahr angeklagt. Von seinen Ämtern pausiert er seitdem. Die Anklagepunkte: Volksverhetzung, Geldwäsche, Nötigung und versuchte Nötigung sowie das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger und terroristischer Organisationen und Sachbeschädigung.
Ein Neonazi darf teilnehmen
Der AfD-Kreisvorsitzende Richard Graupner, der für Halembas Nominierung mitverantwortlich war, ist ein ehemaliger Republikaner und engagiert sich im nationalistischen Flügel der Partei. Doch weder auf direkte Anfrage von RTL noch auf schriftliche Anfrage wollte Graupner die Vorgänge kommentieren. In Graupners Kreisverband Unterfranken ereignet sich ein weiterer erstaunlicher Vorgang: Wie RTL erfuhr, hat die AfD Würzburg vor einigen Monaten Dorian Schubert in ihre Reihen aufgenommen. Der berüchtigte Neonazi stand bereits wegen tätlichen Angriffs auf Polizisten vor Gericht. Er wurde freigesprochen, sein Komplize hingegen verurteilt.
„Diese Leute sind brandgefährlich“, sagt Lippold-Eggen über ihre frühere Partei. Die ehemalige AfD-Funktionärin Daniela Mahler kann rückblickend nur über ihre Begeisterung für die Partei staunen. Im Interview mit RTL berichtet Mahler, wie sie sich seit der Flüchtlingskrise 2015 immer stärker radikalisiert habe. Auf Facebook habe sie Angela Merkel obszön beleidigt. Bei einer Wahlkampfveranstaltung der AfD sei sie in einer Burka über den Marktplatz gelaufen. Heute sei ihr ihr eigenes Verhalten peinlich, „denn so etwas macht man einfach nicht.“
Sie berichtet von einer AfD-Veranstaltung in Greding, an der auch Björn Höcke teilnahm. Als wie üblich die deutsche Nationalhymne gespielt wurde, sangen die Teilnehmer nicht „Einigkeit und Recht und Freiheit“, sondern „Deutschland, Deutschland über alles“ – die tabuisierte erste Strophe der deutschen Nationalhymne. Der Geschichtslehrer Höcke wurde inzwischen zu einer Geldstrafe verurteilt, weil er öffentlich einen SA-Slogan verwendete. Die Geschichte der AfD ist eine Geschichte der Hemmungslosigkeit.
Offene Feindschaft gegenüber dem Islam
Der ehemalige AfD-Europaabgeordnete Nicolaus Fest spricht offen über die Ansichten der Partei. Er möchte zum Beispiel den Islam in Deutschland verbieten. „Wenn man sich die letzten Anschläge anschaut, waren das keine radikalen Islamisten“, behauptet Fest. „Das sind oft Leute, die jahrelang als normale Muslime gelebt haben, denen dann aber etwas nicht passt und dann bringen sie ihre Tochter um, weil sie irgendeinem Christen oder so in die Augen geschaut hat.“
Er musste die Partei inzwischen verlassen. Im Streit mit der AfD ging es um Geld, nicht um ideologische Differenzen. Im Interview behauptet er, es gebe in der AfD keinen Rechtsruck, es gebe nur zu viele Linke.
Bezeichnend ist auch die Begegnung mit Marie-Thérèse Kaiser, die sich mit RTL zum Gespräch traf. Sie ist das Postergirl der Neuen Rechten, eine Influencerin, die auf Instagram und Tiktok Horrorgeschichten über Gewalt durch Ausländer verbreitet. Außerdem ist sie mit dem Verein Ein Prozent verbunden, einer Art Scharnier zwischen der Partei und noch offen radikaleren Tarnorganisationen voller militanter Rechtsextremisten. Kaiser hat auch einen regulären Job im Bundestag – im Büro der AfD-Bundesvorsitzenden Alice Weidel.