Berlin – Der Krisenmanager wird zur Krise seiner eigenen Partei: Außenminister Johann Wadephul (62, CDU) hat Zweifel an der Rückkehr syrischer Staatsbürger in ihre Heimat geäußert und damit die Union vor den Kopf gestoßen. Das Kanzleramt versucht zu vermitteln, doch es gibt heftige Kritik aus der Fraktion und den Ländern.
Wadephul erklärte am Donnerstag in Damaskus überraschend, dass eine Rückkehr nach Syrien „zum jetzigen Zeitpunkt nur sehr eingeschränkt möglich sei, weil ein Großteil der Infrastruktur in diesem Land tatsächlich zerstört sei“. Kurzfristig könnten die Menschen „möglicherweise nicht zurückkehren“. Denn: „Wirklich menschenwürdig können hier kaum Menschen leben.“
Die Äußerungen lösten ein Erdbeben in der Migrationspolitik aus: SPD und Grüne betrachteten sie begeistert als Ablehnung von Abschiebungen Syrien verstanden. Der CDU/CSUNach BILD-Informationen nahm die Führung die Aussagen mit Ungläubigkeit zur Kenntnis. Aus dem Umfeld von Innenminister Alexander Dobrindt (55, CSU) heißt es, er habe sich nur deshalb nicht geäußert, um einen öffentlichen Streit zu vermeiden. Stattdessen ließ sich der Übergangsminister von einem Sprecher erklären, dass sein Ministerium selbstverständlich an Abschiebungen nach Syrien festhalten werde – wie es im Koalitionsvertrag vorgesehen sei.
Das Kanzleramt sieht keinen Widerspruch zwischen Wadephuls Aussagen und dem Kurs der Bundesregierung und will den Streit eindämmen. Regierungssprecher Stefan Kornelius (59) sagte zu BILD: „Hier wird ein Scheinkonflikt aufgebaut.“ Denn: „Die Bundesregierung arbeitet an einer raschen Stabilisierung Syriens. Nur so können die Voraussetzungen für die Rückkehr von Kriegsflüchtlingen geschaffen werden.“ Deshalb lud Wadephul auch „im Auftrag der Bundeskanzlerin“ den syrischen Interimspräsidenten Ahmed Al Sharaa nach Berlin ein.
Für die Regierung steht „unzweifelhaft fest, dass Schwerverbrecher abgeschoben werden sollten, wie auch der Außenminister in Damaskus klar zum Ausdruck brachte.“ Auf die Frage nach Abschiebungen antwortete das Auswärtige Amt auf BILD-Anfrage, Wadephul habe in Damaskus „betont“, dass dies „auch nach Syrien möglich sein müsse“. Tatsächlich sprach der Minister von „sehr wenigen Ausnahmefällen wirklich schwerer Straftäter“, die zurückgeführt werden sollten. Allerdings heißt es im Koalitionsvertrag, dass Abschiebungen bei Kriminellen und Gefährlichen „ansetzen“ sollen. Mit anderen Worten: Auch andere Personengruppen sollten abgeschoben werden.
Fraktion: Wadephuls Argument „sehr ungeeignet“
Völlig undiplomatisch reagierte die Unionsfraktion im Bundestag auf die Äußerungen des deutschen Chefdiplomaten: Die Fraktionsspitze stellt sich offen gegen den Außenminister!
Günter Krings, Fraktionsvize und mächtiger Chef der Landesgruppe NRW, stuft die Äußerungen des deutschen Außenministers als „Spontanäußerungen“ herunter. Zu Wadephuls Argument, Syrien sei zu zerstört für eine Rückkehr der Syrer, sagt Krings zu BILD: „Der Grad der Zerstörung eines Landes ist als Argument gegen eine freiwillige oder erzwungene Rückkehr natürlich äußerst ungeeignet. Denn wer soll ein zerstörtes Land wieder aufbauen, wenn die eigenen Bürger das nicht tun?“
Kritisiert Wadephul offen: Günter Krings (56, CDU), stellvertretender Fraktionsvorsitzender und Chef der Landesgruppe NRW
Krings stellt in BILD klar: „Der syrische Bürgerkrieg ist vorbei und in weiten Teilen des Landes ist die Rückkehr der allermeisten Syrer, die das Land verlassen haben, nun möglich und zumutbar.“ Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende betont den Unterschied zu Wadephuls Argumentation, die sich auf die Lebensbedingungen in Syrien bezieht: „Grundlage jeglichen Schutzes für Bürgerkriegsflüchtlinge kann und muss sein, dass sie unser Land wieder verlassen, wenn der Krieg in ihrer Heimat beendet ist.“
Schulze: „Kann die Aussagen des Außenministers nicht nachvollziehen“
Einen klaren Widerspruch gibt es auch von Sachsen-Anhalts CDU-Chef und Wirtschaftsminister Sven Schulze (46): „Der Grund für die Flucht Hunderttausender Syrer war der inzwischen beendete Bürgerkrieg. Deshalb müssen wir jetzt konkret an einer Strategie für die schnelle Rückkehr dieser Menschen arbeiten.“
Schulze, der auch dem CDU-Präsidium angehört, sagte zu BILD: „Ein teilweise zerstörtes Land und schlechtere Lebensbedingungen als in Deutschland sind kein Grund, nicht daran zu arbeiten. Deshalb kann ich die Aussagen des Außenministers nicht verstehen.“
Der Kanzler und sein Außenminister: Friedrich Merz (69, CDU) bekommt wegen Johann Wadephul neuen Ärger mit der Union
Ende 2024 endete der Bürgerkrieg in Syrien mit dem Sturz von Diktator Baschar al-Assad. Im Sommer 2025 lebten mehr als 950.000 syrische Staatsbürger in der Bundesrepublik. Allein im Jahr 2024 erhielten 83.150 Syrer deutsche Pässe. Laut UN sind seit dem Sturz Assads mehr als eine Million Syrer in ihre Heimat zurückgekehrt – aus Deutschland jedoch kaum einer.
Auf eine BILD-Anfrage, warum eine Rückkehr nach Syrien für mehr als eine Million Syrer sinnvoll sei, nicht aber für diejenigen aus Deutschland, antwortete das Ministerium von Johann Wadephul nicht konkret. Stattdessen hieß es im Auswärtigen Amt: Eine Rückkehr sei „eine individuelle Entscheidung, die immer von Fragen wie der Sicherheit, der wirtschaftlichen Lage oder der Verfügbarkeit von Wohnraum abhängt.“
