Den deutschen Automobilherstellern droht möglicherweise eine neue Halbleiterkrise. Wegen Problemen beim niederländischen Chiphersteller Nexperia könnten bald Produktionsstopps drohen, warnt der Verband der Automobilindustrie (VDA). „Die Situation könnte in naher Zukunft zu erheblichen Produktionseinschränkungen und möglicherweise sogar Produktionsstopps führen“, warnte VDA-Präsidentin Hildegard Müller.
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Nexperia hat Lieferschwierigkeiten, nachdem die niederländische Regierung die Kontrolle über das zuvor von einer chinesischen Muttergesellschaft geführte Unternehmen übernommen hat. China stoppte daraufhin den Export von Nexperia-Produkten wie Chips für die Autoindustrie. Nach Angaben des VDA teilte das Unternehmen daraufhin den Automobilherstellern und Zulieferern mit, dass es die Versorgung mit seinen Chips nicht mehr vollständig gewährleisten könne.
Die Niederlande versuchen, eine Lösung zu finden
Die niederländische Regierung versucht im Konflikt um den Chiphersteller eine Einigung mit China zu erzielen. Der amtierende Wirtschaftsminister Vincent Karremans sagte, er habe diese Woche mit seinem chinesischen Amtskollegen Wang Wentao telefoniert. „Wir haben weitere Schritte besprochen, um eine Lösung zu finden, die im Interesse von Nexperia, der europäischen und chinesischen Wirtschaft ist“, erklärte Karremans.
Nexperia ist eine Tochtergesellschaft des chinesischen Unternehmens Wingtech und hat seinen europäischen Hauptsitz in Nijmegen.
Karremans hatte kürzlich mithilfe eines selten angewandten Gesetzes die Kontrolle über das Unternehmen übernommen. Dadurch soll die Migration von technologischem Wissen und geistigem Eigentum nach China verhindert werden.
Druck der USA auf Den Haag
Auf Anordnung des Amsterdamer Wirtschaftsgerichts ließ der Minister dem chinesischen Eigentümer des Unternehmens die Kontrolle entziehen. Zuvor hatte er erklärt, dass der Handelsstreit zwischen den USA und China nichts mit dem Nexperia-Konflikt zu tun habe. Gerichtsdokumente zeigen jedoch, dass die USA Den Haag unter Druck gesetzt haben, diesen Schritt zu unternehmen.
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Nach Angaben des VDA ist Nexperia ein wichtiger Zulieferer, dessen Halbleiter häufig in elektronischen Steuergeräten der Fahrzeugelektronik zum Einsatz kommen. „Der VDA steht seitdem im Kontakt mit den betroffenen Unternehmen, der Industrie, der Bundesregierung und der EU-Kommission. Der aktuelle Fokus sollte auf der Suche nach schnellen und pragmatischen Lösungen liegen“, sagte VDA-Chef Müller. Nexperia produziert unter anderem in Hamburg, ist aber Berichten zufolge auf Lieferungen aus China angewiesen, die inzwischen eingestellt wurden.
Die Produktion läuft noch
Nach Angaben der Unternehmen halten sich die Auswirkungen in den Autofabriken bislang in Grenzen. „Unsere Produktion ist derzeit nicht betroffen“, sagte ein VW-Sprecher. Selbst eine für Freitag geplante Unterbrechung in Wolfsburg hat nichts mit einem Chipmangel zu tun. Allerdings steht VW in engem Kontakt mit allen Beteiligten, um Risiken frühzeitig erkennen und reagieren zu können. Nexperia liefert nicht direkt an VW, sondern an Lieferanten, die Komponenten für VW produzieren.
Ähnlich äußerte sich auch BMW. „Die Produktion in unseren Werken läuft weiterhin nach Plan“, sagte ein Sprecher. „Wir stehen in engem Kontakt mit unseren Lieferanten und bewerten die Situation kontinuierlich, um mögliche Lieferrisiken frühzeitig zu erkennen und entsprechende Maßnahmen zu ergreifen.“
Lieferanten bilden eine Task Force
Erste Zulieferer wie ZF haben bereits Task Forces zur Bewältigung der Situation eingerichtet. ZF sagte, man arbeite gemeinsam mit Kunden und Lieferanten daran, die Lieferketten stabil zu halten und alternative Lieferanten zu prüfen. Auf Nachfrage erklärte Bosch: „Die aktuelle Situation stellt uns wie auch andere Nexperia-Kunden vor große Herausforderungen. Wir hoffen daher auf eine schnelle Lösung zwischen den Beteiligten, die zur Entspannung der aktuellen Engpasssituation beiträgt.“
Bereits während der Corona-Pandemie hatte ein Chipmangel zu massiven Ausfällen in der Autoindustrie geführt, von denen damals die gesamte Branche betroffen war. Damals hatten mehrere Unternehmen angekündigt, ihre Chipbestände aufzustocken, um bei Engpässen die Produktion nicht sofort einstellen zu müssen.
(fds)