Bundespräsident Frank Walter Steinmeier hielt eine Grundsatzrede über aktuelle Bedrohungen der Demokratie. „Noch nie in der Geschichte unseres wiedervereinten Landes waren Demokratie und Freiheit so stark angegriffen“, sagte Steinmeier am 9. November in Berlin. Demnach sieht Steinmeier Demokratie und Freiheit derzeit vor allem „durch rechtsextreme Kräfte bedroht, die unsere Demokratie angreifen und Rückhalt in der Bevölkerung gewinnen“.
Steinmeier appellierte an Politik und Zivilgesellschaft, sich dagegen zur Wehr zu setzen. „Nur darauf zu warten, dass der Sturm vorüberzieht, und eine Weile Schutz zu suchen, reicht nicht aus“, sagte der Bundespräsident während der Veranstaltung im Schloss Bellevue, die an die historischen Ereignisse von 1918, 1938 und 1989 erinnerte. Der 9. November steht für drei einschneidende Ereignisse in der deutschen Geschichte: 1918 wird aufgerufen Berlin Philipp Scheidemann schloss die Weimarer Republik aus; 1938, während der Reichspogromnacht, mündeten antisemitische Propaganda und Repressionen durch die Nationalsozialisten in offene Gewalt gegen Juden. Und schließlich wurden am 9. November 1989 die neuen Reisebestimmungen für DDR-Bürger verkündet, wodurch das Datum als Tag des Mauerfalls in die Geschichte einging.
Es darf keine politische Zusammenarbeit mit Extremisten geben. Nicht in der Regierung, nicht in den Parlamenten.
„Die Rechtsextremisten locken mit dem süßen Gift der Wut, ‚die da oben‘ sind die vermeintlichen Gegner“, so Steinmeier weiter. Sie lockten mit „dem Versprechen einer autoritären Führung“ und dem Versprechen, dass Deutschland „wieder großartig“ sein würde. Die Demokraten hätten „so viel dagegenzuhalten. Wir haben das Recht. Freiheit. Menschlichkeit. Das Wissen, wohin Hass führt“, betonte Steinmeier. Obwohl Deutschland ein starkes Land ist – mit einer gefestigten Demokratie, einem stabilen Rechtsstaat und einer leistungsfähigen Wirtschaft –, herrscht gleichzeitig große Unruhe in der Gesellschaft.
Steinmeier nennt die AfD nicht namentlich
Ohne die AfD namentlich zu nennen, forderte er Bundespräsidentdass es keine politische Zusammenarbeit mit Extremisten geben dürfe, „nicht in der Regierung, nicht in den Parlamenten“. Ein Parteienverbot sei „die ultima ratio einer wehrhaften Demokratie“. Ob die Voraussetzungen erfüllt sind, muss geprüft und abgewogen werden. „Auf keinen Fall sollten wir untätig bleiben, bis diese Fragen geklärt sind“, forderte Steinmeier.
Auch wenn Steinmeier nach eigenen Worten nichts von Alarmismus und schrillen Untergangsszenarien hält, sei es an der Zeit, „dass wir uns den Gefahren ohne Illusionen stellen. Wir dürfen nicht in eine neue Autoritarismus-Faszination und dann in eine neue Unfreiheit abgleiten, und hinterher sagen alle: ‚Das wollten wir nicht. Das wussten wir nicht.‘“
Der Bundespräsident wies darauf hin, dass es viele Menschen gibt, die schweigen und abwarten. „Ich möchte Ihnen sagen: Machen Sie mit! Was wir jetzt brauchen, sind aktive Demokraten, die ihre Stimme erheben, im Parlament, beim Fußball, am Stammtisch, in der Schule, an der Bushaltestelle und am Arbeitsplatz.“
Zum historischen Datum sagte Steinmeier: „Der 9. November steht für Licht und Schatten, für die tiefsten Abgründe und die glücklichsten Stunden unserer Geschichte.“ 87 Jahre nach den Pogromen vom 9. November 1938 sei der Antisemitismus „nicht zurück, weil er schon immer da war“ und seit dem Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 auch in Deutschland „stark gestiegen“. Steinmeier forderte: „Wir müssen den Antisemitismus bekämpfen, egal aus welcher Richtung er kommt.“
